Überzogener Schutz: "Der ärgste Feind der Kunden"

Otto Lucius, Banking Education and Examination Centre
Zu viel Konsumentenschutz lasse nur Schema-F-Produkte übrig, warnt Finanzexperte Otto Lucius.

Mifid, Priips. Diese Worte sind nicht das Ergebnis fürchterlicher Tippfehler. Es sind Abkürzungen, hinten denen sich das versteckt, was die EU unter Konsumentenschutz für Bankkunden versteht: eine Vielzahl von Einzelregelungen, die die meisten Kunden binnen weniger Minuten vergessen – und die den Bankberatern den Schweiß auf die Stirn treiben.

Sie müssen nämlich vor dem Verkauf eines Finanzproduktes nicht nur prüfen, ob der Kunde das Produkt versteht, sondern auch, ob er das Risiko tragen kann, ob er der passende "Zielkunde" ist und vieles mehr.

"Diese Art von Konsumentenschutz ist der ärgste Feind des Kunden", kritisiert Otto Lucius, Geschäftsführer des Banking Education and Examination Centre (BEC). Die überbordenden Regeln im Konsumentenschutz für Bankkunden führten nämlich dazu, dass die Banken viele Produkte schlicht aus ihrem Angebot streichen würden.

Alles genormt

"Die Großbanken werden drei, vier, meist hauseigene Standardprodukte haben. Wer sie will, hat Glück, wer sie nicht will: Pech gehabt", sagt Lucius. Diese Standardprodukte würden auf Herz und Nieren gemäß der EU-Mifid- und Priips-Vorschriften geprüft. Alles andere werde nicht mehr angeboten. Mit der Standardisierung verringerten die Banken ihr Haftungs- und Prozessrisiko. Für die Kunden sei das aber ein großer Nachteil, die Angebotspalette werde merklich schrumpfen.

Auch bei den Krediten drohe Ungemach vom Konsumentenschutz. Banken, die Hypothekarkredite verkaufen, müssten dafür speziell geschulte Berater haben, die die von der EU vorgeschriebene aufwendige Dokumentation akkurat führen könnten. Kunden, die nicht ins vorgeschriebene Schema passten, bekämen keinen Immo-Kredit oder keine Altersvorsorge mehr.

"Irgendwann wird es so wie in Großbritannien. Dort beraten Banken nicht mehr, Wer ein bestimmtes Finanzprodukt will, muss zum Finanzberater, der Honorar dafür verlangt. Das können sich viele Bevölkerungsgruppen nicht leisten", befürchtet Lucius. Der einzige Ausweg für diese Menschen sei, ins beratungsfreie Internet abzuwandern. Dort würden viele Finanzprodukte angeboten, das Risiko liege aber zur Gänze bei den Kunden. "Ob das sinnvoll ist?", fragt sich Lucius.

Wenig Wissen

Das Finanzwissen vieler Menschen sei nämlich nicht gerade überwältigend. In Österreich habe eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GfK im Auftrag des Verbandes der Financial Planners ergeben, dass sich nur 17 Prozent der Österreicher in Geldfragen für sachkundig halten. Während die Banken aber auf genormte, einfache und möglichst beratungsfreie Produkte umstellen, schrumpft auch die Alternative, die Branche der selbstständigen Finanzdienstleister in Österreich. "Auch sie leiden unter der Last der Vorschriften", sagt Lucius, viele würden daher aufgeben.

Regeln für Finanzprodukte: Mifid steht für die „Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente“ (englisch: Markets in Financial Instruments Directive). Die Erstfassung trat 2007 in Kraft und ersetzte die Richtlinie für Wertpapierdienstleistungen von 1993. Schon 2011 gab es wieder Änderungswünsche. Die zweite Version, Mifid II, wurde aber sukzessive verschoben und wird jetzt ab 3. Jänner 2018 gelten. Die Mitgliedstaaten müssen die EU-Vorschriften bis 3. Juli 2017 umgesetzt haben.

Die „Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte“ - oder kurz Priips (Packaged retail and insurance-based investment products) - erweitert ab 2017 die Pflicht der Anbieter, einheitliche, einfach verständliche „Beipackzettel“ vorzulegen.

Kommentare