"Strommarkt im Förder-Wahnsinn"

Nicht wirklich grün waren sich im KURIER-Streitgespräch Windkraft-Vertreter Stefan Moidl (li.) und Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber über die österreichische und die europäische Energiepolitik
Wer ist schuld? Die klassischen Energieversorger oder die "Alternativen"? Streitgespräch zwischen Verbund-Chef Anzengruber und IG-Windenergie-Geschäftsführer Moidl.

Führt die Energiewende direkt in eine Planwirtschaft, die alles fördert und regelt? Oder sind die hohen Förderungen für erneuerbare Energie notwendig, damit Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse eine Chance gegen die hoch subventionierte Atomkraft und teilweise staatlich gestützte Kohle hat? Ein Streitgespräch zwischen Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber und Stefan Moidl, Geschäftsführer der Interessensgemeinschaft Windenergie.

Die Ökostromförderung ist in Diskussion geraten. Wir stecken viel Geld in den Ausbau der Erneuerbaren, der CO2-Ausstoß steigt trotzdem ...

"Strommarkt im Förder-Wahnsinn"
Stefan Moidl, IG Windkraft, und Wolfgang Anzengruber Verbund, Strom, Energie, Wasserkraft, Windkraft, Windenergie, Stromerzeuger
Moidl:Es ist nicht der Ausbau der Erneuerbaren an dieser Situation schuld. Es fallen derzeit mehrere Dinge zusammen: der Handel funktioniert nicht und die Kohlekraftwerke laufen auf Teufel komm raus. Der Verbund ist das beste Beispiel dafür: Das alte Kohlekraftwerk Mellach 1 fährt, das moderne Gaskraftwerk steht.

Anzengruber: Wir müssen uns doch zunächst fragen: Was wollen wir mit der Energiewende erreichen? Wir haben doch das Ziel, die Emission von zu reduzieren, weil der Klimawandel als eine der größten Bedrohungen angesehen wird. In Deutschland hat man enorme Förderungen gegeben. Wir reden heute von 22 Milliarden Euro. Das Ergebnis ist, dass die CO2-Emission aus dem Stromsektor gestiegen ist. Das war wohl nicht der Sinn und Zweck. Deshalb muss das System geändert werden.

Ja, aber wie?

Anzengruber: Wenn man eine marktwirtschaftliche Orientierung will, müssen wir den Wettbewerbsmarkt im erneuerbaren Bereich vollständig machen und wir müssen dem einen Preis geben, der es interessant macht, in Vermeidung der Emission zu investieren. Wir müssen die skurrilen Effekte wegbringen, dass Braunkohle die wirtschaftlichste Quelle ist.

Moidl: Da gebe ich ihnen ja recht. Aber es ist wirklich falsch, dem Ausbau der Erneuerbaren den Mühlstein des Politikversagens auf europäischer Ebene umzuhängen. Nur weil der Emissionshandel nicht funktioniert und dadurch Kohle billiger ist als Gas, das ändere ich durch einen Stopp des Fördersystems überhaupt nicht.

Es geht ja nicht um Stopp, sondern um weniger Förderung...

Moidl: Förderungen wird es in einem europäischen Strommarkt, in dem die Energiequellen nicht gleichberechtigt sind, noch lange geben müssen. Wenn 26 Milliarden Euro für fossile Energie und mehr als 34 Milliarden für Atomkraft als Subvention gegeben werden und 30 Milliarden für Erneuerbare, habe ich den Großteil der Förderungen in einem Sektor, den wir eigentlich nicht mehr wollen. Diese Marktverzerrung besteht.

Anzengruber: Das Hauptziel ist aber nicht, den Anteil der Erneuerbaren zu erhöhen. Das Hauptziel ist, zu reduzieren. Das Emissionshandelssystem an sich ist ja auch nicht schlecht. Nur: Es wird falsch angewandt. Das ist so wie wenn sie ein Fahrrad haben, auf dem sie verkehrt sitzen, da kommen sie auch nicht weiter.

Würde der Ökostrom-Ausbau enden, wenn die Förderung sinkt?

Moidl: Wenn wir alle Förderungen für Atom und Kohle abschaffen, hätte ich überhaupt kein Problem damit. Da würden die Erneuerbaren heute konkurrenzfähig sein. In Österreich haben wir jetzt schon zehn Prozent der Windenergie am freien Markt, weil die Förderzeit abgelaufen ist.

