Tunesier warten auf Rückkehr der Urlauber

Jeder fünfte Arbeitsplatz im Land hängt vom Tourismus ab. Doch die zahlungskräftigen Gäste sind nach der Revolution noch nicht zurückgekehrt.

Da steht Khalid wieder einmal in der Mittagshitze vor dem staatlichen Tourismusbüro in Soussa. Heute sind es knapp hundert, die so wie er ausharren und ihrem Ärger Luft machen, sobald sich ein Beamter blicken lässt. Viel schaut dabei nicht heraus, denn die Jobs, die alle so dringend brauchen, gibt es zurzeit einfach nicht: "Gärtner im Royal Salem", "Küchenhilfe im Riad Palms", "Wächter im El Mouradi".

Wer sich durchfragt, hört all die bekannten Namen der großen Hotels draußen am Strand und dazu all die Arbeiten, bei denen man sich für wenig Geld die Hände ordentlich schmutzig macht. "Wir wollen einfach unsere Arbeit wiederhaben. Unsere Familien warten auf das Geld", macht Khalid deutlich, was alle hier denken.

Fast jeder fünfte Tunesier lebt direkt oder indirekt vom Tourismus. Er ist der größte Wirtschaftsmotor des kleinen Landes - und stottert, seit die Menschen im Jänner der Gewalt getrotzt, das Regime gestürzt und Diktator Ben Ali ins Exil verjagt haben. Europa wurde nervös, holte seine Urlauber heim. Und als die Tunesier, glücklich über ihre neue Freiheit, zur Normalität zurückkehrten, kehrten die Touristen nicht zurück.

"Ich saß da mit zehn Gästen und 200 Mitarbeitern", erinnert sich Mohammed Derouiche, Manager des noblen Hotels Sindbad in Hammamet, an die schlimmen Tage im Frühjahr: "Natürlich hatte auch ich Angst, nicht vor der Politik oder all den Veränderungen, sondern einfach um meinen Job und den von allen anderen."

Preisnachlass

Man machte vorerst einmal zu, schickte die Leute heim und stand ein paar Wochen später vor der heiklen Entscheidung: weiterwarten oder aufsperren? Die meisten entschieden sich fürs Aufsperren, um zumindest das Stammpersonal wieder beschäftigen zu können.

Und dann ging der Wettlauf los, um die Hauptsaison im Sommer zu retten. 30 bis 40 Prozent Ermäßigung, geben die Hoteldirektoren zu, habe man den großen Reiseveranstaltern geben müssen, um wieder ins Geschäft zu kommen: "Verdienen kann man da nichts mehr."

Jetzt, im Juli, sind Hotels und Ferienclubs wieder voll. Auch dank der Tunesier, die kurz vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan im August noch einmal Strandurlaub mit Familie machen. Sie füllen die Plätze der noch immer raren Deutschen und Österreicher.
Eine Gruppe von Gästen ist heuer zahlreich wie noch nie: Libyer. Wohlhabendere Kriegsflüchtlinge haben sich in Hotels, Ferienwohnungen und Clubs einquartiert. "Die sind mit dem ganzen Bargeld im Koffer gekommen", erzählt ein Hotelangestellter: "Und dann haben sie Woche für Woche drangehängt." Viele Libyer haben immer schon gern beim moderneren, europäischeren Nachbarn Urlaub gemacht. Diesmal ist es ein Zwangsurlaub geworden.

Manche Vermieter klagen, dass die Gäste aus Libyen inzwischen mit der Miete im Rückstand seien; man ärgert sich über falsches Benehmen in Lokalen; über Autos, die kreuz und quer die Straßen verparken. Es ist der kleine, alltägliche Ärger, bei den man den sonst so gastfreundlichen Tunesiern anmerkt, dass es ihnen mit 700.000 Libyern im Land langsam zu viel wird.

Sichere Hotelmauern

Sorgen hat man in den Tourismuszentren ohnehin genug. Zwar läuft das Leben zwischen Strand, Hotel und Basar wieder normal. Doch viele Gäste bleiben lieber hinter den sicheren Hotelmauern. Wenn's nicht gerade Kamelreiten oder eine Schiffsfahrt ist, quartieren sie sich eher auf der Strandliege ein, als in die Stadt zu fahren. Und oft zeigen sich Gäste im Club erstaunt, dass es hier gar keine Bomben gegeben hat - und dass die Revolution nach drei Wochen vorbei war.

In den Altstadtgassen von Soussa und Hammamet schwankt die Stimmung der Basarhändler zwischen verzweifelten Verkaufsüberfällen auf die vereinzelten Touristen und stiller Resignation. Manche stürzen sich mit Pfefferminztee und dem Ruf "Gute Preise!" in fünf Sprachen auf jeden Europäer. Andere blicken erst auf, wenn ihnen die Touristen ein Stück, das sie kaufen wollen, vor die Nase halten. "Billigflieger, die kaufen ohnehin nichts", grantelt ein Händler einer Gruppe Polen hinterher, "bestenfalls Zigaretten vom Schwarzmarkt."

"Wir haben heuer auch Gäste, die sich nicht so viel nebenher leisten können", sagt der Direktor des Magic-Life-Clubs in Hammamet, "das merken vor allem die kleinen Geschäftsleute, die Bootsverleiher und Händler."

Es ist ein Sommer, in dem viele in Tunesien auch darüber nachdenken, warum das Land bis heute vor allem als billige Badedestination gilt, trotz antiker Prachtbauten, Altstädten, hinter deren Mauern sich Jahrhunderte arabischer Kultur verstecken, Oasen in der Sahara.
Schuldfrage Viele geben auch daran dem gestürzte Regime die Schuld. Das hatte seine Finger auch im lukrativen Tourismusgeschäft, betrieb nicht nur eigene Hotels, sondern hatte auch, wie es ein Mitarbeiter von TUI formuliert, "überall einen Günstling sitzen, der lachte, wenn der Oberboss lachte, und sonst nicht viel machte".

Alle Ideen, die damals die Mächtigen beim Abkassieren störten, sollen jetzt verwirklicht werden: mehr Kulturtourismus, mehr Qualität, mehr Angebote für Abenteuerlustige. "2011 ist alles neu für uns, auch im Tourismus", sagt der Manager des Sindbad: "Jeder möchte sofort mehr verdienen. Viele glauben, in Tunesien geht jetzt alles direkt vom Schwarz ins Weiß über - aber da ist eben auch viel Grau dazwischen."

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