Studie: Airbnb entzieht Wiener Wohnungsmarkt 2.000 Wohnungen

.
Von der Grundidee, dass Privatpersonen ein zusätzliches Zimmer günstig vermieten und Touristen vom persönlichen Kontakt zu ihren Gastgebern profitieren, sei die heutige Praxis der Unterkunftsvermittlung weit entfernt. Airbnb weist Kritik entschieden zurück.

Laut Forschern der Technischen Universität (TU) Wien werden dem Wohnungsmarkt in Wien ungefähr 2.000 Wohnungen durch Airbnb dauerhaft entzogen. Das ergab eine am Mittwoch veröffentlichte, von der Stadt Wien geförderte Studie zu den Auswirkungen der Plattform zur Vermittlung von Privatunterkünften auf die Stadtentwicklung. Demnach tummeln sich auf dem Wiener Airbnb-Markt bereits viele Großanbieter.

Von der Grundidee, dass Privatpersonen ein zusätzliches Zimmer günstig vermieten und Touristen vom persönlichen Kontakt zu ihren Gastgebern profitieren, sei die heutige Praxis der Unterkunftsvermittlung weit entfernt, wie das Team um Roman Seidl vom Fachbereich "Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik" der TU herausgefunden hat. Nur bei einem Prozent aller Airbnb-Angebote in Wien handelt es sich laut der Analyse um ein Zimmer, das sich ein Gast mit seinem Gastgeber teilt, rund 30 Prozent sind Extra-Zimmer.

Das Gros machen mit etwa 70 Prozent Wohnungen aus. Die Forscher schätzten, dass davon wiederum rund 40 Prozent dauerhaft durch die Vermietung auf Airbnb dem Wiener Wohnungsmarkt entzogen werden. Dies sind etwa 2.000 Wohnungen.

Airbnb: Keinen Einfluss auf Wohnungsmarkt

In einer schriftlichen Stellungnahme wehrt sich Airbnb gegen die Vorwürfe. Die Stüdie würde auf falschen Daten basieren und eine fehlerhafte Methodik nutzen. Das führe zu einer falschen Schlussfolgerung. "Wohnungen, die auf Airbnb angeboten werden, machen weniger als ein Prozent des Wiener Wohnungsmarktes aus, und der typische Home-Sharer vermietet sein Zuhause weniger als einen Tag die Woche", schreibt Airbnb dem KURIER.

Experten seien sich einig, dass der Online-Dienst keinen Einfluss auf den Wohnungsmarkt habe. "Wir wollen mit den Städten gemeinsam an klaren Home Sharing Regeln arbeiten, die die Bürger und die lokale Wirtschaft unterstützen. Daher haben wir auch der Stadt Wien bereits letztes Jahr im April angeboten, die Ortstaxe automatisiert über die Plattform einzuheben und befinden uns aktuell in konstruktiven Gesprächen zu einer solchen Vereinbarung."

Beträchtlicher Grad gewerblich orientiert

Studien-Autor Seidl sagte hingegen zur APA, dass auch "ganze Häuser oder substanzielle Teile davon in Airbnb-Unterkünfte umgewandelt" werden. Von den großen Anbietern mit zwischen 15 und 43 Objekten würden einige klar als Ferienwohnungsvermieter auftreten, der Großteil jedoch gebe sein Angebot als familiäre Unterkünfte aus. "Der 'Sharing Gedanke' wird weiter nach außen kommuniziert, da dies das Alleinstellungsmerkmal von Airbnb ist", so der Wissenschafter. Dabei seien die Airbnb-Angebote mittlerweile zu einem beträchtlichen Grad gewerblich orientiert.

Auch die Anbieterkonzentration sei bereits hoch: Zwar böten nur 17 Prozent der Vermieter mehr als eine Unterkunft an, doch diese Anbieter vereinten rund 42 Prozent der Angebote auf sich. Ein ähnliches Muster zeige sich bei den Einnahmen: Kleinvermieter, die fast die Hälfte aller Anbieter ausmachen und nur bis zu 500 Euro im Monat einnehmen, verdienen weniger als zehn Prozent der Gesamteinnahmen.

