Unersättliche Lufthansa: Tickets werden teurer

Unersättliche Lufthansa: Tickets werden teurer
Auch in Österreich steigen schon die Ticketpreise. Poker mit Kartellwächtern. Doch Chancen für Lauda?

WienInnsbruck und retour um 548,57 Euro, gebucht bei der Lufthansa-Tochter AUA für 21. und 22. November. Ein stolzer Preis für eine Destination von knapp 500 Kilometern. Seit die Air-Berlin-Tochter NIKI die Strecke aufgab, hat die AUA ein Monopol in die Alpenstadt.

Es geht aber immer noch ein bisschen teurer. Wer zur selben Zeit nach Frankfurt will, darf 722,47 Euro hinblättern. Economy, versteht sich. Flugzeit: Eine Stunde und 25 Minuten. NIKI bzw. die Mutter Air Berlin hatte Frankfurt schon vor Längerem eingestellt.

"Wie kann man einem Kunden erklären, dass der Flugpreis für Wien-Innsbruck-Wien oder Wien-Frankfurt-Wien teurer ist als eine Woche Badeurlaub in einem All-Inclusive-Hotel in Ägypten, der Türkei oder Tunesien. Inklusive Flug und Absicherung der Kundengelder beim Reiseveranstalter?", fragt TUI-Manager Josef Peterleithner, Präsident des Österreichischen Reisebüroverbandes.

Die Erklärung für derart exorbitante Preise ist relativ einfach. Hier nutzt jemand seine Marktmacht gnadenlos aus.

Bereits Monate, bevor Lufthansa-Boss Carsten Spohr den Kaufvertrag für den Großteil der in der Pleite versunkenen Air Berlin samt der Österreich-Tochter NIKI unterschrieb, warnten Konkurrenten, Mitbieter und die Tourismuswirtschaft vor einem Monopol. Ein hässliches Wort in einer modernen Marktwirtschaft.

Peterleithner befürchtet, "dass die Preise steigen, obwohl das Kartellverfahren noch läuft". Das scheint tatsächlich der Fall zu sein. Ersichtlich am Beispiel WienDüsseldorf. Im Oktober eingestellt, als die Flieger von Air Berlin gegroundet wurden. Seit Anfang November sind die Tickets schon um 30 Prozent teurer geworden, beobachtet Gregor Kadanka, Chef von Mondial und Kammer-Vertreter der Reisebüros.

Der Großteil der Strecken, die NIKI derzeit noch fliegt, sind Ferienrouten in den Süden. Unter den Flügeln der Lufthansa erwartet die Fachgruppe der Reisebüros für nächsten Sommer "signifikante Preissteigerungen. Es ist nicht davon auszugehen, dass es auf diesen Strecken kurzfristig neue Anbieter geben wird", befürchtet Kadanka. Bis ein Konkurrent eine neue Destination bedient, dauere es Jahre und nicht Monate.

Die Vergangenheit gibt den Befürchtungen vor einem Monopol recht. NIKI stellte heuer alle 14 Städteflüge innerhalb Europas ein. Die Tarife stiegen umgehend, sobald der Lufthansa-Konzern diese City-Strecken alleine bediente.

Beispiel Zürich, Ende Jänner 2017 vom NIKI-Flugplan gestrichen. Die Reisebüros verglichen die Preise für die Monate September und Oktober im Vorjahr und heuer. Ergebnis: 2017 kosteten die Tickets rund 422 Euro, das sind um zwölf Prozent mehr.

Von Wien nach Nizza dürfen die Passagiere 304 Euro zahlen, um 18 Prozent mehr. Das eine oder andere Ticket kann natürlich billiger sein, verglichen werden hier immer Durchschnittspreise.

In Deutschland ist die Politik alarmiert. Laut Handelsblatt ergab eine Stichproben-Analyse des Einkaufsportals Mydealz Anfang November um gut 16 Prozent höhere Preise. Betroffen sind vor allem Geschäftsreise-Verbindungen. Flüge von München nach Düsseldorf, einem der beiden Drehkreuze der Air Berlin, kosten sogar um 300 Prozent mehr, BerlinFrankfurt um 60 Prozent.

Die Preissteigerungen ergeben sich zum Teil automatisch aus dem elektronischen Preisfindungs-System, dem sogenannten Yield-Management. Der Yield ist der Durchschnittsertrag pro Flugsessel. Je besser ein Flug gebucht ist, desto rascher steigt der Ticketpreis.

In Deutschland sind derzeit die Flüge knapp. Die 80 Air-Berlin-Maschinen, welche die Lufthansa übernommen hat, dürfen nicht starten, solange die EU-Kommission prüft. 60.000 Sitzplätze würden jeden Tage fehlen, beklagt Spohr. Abhilfe sei erst nach einer positiven Kartell-Entscheidung zu erwarten.

So kann man auch versuchen, auf die Wettbewerbshüter Druck zu machen.

