Umgefärbt: "Wiener Zeitung" als mahnendes Beispiel

Illustration: Christine Karner
Wie parteipolitische Posten-Besetzungen schiefgehen können, sieht man anhand der "Wiener Zeitung".

Bei jedem Regierungswechsel brechen in den staatsnahen Unternehmen Ängste aus und keimen Hoffnungen – je nach Parteizugehörigkeit der Spitzenmanager und Aufsichtsräte. Umfärben hat in Österreichs Staatsunternehmen Tradition. Auch in der neuen Koalition gibt es längst schon jede Menge Spekulationen. Die entscheidenden Fragen lauten: Wer muss gehen, wer darf bleiben, wer wird kommen?

Die Wiener Zeitung, hundertprozentig im Besitz der Republik Österreich und direkt im Einfluss des Bundeskanzleramtes, darf den türkisen und blauen Postenbesetzern als warnendes Beispiel vorgeführt werden. An Österreichs ältester Tageszeitung können die Konsequenzen von parteipolitischem Postenschacher auf ein Unternehmen anschaulich studiert werden.

Am 31. Jänner wird vor dem Arbeitsgericht in Wien wieder in der Causa Karl Schiessl gegen die Wiener Zeitung (WZ) verhandelt. Der ehemalige Geschäftsführer hat die WZ auf knapp 600.000 Euro geklagt. Hier geht es nicht nur um einen Manager, der sich aus parteipolitischen Gründen benachteiligt fühlt und der die Courage hat, sich das nicht gefallen zu lassen. Schiessl kann sich auf ein Gutachten der Gleichbehandlungskommission stützen, dass er "auf Grund der Weltanschauung" diskriminiert wurde. Heißt im Klartext: Er hatte das falsche Parteibuch.

Umgefärbt: "Wiener Zeitung" als mahnendes Beispiel
Karl Schiesser, Portraitfoto des Pressechefs Karl Schiessl (Copyright: Parlamentsklub, Glaser)

Die Geschichte beginnt im Frühjahr 2013. Der Vertrag von Schiessl, seit 15 Jahren Geschäftsführer, war ausgelaufen und die Position wurde neu ausgeschrieben. Der ehemalige Manager der Burgenländischen Volkszeitung und Geschäftsführer der ÖVP-Burgenland hatte bei der Wiener Zeitung offenbar einen guten Job gemacht. Obwohl die Pflichteinschaltungen der Unternehmen im "Amtsblatt" ständig rückläufig waren, fuhr Schiessl jedes Jahr einen operativen Gewinn ein.

Inzwischen war Werner Faymann Bundeskanzler geworden. Und bestellte den abgewählten Grazer SPÖ-Chef Wolfgang Riedler an die Spitze des Blattes. Der Jurist und der Kanzler kennen einander seit ihrer Zeit als Vorsitzender der Jungen Generation – Faymann in Wien, Riedler in der Steiermark.

Umgefärbt: "Wiener Zeitung" als mahnendes Beispiel
APAGIN17 - 21012008 - GRAZ - OESTERREICH: ZU APA 315 II - Der neue Grazer SP-Chef Wolfgang Riedler, aufgenommen am Sonntag, 20. Jaenner 2008 in Graz.MARKUS LEODOLTER

Die Kandidaten, sechs insgesamt, mussten sich einem Hearing vor einer Auswahlkommission stellen. Alle Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums dürfen als SPÖ-nahe bezeichnet werden:

Manfred Matzka, damals Präsidialchef und höchster Beamter im Bundeskanzleramt.

Wolfgang Trimmel, ebenfalls Sektionschef und Leiter des Bundespressedienstes. War Pressesprecher bei den Wiener Bürgermeistern Helmut Zilk und Michael Häupl und anschließend im Kabinett von Kanzler Faymann.

Astrid Zimmermann, ehemalige Vorsitzende der Journalistengewerkschaft. Von 2012 bis Dezember 2016 Aufsichtsratsvorsitzende der Wiener Zeitung. Dass eine Gewerkschafterin auf einem Kapitalvertretermandat an der Spitze eines Aufsichtsrates sitzt, hat ziemlichen Seltenheitswert. Zimmermann ist inzwischen einfaches Mitglied. Als Generalsekretärin des Presseclubs Concordia arbeitete sie etliche Jahre eng mit Riedlers Vater Josef Riedler zusammen. Der ehemalige Chefredakteur des steirischen SPÖ-Blattes Neue Zeit, das vom Schicksal aller Parteiblätter ereilt und eingestellt wurde, war 40 Jahre lang Präsidiumsmitglied der Concordia.

