"Unterschätzen Sie die Senioren nicht"

Thomas Schaufler,Chef der Erste Bank Österreich
Der Chef der Erste Bank Österreich über Filial-Sterben, Ausbau des Bankings im Internet und das Streben der Bank nach einer neuen "Einfachheit".

KURIER: Bankfilialen verschwinden allmählich aus dem Stadtbild. Wie sollen neue Kunden zur Erste Bank kommen?

Thomas Schaufler: Wir schauen, dass wir für Kunden dort erreichbar sind, wo sie uns haben möchten. Sie wollen 24 Stunden, sieben Tage die Woche Zugang zu ihrer Bank haben. Das gewährleisten wir zu 100 Prozent über unser Onlinebanking George.

Das reicht?

Nein, aber wir haben gesehen, dass die Erwartungshaltung an die Filiale eine andere geworden ist. Wir hatten in der Vergangenheit kleine Filialen mit eingeschränkter Beratung. Kundenumfragen ergeben, dass sie einfache Dinge über Smartphones machen – von Überweisungen bis zu Krediten. Da ist sogar der PC-Zugang oft schon old-fashioned. Für schnelle Fragen reicht das Callcenter. In der Filiale wollen die Kunden für komplexe Fragen wie Versicherungen, Leasing, Wohnkredite eine Beratung haben. Die Ausrichtung der Filiale geht klar in Richtung Qualität und Verfügbarkeit. Wie haben großteils von 9 bis 18 Uhr offen. Und Beratungszeiten gibt es auch außerhalb dieser Zeit.

Viele ältere Menschen brauchen solche Bankprodukte nicht und haben mit online Probleme ...

Da geht es meist um Geldversorgung. Dafür haben wir Kooperationen geschlossen, zum Beispiel mit der OMV. Am Land gibt es Gemeindeämter, wo wir Bankomaten aufgestellt haben. Und mit 1100 Filialen und OMV-Bankstellen haben wir gemeinsam mit Sparkassen ein flächendeckendes Netz.

Filialen gibt es für die Alten aber nicht mehr ...

Es gibt in den Regionen ein bestimmtes Maß an Entfernung, einen Radius, in dem man einkauft, zum Arzt geht und ähnliches. Das ist in Wien ein Kilometer, am Land mehrere Kilometer.

Trotzdem beklagen viele ältere Menschen, dass der Weg zur Bankfiliale zu weit sei ...

Da haben uns die IT-Unternehmen, allen voran Apple, schon einiges vorgelebt. Meine Großmutter ist jetzt 92. Hätte ich ihr vor zehn Jahren gesagt, ich kaufe dir einen Laptop, hätte sie mich ausgelacht. Jetzt ist es so, dass der Kontakt zu ihren Urenkeln über Tablet mit Wischen kein Problem ist. Da sag’ ich ihr: dein Bankzugang ist genauso einfach. Ich glaube, man kann Banking online so einfach machen, dass Senioren das können. Bei George sehen wir, dass jeder fünfte Kunde über 50 ist. Und unser Millionster Kunde war über 60. Unterschätzen Sie die Senioren nicht. Wo wir weg müssen ist, dass wir sagen, unsere Systeme schauen so aus, wie wir wollen. Sie müssen so aussehen, wie die Kunden das wollen. Das haben wir bei George umgesetzt.

Werden die Online-Zugänge noch einfacher?

Mit George ist einiges schon leicht zugänglich. Wir überlegen aber noch weitere Schritte. Zum Beispiel: Für die regelmäßigen vier, fünf kleinen Überweisungen im engeren Kreis soll es einen noch einfacheren Prozess geben. Diese Überweisungen könnten ohne TAN freigegeben werden. Wir prüfen, ob das rechtlich möglich ist.

In Wien hat die Erste 57 Filialen. Werden es noch weniger?

Wir sind nicht am Ende der Planungen. Wir öffnen auch neue Standorte, etwa am Hauptbahnhof. Und was wir auch machen: Wir beginnen in Einkaufszentren am Samstag den ganzen Tag zu öffnen und in der Filiale am Graben am Samstag bis 13 Uhr.

Bedeutet der einfache Zugang auch, dass Kunden nur noch einfache, standardisierte Produkte erhalten?

George ist kein fix fertiges, für jeden gleich aussehendes Service. Dieses System sollte in der nächsten Ausbaustufe erkennen, was der Kunde will. Wenn er zum Beispiel oft sein Wertpapierkonto aufruft, kommt diese Seite sofort, wenn er George öffnet. Das System lernt also mit und stellt das für den Kunden individuell zusammen.

Haben Sie international ein Vorbild dafür? Gibt es Banken, die so arbeiten?

Weniger Banken, sondern Tech-Companies. Mein liebstes Beispiel ist Starbucks. Die haben Loyalty-Cards. Damit weiß Starbucks, wann Sie ungefähr kommen und versucht zu dieser Zeit ihr Lieblings-Brötchen frisch zu haben.

Viele Menschen sind besorgt über den lockeren Umgang mit ihren persönlichen Daten ...

Wir geben Kundendaten nie außer Haus. Wir machen kein Geschäft damit. Was wir aber tun: Kundendaten verwenden, wenn er zustimmt, um ihn zu schützen. Etwa wenn die Kreditkarte gestohlen wurde. Das kann das System rasch erkennen und die Karte sperren. Oder: In Zukunft könnte Ihnen George Strom- oder Gasangebote zeigen. Wir verwenden Daten nur dafür, Ihnen das Leben zu erleichtern.

Was können Kunden vom Produktangebot erwarten?

Die Produkte wird es auf allen Kanälen geben. Man kann sie online anschauen, in der Filiale nachfragen und zu Hause abschließen. Standardprodukte werden online noch einfacher werden.

Kommentare