Die EU-Kommission soll ziemlich überrascht sein, dass die Marktanteile des Lufthansa-Konzerns, also mit AUA und der Billig-Tochter Eurowings, in Österreich wesentlich höher sind als in Deutschland. In den begehrten Morgenspitzen hält der Konzern bei 86 Prozent der Slots (Start- und Landezeiten). Nach Passagieren gerechnet kommen Lufthansa plus NIKI insgesamt auf rund 70 Prozent.

In Brüssel pokert die Lufthansa mit dem Argument Bratislava, hört man. Man dürfe den Flughafen Wien nicht isoliert sehen, sondern in einem Radius von 100 Kilometern. Daher sei die slowakische Hauptstadt bei der Berechnung der Marktanteile einzukalkulieren.

Da schaut die Rechnung gleich anders aus und die Lufthansa wäre nicht mehr ganz so marktbeherrschend.

"Dieses Argument der Substituierbarkeit ist einfach falsch", befindet allerdings Theo Thanner, Chef der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). "Sinnvolle Auflagen sind jedenfalls erforderlich", meint Österreichs oberster Wettbewerbshüter, der "noch keine Gesamtstrategie für den Wirtschaftsstandort" sieht.

"So ein Schwachsinn. Niemand fährt freiwillig nach Bratislava. Die Leute wollen von Wien abfliegen und dort entsteht das Monopol", tönt dazu NIKI-Gründer Niki Lauda, der mit seinem Angebot bei den Insolvenzverwaltern der Air Berlin abgeblitzt war.

Dass Bratislava keine Alternative zu Wien sein kann, zeigt ein Blick in die Passagier-Zahlen. Auf dem slowakischen Airport wurden 2016 lediglich 1,757 Millionen Fluggäste gezählt, in Wien dagegen 23,352 Millionen.

Nur Slots abzuziehen, ist Thanner zu wenig. Er könnte sich als Auflagen eine permanente Preisbeobachtung ebenso vorstellen wie das Hereinholen von Konkurrenz-Airlines. Die BWB schickte jedenfalls eine geharnischte, 17-seitige Stellungnahme nach Brüssel.

Die Lufthansa habe in Brüssel die sogenannte "Failing Company Doctrin" in die Verhandlungen eingebracht, wird in der Branche kolportiert. Ein Deal wird wettbewerbsrechtlich großzügiger beurteilt, wenn die Alternative zur Übernahme die Zerstörung des betroffenen Unternehmens gewesen wäre.

Dieses Match wird im Fall von NIKI spannend. Fragt sich nämlich, ob die Lufthansa tatsächlich am Unternehmen NIKI interessiert ist, oder ob es nicht vielmehr um eine Marktbereinigung geht.

Eurowings-Chef Thorsten Dirks höchstpersönlich erklärte vor Kurzem in Wien, die Marke NIKI aufzugeben. Die Flugzeuge wandern in die Eurowings, lediglich die Firma, eine GmbH, werde weiter bestehen. Diese braucht Eurowings als billige Produktionsplattform. Der Kollektivvertrag von NIKI dürfte noch um einiges kostengünstiger sein als die Konditionen für die Eurowings-Crews.

Um mit dieser Strategie durchzukommen, müssen die Lufthanseaten der Kommission klarmachen, dass alle anderen Angebote für NIKI und Air Berlin unseriös waren.

Das wird schwierig. Neben deutschen Unternehmern waren der British-Airlines-Konzern und Lauda mit einem Konsortium aus Thomas Cook und der Ferienfluggesellschaft Condor ins Rennen gegangen.

Die Lufthansa hatte als reinen Kaufpreis für Teile der Air Berlin plus NIKI angeblich rund 100 Millionen geboten. Die Gruppierung um Lauda soll nur für NIKI 170 Millionen offeriert haben, abzüglich der Verbindlichkeiten 109 Millionen. Für die Kartellbehörde sind allerdings nicht die Preise wesentlich, sondern die Frage, ob es seriöse Alternativ-Angebote gab.

Am Freitag endete die Frist für die Stellungnahmen der unterlegenen Bieter. Man darf davon ausgehen, dass diese heftig formuliert sind. "Überhaupt keine Frage, dass hier ein Monopol entsteht. Besonders in Österreich, das ist der Paradefall eines Monopols geworden. Ich hoffe nur, dass Brüssel das auch so sieht", argumentiert Lauda. Er ortet es als "gutes Zeichen, dass die Kommission den Deal nicht durchwinkt". So locker, wie die Lufthansa geglaubt habe, "geht der Deal offenbar nicht durch". Die Lufthansa habe nicht damit gerechnet, dass die 80 Air-Berlin-Flugzeuge am Boden bleiben müssen.Fünf der Flieger sind derzeit in Wien eingemottet.

Macht sich der dreifache Formel-1-Weltmeister und Eigentümer der Bedarfsflug-Gesellschaft Lauda Motion vielleicht noch Hoffnungen, mit NIKI doch auf die Startbahn zu kommen?

"Ja, ich glaube noch an Brüssel. Die EU steht doch für fairen Wettbewerb."

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