Wohnungsmarkt angespannt

"Die 20 Prozent der Anbieter mit den höchsten Einkommen verdienen dagegen rund zwei Drittel der Gesamteinnahmen", sagte Seidl. Die 0,4 Prozent der Anbieter mit den höchsten Einkommen nähmen monatlich jeder mindestens 13.500 Euro ein, einzelne Anbieter kämen sogar auf Airbnb-Einnahmen von 60.000 Euro. Die Auslastungsrate der dauerhaft via Airbnb vermieteten Wohnungen in Wien entspräche mit 57 Prozent etwa jener der Hotellerie, so der Raumplaner.

Das Angebot konzentriere sich stark auf den ersten Bezirk, aber auch auf immobilienwirtschaftlich bereits aufgewertete Standorte im zweiten, vierten oder siebten Bezirk. Seidl: "In diesen Gebieten ist der Wohnungsmarkt bereits sehr angespannt, insofern liegt es nahe, dass es durch den Verlust von Wohnraum zu einer weiteren Erhöhung der Mieten kommt."

Zudem habe die Airbnb-Vermietung auch Auswirkungen auf die Hausgemeinschaft und die Wohngegend. Hausbewohner würden plötzlich in einem Hotel wiederfinden, Konflikte entzündeten sich am Lärm, an höheren Betriebskosten und dem Umgang mit Müll. Wohngebiete verwandeln sich in touristische Erlebniszonen, neben der veränderten Infrastruktur nehmen laut dem Forscher auch Konflikte auf der Straße zu.

Gesetzesverschärfungen

Unklar sei, wie man sich gegen die Airbnb-Vermietung wehren könne. Es brauche klare Spielregeln, um die Folgewirkungen zu begrenzen. Viele offene Fragen gebe es auch im Bereich des Gewerberechts, der Steuern oder am Wohnungsmarkt: "Bei der Umwandlung von Wohnungen in dauerhafte Ferienunterkünfte stellt sich die Frage, inwiefern man das unter den gegenwärtigen Bedingungen der Wohnraumknappheit überhaupt zulassen sollte. Sofern man die zeitweise Vermietung privater Wohnungen weiter erlauben will, muss man jedenfalls kontrollieren können, wer wann und wie viel vermietet. Bisher gewährt Airbnb aber leider keinen Zugang zu diesen Daten", so der Experte.

Die Wiener Stadtregierung hat bereits zu reagieren versucht und im Frühjahr eine Gesetzesverschärfung beschlossen, wonach Online-Vermieter u.a. nach einer - inzwischen abgelaufenen Übergangsfrist - Daten zu den angebotenen Räumlichkeiten bzw. den Unterkunftgebern bekannt geben müssen. Für die Stadt war es bisher schwierig herauszufinden, wo Zimmer überhaupt angeboten werden, die neuen Daten sollen der Stadt nun einen Überblick über private Unterkunftsvermietungen geben. Dabei geht es vor allem um die Bezahlung der verpflichtenden Ortstaxe, die in der Vergangenheit von vielen Zimmer- oder Wohnungsanbietern nicht entrichtet wurde. Mit einigen Plattformen, darunter auch Airbnb, stand man zuletzt immer noch in Verhandlung, wie die verpflichtende Bezahlung der Ortstaxe abgewickelt werden könnte.

Nutzung des Online-Dienstes stark gestiegen

Airbnb wurde 2008 von Brian Chesky als Start-up gegründet, dessen Unternehmensidee auf der kurzfristigen Vermietung von leer stehenden oder unterausgelasteten Wohnungen unter Privatpersonen basierte. Seit der Gründung ist die Zahl der über den Online-Dienst vermittelten Angebote in vielen Städten stark gestiegen.

Auch in Wien ist das Angebot markant gewachsen: Standen im Oktober 2014 noch rund 1.300 Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung, so waren es im August 2017 bereits 8.650. Das Airbnb-Angebot sei daher ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Die Bruttoeinnahmen werden inklusive Umsatzsteuer und Vermittlungsgebühren auf rund 80 Millionen Euro geschätzt, dies entspricht etwa zehn Prozent des Wiener Nächtigungsumsatzes.

Kommentare