Schieszler: "Kein reales und ehrliches Geschäft"

APA11514410 - 18022013 - WIEN - ÖSTERREICH: Im Telekom-Prozess rund um die Kursaffäre aus dem Februar 2004, in der frühere Telekom Austria-Vorstände auf der Anklagebank sitzen, ist am Montag, 18. Februar 2013, das Beweisverfahren eröffnet worden. Im Bild: Zeuge Gernot Schieszler, der die Kronzeugenstellung anstrebt und deswegen nicht auf der Anklagebank sitzt. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Laut Schieszler hätten Fischer und Colombo die Kursmanipulation eingeleitet.

Kronzeuge zu werden ist ein harter Job. Geschätzte 30 Tage wurde der vormalige Telekom-Vorstand Gernot Schieszler vom Bundesamt für Korruptionsbekämpfung einvernommen. Meist an Wochenenden, oft in der Nacht. Die längste Befragung dauerte 18 Stunden.

Am Montag, dem vierten Verhandlungstag über die Kursmanipulationsaffäre, ist der 42-Jährige als Zeuge geladen. Er lässt tief in das „System Telekom“ blicken und versucht im Gegensatz zu den fünf Angeklagten erst gar nicht, den Deal mit dem Broker Johann Wanovits als legal darzustellen: „Das war kein reales, echtes und ehrliches Geschäft.“

Während Schieszler den mit angeklagten Ex-Telekom-Chef Heinz Sundt entlastet, bekommen die beiden ehemaligen Vorstandskollegen Rudolf Fischer (teilgeständig) und Stefano Colombo ordentlich Fett ab. Beide seien einverstanden gewesen, dass Wanovits den Kurs manipuliere und hätten das „Go“ gegeben. Der Broker, Spitzname „der Weinhändler“, habe zuerst eine aufwandsbezogene Entlohnung verlangt. Was Finanzvorstand Colombo angesichts „nicht abschätzbarer“ Kosten abgelehnt habe. Sodass er mit Wanovits eine erfolgsorientierte Entlohnung vereinbarte, der habe „1,5 bis zwei Millionen Euro verlangt“.

Wenige Tage später forderte Wanovits seine Bezahlung ein. Da bereits die Finanzmarktaufsicht ermittelte, „waren alle hochgradig nervös“ und an ein Gegengeschäft war nicht mehr zu denken. Weshalb Fischer den Ex-Lobbyisten Peter Hochegger, mit dem die Telekom schon länger im Geschäft war, ins Spiel gebracht habe. Wanovits sollte über ein Scheinprojekt – eine Marktstudie über Osteuropa um 1,5 Millionen Euro – entlohnt werden.

Die Skrupellosigkeit, mit der hier agiert wurde, war typisch für die „Firma in der Firma“. Die Studie gab es bereits, verfasst von Telekom-Mitarbeitern. Schieszler und der ehemalige Großkundenchef Josef Trimmel brachten die 380 Seiten dicke Expertise auf einer CD-Rom zu Hochegger. Dort kopierte Schieszler die Studie auf Papier der Hochegger-Zweitfirma Valora. Hochegger überreichte ein Geldsackerl, das die beiden dann in einem Lokal an Wanovits übergaben. Drei Mal wurde der Broker in Cash entlohnt. Die Modalitäten, um Bargeld zu lukrieren, waren immer dieselben. Hochegger zog die Hälfte für die Steuer ab und behielt „zehn oder 20 Prozent“ für seine „Dienstleistung“ ein.

Weil das Wanovits aber noch zu wenig war, wurde der Auftrag „Lobbying Beamtenagentur“, ein „teilreales Projekt“, um 400.000 bis 500.000 Euro erhöht. Weitere Summen habe Colombo, sagt Schieszler, über das Facility Management lockergemacht. Detailliert beschreibt Schieszler auch, wie die Valora erstmals in das SAP-Verrechnungssystem der Telekom geschleust wurde.

Er gibt zu, dass auch andere Scheingeschäfte mit Hochegger liefen, aber diese sind Gegenstand weiterer Anklagen. Trimmel habe als einziger „von Anfang an massive Bedenken gehabt. Er schlug vor, die Sache anzuzeigen“. Antwort Schieszler: „Bist deppert“, Reaktion Wanovits: „Mitgehangen, mitgefangen“. Zwei Mal habe Wanovits ihm und Trimmel für „unsere Mühe“ Geld aus den Sackerln angeboten. Beide Male nahmen sich die zwei Manager 15.000 bis 20.000 Euro.

Vor Richter Michael Tostiuk liegt neben hohen Aktenbergen auch das schwarze Notizbuch des potenziellen Kronzeugen. Unter „Shit list“ hatte Schieszlers damals notiert: „Vorstand treibt Kurs für Stock Options.“ Damit habe er Fischer und Colombo gemeint, sagt er am Montag.

Seltsam allerdings, dass Schieszler beteuert, während seiner Zeit als Assistent des Finanzvorstandes weder den Emissionsprospekt der Telekom noch die Geschäftsberichte 2001 bis 2003 gelesen zu haben. Dort standen nämlich die Details über das Bonusprogramm.

Gespannte Stille herrscht im voll besetzten Verhandlungssaal, als Fischer-Anwalt Otto Dietrich ein Abhörprotokoll vom Februar 2012 aus einem Verfahren gegen den ehemaligen Sprecher der früheren BZÖ-Justizministerin Karin Gastinger zitiert. Darin erklärt dieser Schieszler, nach einem Gespräch mit Strafsektionschef Christian Pilnacek sei klar, dass Schieszler den Kronzeugen-Status erhalten werde – der KURIER berichtete. Pilnacek entscheidet in letzter Instanz über den Kronzeugen-Status. Die Sache klärt sich im Verhandlungssaal nicht auf. Schieszler moniert, dass nach Auffliegen der Kursmanipulation „alle Mails des Vorstands weg waren, nur meine nicht“. Diese wurden in News veröffentlicht.

Gegen Fischer und Hochegger ist übrigens eine weitere Anklage rechtswirksam. Es geht um 960.000 Euro der Telekom für den Wahlkampf 2006 des BZÖ.

Für das Bonusprogramm, das den Telekom-Vorständen und 95 weiteren TA-Managern knapp 8,9 Millionen Euro brachte, musste der Aktienkurs in der letzten Februarwoche 2004 im Durchschnitt auf 11,70 Euro steigen. Da dies zu scheitern drohte, wurde der Broker Johann Wanovits beauftragt, den Kurs in die Höhe zu treiben.

Was mit dem Kauf von 1,2 Millionen Aktien in letzter Minute gelang. Die Vorstände Fischer, Sundt und Colombo kassierten je 392.719 Euro. Wanovits erhielt sein Honorar in bar, das Geld wurde über Scheinprojekte mit dem Lobbyisten Hochegger verrechnet.

Kommentare