Telekom: Trotz Rekordverlust bleiben Mexikaner an Bord

Konzern rutscht mit 250 bis 300 Millionen Euro ins Minus. Ametsreiter denkt nicht an Rücktritt.

Die krisengebeutelte teilstaatliche Telekom Austria hat ein wesentlich größeres Finanzproblem als bisher befürchtet. Am späten Montag Abend stand die Dimension des bulgarischen Desasters konzernintern fest. Für Mittwoch wurde eine Krisensitzung des Aufsichtsrates angesetzt.

Ende Mai hatte das neue Management in Bulgarien gemeldet, dass die Business-Pläne der schwer angeschlagenen Tochter Mobiltel nicht halten würden. Worauf der ebenfalls neue Finanzvorstand Siegfried Mayrhofer die Werthaltigkeit der Beteiligung (Impairment-Test) neuerlich überprüfen ließ. Das Ergebnis wird den Gesamtkonzern tief ins Minus reißen. Für 2014 ist ein Rekordverlust von 250 bis 300 Millionen Euro zu erwarten.

Das Bulgarien-Engagement muss um 400 Millionen Euro abgewertet werden. Aufsichtsratsvorsitzender und ÖIAG-Chef Rudolf Kemler sowie sein Vize Ronny Pecik berieten am Mittwoch gemeinsam mit Telekom-Chef Hannes Ametsreiter über Gegenmaßnahmen. In Bulgarien hat die Telekom wegen der schlechten Wirtschaftslage seit Längerem veritable Probleme. Die Kunden brechen weg und im Vorjahr ging der Umsatz um rund 15 Prozent zurück. Die Situation verschärfte sich zuletzt durch die Krise in der Ukraine. Dazu kommen höhere durchschnittliche Kapitalkosten (WACC). Die Erwartungen des Managements, dass sich die Region mittelfristig erholen werde, „ist somit nicht länger haltbar“, teilte die Telekom in einer Ad-hoc-Aussendung mit.

Trotz des Bulgarien-Debakels bleibt die Telekom bei ihrem Umsatzausblick für heuer – prognostiziert ist ein Minus von rund drei Prozent. Auch die ohnehin bescheidene Dividende von 5 Cent wird derzeit nicht weiter nach unten korrigiert.

Das Eigenkapital, das derzeit von der Telekom mit 1,5 Milliarden Euro angegeben wird, verringert sich freilich um die Wertberichtigung. Abzüglich des Hybrid-Kapitals hat die Telekom bei mehr als vier Milliarden Euro Schulden nur noch rund 500 Millionen Euro Eigenkapital. Da ist Feuer am Dach. Die Mobiltel steht nach der Abwertung mit 680 Millionen Euro in den Büchern. Die Telekom kaufte die Mobiltel um 1,6 Mrd. Euro siehe Artikel unten). Bis dato flossen an Dividenden rund 850 Millionen Euro zurück.

America Movil hält

Der neue Großaktionär America Movil dürfte aus dem Telekom-Syndikatsvertrag mit der Staatsholding ÖIAG nicht aussteigen. Der Telekom-Gigant des mexikanischen Milliardärs Carlos Slim war zwar bei Finalisierung des Vertrags über Probleme in Bulgarien informiert, die aktuelle Größenordnung war damals allerdings selbst der Telekom noch nicht bekannt. Die zugesagte Investition von einer Milliarde Euro müssen die Mexikaner nun zumindest zu einem Teil in die Sanierung der Telekom stecken anstatt wie geplant in die Expansion in Zentral- und Osteuropa.

KURIER: Die Aufsichtsräte erfuhren erst am Mittwoch vom Desaster in Bulgarien. Das hat sich nicht schon früher abgezeichnet?
Hannes Ametsreiter: Wir haben die Werthaltigkeit der Mobiltel zuletzt im Februar gemeinsam mit Deloitte geprüft. Der Wirtschaftsprüfer erklärte, dass die Bilanz 2013 völlig korrekt war und nicht abgewertet werden muss. Das steht im Protokoll vom 24. Februar für den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates. In den vergangenen Monaten sind zwei negative externe Entwicklungen passiert, die wir nicht beeinflussen konnten. Die makroökonomischen Bedingungen haben sich massiv verschlechtert. Das hat sich auf die durchschnittlichen Kapitalkosten ausgewirkt. Bulgarien ist ein sehr schwieriger Markt mit einer schrumpfenden Bevölkerung, das drückt auf das Geschäft. Das neue Management hat eine neue Planung erstellt und gesehen, dass das Budget nicht eingehalten werden kann. Daraufhin haben wir sofort einen Impairment-Test veranlasst.