Null Förderung. Ist das realistisch?

Anzengruber: Die Politik muss eine Entscheidung treffen. Wir können ja sagen: keine Förderungen mehr. Aber nicht per Dekret von heute auf morgen. Frankreich z. B, mit 70 Prozent Atomstrom wäre dann plötzlich finster. Es muss also einen Ausstiegsweg geben. Wenn das so weitergeht wir jetzt, laufen wir in einen Förder-Wahnsinn. Jeder, der nicht kostendeckend produzieren kann, will Subventionen.

Moidl: Ja. Aber warum diskutieren sie dann immer nur übers Ökostromgesetz und fordern statt dessen Quoten für Erneuerbare. Da muss ich Ihnen etwas unterstellen. Die großen Versorger wie der Verbund werden nämlich bei Quoten eindeutig bevorzugt.

Anzengruber: Das jetzige Ökostrom-Fördermodell ist eine Output-Förderung. Das hat nichts mit Markt zu tun. Denken sie nur: wir machen hier das gleiche, wie in der Landwirtschaft. Wir haben Butter und Milch gefördert, unabhängig, davon, ob wir sie gebraucht haben. Wir sind von einem Butterberg und Milchsee in den anderen gefallen.

Moidl: Nein. Das ist ein nicht zulässiger Vergleich. Die Ökostromförderung ist keine Ewig-Förderung, sondern auf 13 Jahre beschränkt.

Wenn wir mehr Marktwirtschaft für Ökostrom wollen, muss die Förderung über fixe Einspeisetarife wohl fallen ...

Moidl: Nein, das ist mehr Markt als eine Förderung für Anlagenerrichtung. Ich fördere nämlich die Stromproduktion und nicht den Bau von Anlagen. Genau das ist ja der Grund, warum sich fixe Ökostrom-Einspeisetarife wie in Österreich weltweit durchgesetzt haben.

Anzengruber: Nicht bös sein. Es wird ja keiner eine Anlage bauen, nur damit sie da steht.

Moidl: Genau das ist aber schon passiert in Deutschland. Aber mischen wir jetzt nicht alle Dinge. Ich bin nicht für Offshore-Windanlagen, die eine Vergütung erhalten, obwohl sie nicht laufen.

Anzengruber: Aber sie produzieren Strom, ob wir ihn brauchen oder nicht.

Könnte man nicht auch sagen, es ist zu viel Atom- oder fossiler Strom am Markt?

Moidl: Sicher. Die Frage ist, ob ich ein fossiles Kraftwerk abstelle oder nicht. Die großen Energiekonzerne hätten wohl gern, die fossile und atomare Erzeugung immer am Netz und die Erneuerbaren nur als zusätzliche Energie, wenn ich sie gerade brauche. Aber es soll umgekehrt sein.

Anzengruber: Wir müssen auch den Einspeisevorrang für Wind uns Sonne beenden.

Moidl: Nein, das glaube ich nicht. Den Vorrang habe ich nur 13 Jahre. Würde ich das System mit Investitionsförderung machen, würde das am Beginn der Investition sofort als Fördergeber zahlen müssen. Da bräuchte ich für den Ausbau auf einmal viel mehr Geld. Bei der Tarifförderung verteilt sich das auf 13 Jahre.

Müssen für den vielen Ökostrom die Leitungen ausgebaut werden?

Anzengruber: Die Kapazitäten in den Stromleitungen sind einfach nicht da. Die Windparks bei uns aber liefern, unabhängig davon, ob den Strom wer braucht oder nicht und bekommen bezahlt. Wir haben die Synchronisation zwischen Netz und Kraftwerk verloren. Das gab es vorher nicht. Es wurde nie ein Kraftwerk gebaut, ohne dass es dafür eine Leitung gab.

Moidl: Gut, wir können gerne über die Liberalisierung des Strommarkts diskutieren..

Anzengruber: Das brauchen wir gar nicht mehr. Wir sind schon zur Hälfte in der Planwirtschaft.

Sehen Sie einen Ausweg aus dem Dilemma der Energiewende?

Anzengruber: Die Lösung ist: Kostenwahrheit. Alle nehmen am Markt teil und sind im Wettbewerb.

Moidl: Also: Förderungen runter – aber für alle. Und gleiche Marktbedingungen für Erneuerbare in ganz Europa.

