Umstrittenes Geschäft: Reisen und Gutes tun

Im Urlaub helfen: Der Markt mit Volunteer Reisen ist 10 Milliarden Euro schwer
Beliebt ist vor allem das Arbeiten mit Kindern. Experten beurteilen viele Angebote skeptisch.

Mit Kindern im Waisenhaus lernen, Bäume pflanzen oder nach Katastrophen beim Wiederaufbau der Häuser helfen: In den USA gehört es längst zum guten Ton, im Urlaub auch Gutes zu tun. Der Trend kommt nun auch im deutschsprachigen Raum an. Voluntourismus heißt das Mittelding zwischen Urlaub und Hilfseinsatz im Fachjargon. Veranstalter werben mit Erlebnissen abseits touristischer Trampelpfade und dem guten Gefühl, geholfen zu haben.

Volunteer Reisen sind zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Weltweit sind jährlich zehn Millionen Menschen als freiwillige Helfer unterwegs. Der Markt soll mehrere Milliarden Euro schwer sein, schätzt der Informationsdienst TourismWatch. In der Branche gibt es skurrile Auswüchse, wie Partyschiffe, die durch die Karibik kreuzen und US-Schulabsolventen einen Tag zum Freiwilligendienst auf armen Inseln absetzen – bevor die Party weitergeht.

"Reisen, um Gutes zu tun, hört sich gut an, ist in der Praxis aber gar nicht so einfach", sagt Christian Hlade, Chef des Grazer Reiseveranstalters Weltweitwandern. Aus seiner Sicht ist es eine Augenauswischerei, Touristen einzureden, dass sie in zwei Wochen Urlaub eine großartige Leistung für Menschen in anderen Ländern vollbringen können. Hlade: "Es ist vielmehr eine wertvolle Erfahrung für die Touristen selbst."

Dennoch bietet auch Hlade solche Reisen an. "Weil sich nach dem Erdbeben in Nepal so viele unserer Kunden gemeldet haben und in Nepal helfen wollten." Hlade lässt Freiwillige beim Bau von Unterkünften mithelfen, für die er auch Spenden sammelt. Es könne aber nicht die Lösung sein, massenweise Touristen zum Helfen nach Nepal zu bringen, wenn gleichzeitig Millionen von arbeitslosen Nepali auf Arbeitssuche nach Dubai fliegen, schränkt er ein.

Arbeit mit Kindern

Die meisten Volunteers wollen übrigens mit Kindern arbeiten, berichten Reiseveranstalter. Hlade winkt sofort ab: "Den Kindern ist nicht geholfen, wenn alle zwei Wochen neue Fremde auf sie zustürmen und weg sind, sobald sie eine Beziehung zu ihnen aufgebaut haben."

Veranstalter berichten zudem von Kindesmissbrauchsfällen. Laut ECPAT (Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung) nimmt die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus weltweit zu. "Weiße, westliche, wohlhabende Männer mittleren Alters sind nicht mehr die alleinigen typischen Täter. Es sind auch Geschäftsreisende, Auswanderer und Freiwillige", heißt es in einem aktuellen Bericht.

Anbieter von Freiwilligeneinsätzen sollten daher vor der Abreise zumindest ein polizeiliches Führungszeugnis abfragen und ein Bewerbungsgespräch führen, fordert Antje Monshausen von der Organisation Brot für die Welt. Viele Freiwillige haben Interesse an kurzen Aufenthalten von nur zwei bis acht Wochen, was besonders beider Arbeit mit Kindern zu kurz sei, sagt sie. Die meisten Volunteer-Reisen sind übrigens teuer. Monshausen: "Der Rückschluss, dass deshalb viel Geld bei der lokalen Organisation ankommt, ist aber nicht zulässig." In der Branche sind sich alle einig, dass Volunteer Reisen aufwendig zu organisieren sind. Die TUI ist aus dem Nischenmarkt wieder ausgestiegen.

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