400 Millionen Wertberichtigung sind enorm. America Movil wird die geplante Investitionsmilliarde wohl nicht in Wachstum und Expansion, sondern in die Sanierung der Telekom stecken müssen.
Natürlich sind wir sehr unglücklich über die 400 Millionen. Wir müssen jetzt überlegen, wie man das Kapital bestmöglich einsetzt, um uns einerseits zu stabilisieren und andererseits zu prüfen, in welchem Wachstumsbereich wir Aktivitäten starten.

America Movil wusste beim Einstieg in die Telekom über die Größenordnung des Bulgarien-Desasters nicht Bescheid. Für Bulgarien war nur mit 200 Millionen Euro vorgesorgt worden. Befürchten Sie, dass die Mexikaner wieder aussteigen? Grund dazu hätten sie eigentlich.
Der Vertreter von America Movil war per Videokonferenz bei der Aufsichtsratssitzung dabei. Es kamen keine negativen Ansagen in die Richtung eines Ausstiegs. Bei der Unterzeichnung des Syndikatsvertrags Ende April wussten wir ja selbst die Höhe des Wertberichtigungsbedarfs noch nicht. So etwas ist Ad-hoc-pflichtig.

Es gibt eine Gesamtverantwortung des Vorstands. Sollten Sie jetzt nicht besser zurücktreten?
Ich sehe keine Veranlassung dazu. Diese Informationen sind ja auch für mich selbst neu. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, wir haben sehr rasch, transparent und korrekt gehandelt.

Aber die zweitgrößte Beteiligung der Staatsholding ÖIAG ist nun endgültig ein Sanierungsfall.
Die Situation ist nicht einfach und die Verschuldung ist hoch, das ist klar. In dieser schwierigen Situation trifft uns die Entwicklung Bulgarien umso mehr. Wir kämpfen, wo wir können und tun unser Möglichstes.

Bereits der Einstieg der Telekom Austria in Bulgarien sorgte für heftige Kritik. Der russische Geschäftsmann Mikhail Chernoy bot 2001 gemeinsam mit Vertretern der bulgarischen Nomenklatura westlichen Investoren den Mobilfunkbetreiber Mobiltel an. Die Telekom wollte im Osten investieren, aus Imagegründen aber nicht mit Chernoy direkt ins Geschäft kommen. Er wurde damals vom FBI auf einer Most-Wanted-Liste geführt und hatte in etlichen Staaten, darunter auch in Bulgarien, Einreiseverbot.

Also sprang der Investor Martin Schlaff ein, gemeinsam mit Herbert Cordt, Ex-Sekretär von Hannes Androsch und ehemaliger Länderbank-Vorstand, sowie dem früheren ÖVP-Chef und Industriellen Josef Taus. Den Kaufpreis von rund 800 Millionen finanzierte die Bawag. Taus sagte später vor dem Bawag-U-Ausschuss, er sei bei der Mobiltel nur Treuhänder für Schlaff gewesen.

2004 stiegen zu 40 Prozent sieben Private-Equity-Gesellschaften ein. Darunter ABN Amro, Citigroup und die Kristalldynastie Swarovski. Ein Jahr später übernahm die Telekom das Unternehmen um rund 1,6 Milliarden Euro. Verantwortlich für den Kauf waren die damaligen Telekom-Vorstände Heinz Sundt und Boris Nemsic. Sundt kannte die Familie Schlaff schon lange. Die Telekom verteidigte den Deal immer als „gutes Geschäft“. Der Preis sei wohlfeil gewesen, Schlaff & Co. hätten ein saniertes Unternehmen mit viel Wachstumspotenzial übergeben.

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