SVA-Chef: Selbstständigkeit statt "Zwangsanstellung"

Hat jemand nur einen einzigen Kunden, sei dies noch keine verdeckte Anstellung, meint SVA-Chef Alexander Herzog.
Gewerbliche Sozialversicherung: Obmann Herzog sieht vor allem in der IT-Branche Handlungsbedarf.

390.000 Selbstständige sind bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) krankenversichert. Der geschäftsführende Obmann Alexander Herzog will, dass künftig jeder Versicherte frei wählen kann, ob er angestellt oder selbstständig sein möchte. "Zwangsanstellungen" würden letztlich Arbeitsplätze vernichten.

KURIER: Die Arbeitslosigkeit steigt, zugleich stöhnen viele Unternehmen über schlechter werdende Rahmenbedingungen. Was läuft falsch?

Alexander Herzog: Wir kümmern uns zu wenig ums Unternehmertum. Faktum ist, dass nur Unternehmen Arbeitsplätze schaffen, daher machen wir uns Gedanken, wie wir bessere Rahmenbedingungen für Selbstständige schaffen können.

Die da wären?

Ich fordere ein Recht auf Selbstständigkeit. Ich möchte, dass jeder in dieser Republik selbstständig sein darf, wenn er es möchte, um etwa sein eigener Chef zu sein. Wir sind aber immer öfter damit konfrontiert, dass unsere Versicherten zwangsweise angestellt werden. Ich stelle dieses System infrage. Es darf nicht sein, dass gleich eine versteckte Anstellung vermutet wird, wenn sich jemand selbstständig macht.

Wo wollen Sie hier konkret ansetzen?

Mir geht es um die freie Wahl des Beschäftigungsverhältnisses. Zum Beispiel im IT-Bereich. Hier gibt es eine Tendenz zu sagen, wenn jemand bei einem Kunden arbeitet und dessen Infrastruktur nutzt, ist er automatisch ein Angestellter. Ich halte diesen Zugang für grundlegend falsch. Ich kenne zahlreiche IT-Dienstleister oder -Techniker, die mir sagen, sie können nur beim Kunden Vorort mit dessen Geräten arbeiten, aber sie wollen partout nicht dort angestellt werden. Trotzdem drohen ihnen bei Kontrollen Zwangsanstellungen.

Was, wenn jemand ständig nur einen einzigen Kunden hat?

Damit sind sie noch keine verdeckten Angestellten, sondern finden vielleicht keinen zweiten Kunden. Deshalb wollen viele noch lange nicht angestellt werden.

Die Gebietskrankenkassen sprechen lieber von Scheinselbstständigkeit und stellen hohe Nachforderungen ...

Zwangsanstellungen sind für die betroffenen Firmen oft existenzbedrohend. Es kann doch nicht im Interesse des Staates sein, dass Firmen pleitegehen, nur weil sie Menschen so beschäftigen, wie diese das wollen. Jede Woche landet ein solcher Fall bei mir auf dem Schreibtisch. Das ist eine Lose-Lose-Situation: Die Krankenversicherung erhält ihr Geld von der insolventen Firma erst recht nicht und die Arbeitsplätze sind auch verloren.

Wer soll entscheiden, wann jemand angestellt werden muss?

Derzeit sind es vor allem die Gebietskrankenkassen, die aber auch nur Gesetze vollziehen. Es soll jeder einzelne für sich selbst entscheiden können. Das Recht soll der Staat nicht verwehren können, da wird es eine gesetzliche Regelung brauchen. Dabei müssen natürlich auch Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt werden. Wir brauchen in Österreich mehr und nicht weniger freies Unternehmertum. Dann wären wir auch wieder wettbewerbsfähiger.

In welchen Branchen sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

In der IT-Branche, beim Gesundheitspersonal, aber auch bei Handelsvertretern.

Unternehmen könnten die freie Wahl rasch ausnützen und Angestellte in die Selbstständigkeit zwingen, um sich Personalkosten zu sparen.

Ich kenne die Vorbehalte, kann sie aber nicht ganz nachvollziehen. Ich habe als Unternehmer immer darauf geachtet, das Know-how im Betrieb zu halten und die Mitarbeiter anzustellen. Ausgelagerte Arbeiten werden nicht ständig erledigt, sondern nur fallweise. Die Lohnnebenkosten halte ich grundsätzlich für zu hoch.

Will die SVA nicht einfach nur noch mehr Beitragszahler?

Nein, wir wachsen ohnehin schnell, weil es einen Trend zur Selbstständigkeit gibt.

Ab Jänner senkt die SVA die Mindestbeitragsgrundlage zur Krankenversicherung. Wie viel ersparen sich Versicherte?

Hier wurde eine Ungerechtigkeit zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen beseitigt. Geringverdienende Selbstständige müssen statt wie bisher 55,39 Euro nur noch 31,80 Euro monatlich an Krankenversicherungsbeiträgen zahlen. Das ist eine jährlichen Ersparnis von 283 Euro. Ab einem einzigen Euro pro Tag erhalten Selbstständige Zutritt zu einem der besten Gesundheitssysteme der Welt.

Was kostet diese Angleichung der SVA?

Uns kostet das 40 Millionen Euro. Aber das können wir verkraften.

SVA
Die SVA ist der Sozialversicherungsträger für Österreichs Selbstständige und betreut als Krankenversicherung 755.00 Kunden, davon 390.000 aktiv Erwerbstätige, 146.000 Pensionisten und 239.000 Angehörige. Als Pensionsversicherung ist sie für 416.000 Versicherte zuständig.

Alexander Herzog
Der gebürtige Grazer Alexander Herzog (51), studierter Betriebswirt, ist seit einem Jahr geschäftsführender Obmann der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA). Der Wirtschaftsbündler ist selbst Unternehmer.

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