Telekom-Affäre: "Wir holen uns das Geld zurück"

Telekom-Affäre: "Wir holen uns das Geld zurück"
Kursmanipulation: Selbst wenn der Kronzeuge straffrei bleibt, geht es um kollektive Haftung in Millionenhöhe.

Auf den ersten Blick hat Gernot Schieszler, 41, eine Schlüsselfigur der Telekom-Börsenaffäre, keine schlechte Ausgangsposition: Sein momentaner Arbeitgeber, die Christof Group, steht "zu einhundert Prozent" hinter seinem Finanzvorstand, wie das Unternehmen am Freitag verlautete; und, wohl aktuell viel wichtiger für den hemdsärmeligen Ex-Manager der Telekom: Die Staatsanwaltschaft stellt Schieszler die Kronzeugenregelung in Aussicht. "Es ist ein Angebot", bestätigte die Sprecherin der Wiener Staatsanwaltschaft dem KURIER.

Die Haftungsfrage

Bei näherer Betrachtung hat Finanzexperte Schieszler ein veritables Problem. Denn: Die Kronzeugenregelung betrifft ausschließlich die strafrechtlichen Komponenten. Sollte die laut Finanzmarktaufsicht "eindeutige Kursmanipulation", die rund 100 Telekom-Führungskräfte im Jahr 2004 in den Genuss der 9,2-Millionen-Euro-Boni kommen ließ, nachgewiesen werden, muss der Schaden zur Gänze wiedergutgemacht werden. Soll heißen: Den mutmaßlichen Manipulatoren - es soll sich um eine Handvoll Entscheidungsträger handeln - droht eine kollektive Haftung über ebendiese 9,2 Millionen.

Wie berichtet, wird gegen einige ehemalige Telekom-Vorstände von der Staatsanwaltschaft ermittelt - es besteht der Untreue-Verdacht. Neben Schieszler hat auch Ex-Festnetzchef Rudolf Fischer gegenüber den Ermittlern bereits Mitwisserschaft eingestanden.

Ex-Generaldirektor Heinz Sundt hingegen bestreitet jegliche Beteiligung an den unlauteren Aktivitäten. Derweilen hat der Aufsichtsrat der Telekom zwei Gutachten in Auftrag gegeben, die sich mit den rechtlichen Fragen der Rückforderung auseinandersetzen. Am Dienstag tritt das Kontrollgremium wieder zusammen. Ein Aufsichtsrat sagt: "Wir werden uns das Geld zurückholen."

Eine wesentliche Rolle wird in jedem Fall Gernot Schieszler spielen. Er könnte in die Justizgeschichte eingehen. Als erster Kronzeuge. Erst seit 1. Jänner 2011 gilt die Regelung, wonach ein geständiger Beteiligter an schweren Delikten strafrechtlich freigehen könnte.
Mit dem Wollen allein ist es allerdings nicht getan, wie Staatsanwältin Michaela Schnell erklärt. "Es hängt von den Aussagen des Betreffenden ab, ob diese Kronzeugenregelung zur Geltung kommen kann." Das heißt: Der Kronzeuge muss sich "aus freien Stücken" offenbaren, eigene Taten vollständig darlegen. Zudem müssen die Aussagen einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung liefern. Nur dann kann Straffreiheit gewährt werden.

Von diesen Aussagen hängt in dieser speziellen Causa auch der weitere Fahrplan der Ermittlungen (Einvernahme weiterer prominenter Ex-Manager) ab. Fest steht jedenfalls die Fahrtrichtung: In Zusammenhang mit der Kursmanipulation geht es um den Verdacht der Untreue. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Die Zukunftsfrage

Gernot Schieszler, der der Justiz bereits ausführlich Bericht erstattet hat, war übrigens schon einmal höchst auffällig vor den Vorhang getreten. Im Jänner 2009 erläuterte er Investoren in holprigem Englisch, wie man Personal abzubauen gedenke. So meinte er etwa: "Sollte es nicht möglich sein, Mitarbeiter umzuschulen oder in ander Bereiche zu verleasen, wird man sie daheim sitzen lassen." Sollten sich Mitarbeiter später krankmelden und sich herausstellen, dass diese gar nicht krank waren, werde man sie klagen. Und einige würden schon Golden Handshakes annehmen. Finanzvorstand Schieszler verabschiedete sich kurz darauf von der Telekom.

Nun hat ihn die Vergangenheit eingeholt. Diesmal wird er seine Aussagen mit etwas mehr Bedacht getätigt haben. Schließlich geht's ja um die eigene Zukunft.

Der Umweg zur Bonuszahlung

Rudolf Streicher, einst SPÖ-Spitzenpolitiker, dann u. a. Chef der Staatsholding ÖIAG (bis Mitte 2001), geriet im Zuge der Telekom-Affäre ebenfalls ins Gerede: Als ehemaliger Aufsichtsratsvizepräsident der Telekom kam er durch den plötzlichen Kurssprung im Jahr 2004 in einen späten Bonus-Genuss - gut 100.000 Euro. Allerdings: Streichers Prämie war Teil seines alten ÖIAG-Vertrages gewesen. Ursprünglich hätte der heute 72-Jährige laut KURIER-Informationen an der Kursentwicklung der ÖIAG-Tochter OMV partizipieren wollen - der ÖIAG-Aufsichtsrat soll ihn jedoch mit dem dezenten Hinweis "Zeigen Sie Flagge!" zur Telekom geleitet haben. Streicher erklärt sich nur zur Affäre im Allgemeinen: "Wenn das stimmt, dann ... ersparen Sie mir lieber jeden Kommentar."

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