Und warum beginnt keiner mit diesem Prozess?

Anzengruber: Ich bin oft in Brüssel und die Beamten dort sagen mir: Der Hauptlobbyist gegen eine Änderung des Fördersystems in Deutschland ist die Finanzwirtschaft. Die haben ein konkurrenzloses Anlagemodell. Eine Rendite des eingesetzten Kapitals von sieben bis acht Prozent, garantiert vom Staat in Deutschland.

Die Stromkunden zahlen das...

Anzengruber: Natürlich. Ein deutscher Haushalt zahlt bald 240 Euro im Jahr an Ökostromförderung. Wie kommt der Mieter in einem Wohnblock dazu, das zu zahlen. Der hat im Gegenzug gar keine Chance eine Solaranlage aufs Dach zu stellen und vom Ökostromsystem zu profitieren. Es findet eine Lastenverteilung von oben nach unten statt.

Moidl: Die Erneuerbaren senken aber den Großhandels--Strompreis. Warum kommt das bei den Endkunden nicht an? Das liegt an den Versorgern, die an Endkunden verkaufen.

Anzengruber: Unsere großen Wasserkraftwerke jedenfalls sind bald die einzigen Kraftwerke, die ohne Förderung arbeiten. Und bei unseren anderen Kraftwerken geht es nur darum, mit welchen verliere ich weniger. Die Ökostromförderung verteuert den Strompreis für die Endkunden. Der wird irgendwann sagen: Das zahl ich nicht mehr.

Moidl: Hoffentlich sagt er aber auch, ich zahl nicht mehr die Förderung für fossilen und atomaren Strom. Aber es hat System, dass diese Förderungen nicht öffentlich sichtbar sind, die Ökostromförderung aber sehr wohl. Ich wünsche, dass die AKW und fossilen Kraftwerke gezwungen werden, ihre Förderungen auszuweisen.

Anzengruber: Da bin ich dabei. Kostenwahrheit ist, was wir wollen.

Stefan Moidl

Der promovierte Biologe ist seit vielen Jahren für Umweltorganisationen tätig. Unter anderem für den WWF und für Fair Trade. Seit 2005 war Moidl bereits für die Öffentlichkeitsarbeit der IG Windkraft zuständig. In dieser Zeit war er auch Inhaber eines Technischen Büros für Biologie und Umweltberatung, das sich vor allem mit energiewirtschaftlichen Fragen befasst. Seit Mai 2010 ist Moidl Geschäftsführer der IG Windkraft. Sein Einsatz für die Windenergie trug ihm nach dem Abgang vom WWF – der gegen Windräder im Wienerwald eintritt – Kritik der früheren Mitstreiter ein.

Wolfgang Anzengruber

Der Absolvent der TU Wien (Maschinenbau, Betriebswissenschaften) startete seine berufliche Karriere als Projektmanager bei Simmering Graz Pauker, die SGP baute damals noch Kraftwerke. Danach wechselte er zu ABB, im Herbst 1999 zog er in den Vorstand der Salzburger Stadtwerke ein. Von 2000 bis 2003 war der verheiratete dreifache Vater Vorstand der Salzburg AG.

Im Herbst 2003 wechselte Anzengruber die Branche: Er wurde Chef des börsenotierten Salzburger Kranherstellers Palfinger. Seit Beginn 2009 ist er Vorstandschef der Verbundgesellschaft.

Verschiedene Energieträger und die Auswirkungen auf den Klimawandel beschäftigen nicht nur Verbraucher und Politik. Der Themenkomplex ist auch ins Visier von Geheimdiensten gerückt. Der Deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) stellt in einer Analyse fest: Die ausgewiesenen und anerkannten weltweiten Reserven an Öl und Gas steigen durch neue Fördertechnologien immer weiter. Der BDN schließt daraus: „Künftig haben wir kein Problem knapper Reserven mehr.“ Im Verteilungskampf der Zukunft werde es vielmehr darum gehen, wer wie viel CO2 emittieren darf. Schon bei der Verbrennung der heute nachgewiesenen Reserven an Kohle, Öl und Gas würde es in den kommenden Jahrzehnten zu einem starken Temperaturanstieg kommen. Der Preisverfall fossiler Brennstoffe gefährde aber die weltweite Energiewende.

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