An der Spitze des WZ-Aufsichtsrates steht heute mit dem demnächst abtretenden Rewe-International-Chef Frank Hensel ein erfolgreicher Top-Manager.

Faksimilie: Die Gleichbehandlungskommission stellte in ihrem vernichtenden Gutachten ganz klar fest, dass es um Parteipolitik ging und nicht um Qualifikationen:

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Als Personalberaterin wurdeGundi Wentnervon Deloitte an Bord geholt. Sie saß für die SPÖ im ORF-Stiftungsrat. Mit dabei war auch der Betriebsrat der Zeitung.

Die Truppe einigte sich auf Riedler als den am besten qualifizierten Kandidaten und Faymann unterschrieb den Vertrag.

Der unterlegene Schiessl rief die Gleichbehandlungskommission an. Diese ersuchte im Oktober 2013 um die Unterlagen, das Bundeskanzleramt ließ sich damit bis April 2015 Zeit.

Das Gutachten fiel vernichtend aus. Die Kommission konnte nicht einmal nachvollziehen, warum Riedler überhaupt zum Hearing zugelassen wurde. Fehlte ihm doch die in der Ausschreibung geforderte Medienerfahrung. Die Argumente der Personalberaterin wurden als nicht sehr glaubwürdig eingestuft. Nicht Schiessls Qualifikation, sondern seine "politische Orientierung" war der tatsächliche und maßgebliche Grund für seine Nichtbestellung (siehe Faksimiles unten). Die Kommission empfahl, Schiessl einen "angemessenen Schadenersatz" zu bezahlen. Der Manager war ein Jahr arbeitslos und ging 2014 in den ÖVP-Parlamentsklub.

Im Gespräch mit dem KURIER erklärt Riedler, die Wiener Zeitung sei nicht die richtige Klagspartei. Die offene Frage sei, "wem ist diese Entscheidung für die Bestellung zuzurechnen".

Faymann oder der Auswahlkommission? Darüber will sich Riedler lieber nicht äußern. Faymann hatte im Oktober vor dem Arbeitsgericht wenig überraschend nichts Essenzielles ausgesagt. Er habe von den Umständen um die Besetzung nichts gewusst.

Gegen das Gutachten der paritätisch besetzten Gleichbehandlungskommission zieht Riedler heftig vom Leder: "Völlig und mangelhaft", es sei "weder vom Ergebnis noch vom Vorgang her akzeptabel" und "mit rechtsstaatlichen Normen nicht in Einklang zu bringen".

Ab 2014 jedenfalls drehte das Betriebsergebnis in die roten Zahlen. Im Vorjahr verschlechterte es sich von mehr als 675.000 auf 1,28 Millionen Euro. Dass trotzdem ein Bilanzgewinn ausgewiesen wurde, ist vielmehr den Wertpapierveranlagungen bzw. buchmäßigen Aufwertungen zu verdanken. Das operative Ergebnis für 2017 könne er derzeit noch nicht beziffern, sagt Riedler. Es sei wesentlich besser als eine ursprüngliche Prognose von minus 2,35 Millionen Euro. Er könne die sinkenden Amtsblatt-Einnahmen durch Kosteneinsparungen und gute Ergebnisse aus den anderen Unternehmensbereichen kompensieren.

Aus Beamtenkreisen im Bundeskanzleramt ist zu hören, dass der kurz nach der Nationalratswahl fristlos entlassene Chefredakteur Reinhard Göweil SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda seit Juni 2016 vor einer steten Verschlechterung der Ergebnisse gewarnt haben soll.

War der Rauswurf von Göweil womöglich gar die Retourkutsche dafür? Jeder, der so etwas Absurdes behaupte, werde geklagt, droht Riedler. Der Zeitung steht demnächst der nächste Arbeitsprozess ins Haus. Göweil bestreitet den Vorwurf der sexuellen Belästigung vehement und geht gegen seine Entlassung vor Gericht.

Riedlers Vertrag als Geschäftsführer läuft noch bis Mitte 2018. Sollte er nicht verlängert werden, braucht er sich trotzdem keine Job-Sorgen zu machen. Er ist nämlich über einen "Bedienstetenzuweisungsvertrag" als Beamter der steirischen Landesregierung an die Wiener Zeitung entliehen.

Während der Tätigkeit als Medienmanager laufen die Vorrückungen als Beamter weiter. Das gehe gar nicht anders und dafür bekomme er um 25 Prozent weniger als sein Vorgänger, beschwichtigt Riedler. Macht im Jahr immerhin 154.000 Euro plus maximal zehn Prozent Bonus. Nicht zu vergessen der sichere Beamten-Job in der Hinterhand.

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