Strom wird billiger

APA2058476 - 18032010 - WIEN - ÖSTERREICH: Ein Stecker an einer Steckdosenleiste. Illustration zur geplanten CO2-Steuer auf fossile Energieträger, die auch den Strompreis betreffen würde. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Die Industrie profitiert vom Energie-Preisverfall. Den werden auch Konsumenten bald spüren.

Deutsche Stromkonzerne schließen Wärmekraftwerke, weil der Großhandelspreis für elektrische Energie so tief ist, dass sie mit dem Kraftwerksbetrieb nichts mehr verdienen. Warum die Konsumenten von den niedrigen Strom-Großhandelspreisen heute noch nichts merken, aber in den nächsten Jahren mit deutlichen Preisreduktionen rechnen können, erklärt Walter Boltz, Chef der Energiemarktaufsicht E-Control, im KURIER-Gespräch.

KURIER: Deutsche Energieversorger haben angekündigt, 30 Kraftwerke zusperren zu wollen. Gefährdet das die Versorgungssicherheit?

Walter Boltz: In Süddeutschland kann es tatsächlich zu Versorgungproblemen kommen. Daher hat die deutsche Netzagentur eine Art Notgesetz erlassen: Sie kann den Versorgern gewisse Kraftwerksschließungen verbieten. Bezahlen müssen dafür aber die Stromverbraucher.

Können die Engpässe in Deutschland Blackouts in Österreich auslösen?

Österreich hat viel Reservekapazität im Kraftwerkspark. Wir brauchen zu Spitzenzeiten 10.000 Megawatt an Kraftwerksleistung, wir verfügen aber über 22.000 Megawatt Kapazität.

Das könnte sich bald ändern: Der Verbund überlegt, sein Gaskraftwerk zu schließen, die Energie AG auch ...

Es war in Österreich auch ohne das Gaskraftwerk Mellach vom Verbund nicht finster. Zudem sinkt der Stromverbrauch. Wir haben eine sehr komfortable Kraftwerksreserve und daher kein Problem mit der Versorgungssicherheit.

Die Kraftwerksbetreiber klagen über den tiefen Strom-Großhandelspreis. Warum merken die Konsumenten nichts davon?

Die wirtschaftliche Situation ist für die großen Stromversorger schwierig. Sie kaufen Strom langfristig ein. Das heißt: Den Strom, den sie jetzt an die Verbraucher liefern, haben sie sich vor einem Jahr zu den damaligen Preisen vertraglich gesichert. Wir gehen aber davon aus, dass Strom im Großhandel in den nächsten Jahren die Hälfte der Zeit nichts kostet. Strom wird für die Endkunden daher viel billiger werden.

Warum ist der Strom-Großhandelspreis derart niedrig?

Strom wird billiger
Deutschland produziert enorm viel Ökostrom, der nicht immer gebraucht wird. Am 3.Oktober zum Beispiel, dem Tag der Deutschen Einheit, war so viel Überschussstrom am Markt, dass der Großhandelspreis fast auf null gefallen ist. Es gibt an sonnen- und windreichen Wochenenden auch immer wieder Stunden, in denen Stromproduzenten zahlen müssen, dass sie die Energie los werden.

Und wer kommt in den Genuss dieses billigen Stroms?

Die Großindustrie, die Energie über die Börse zukaufen kann – vor allem auch in Österreich. Wir profitieren, und die deutschen Konsumenten zahlen die Zeche.

In welcher Form?

Die deutschen Stromverbraucher zahlen für die Förderung des Ökostroms rund 20 Milliarden Euro im Jahr. Österreicher bekommen den billigen Strom im Großhandel, müssen diese Förderung aber nicht zahlen.

Wir haben aber doch auch eine Ökostromförderung?

Ja, aber die ist mit 350 Millionen Euro vergleichsweise gering. Zudem glaube ich, dass Fotovoltaik bald nicht mehr gefördert werden soll. Die Leute installieren Sonnenenergie-Anlagen am Dach, auch wenn sie nicht gefördert werden.

Deutschland hat mit dem Gesetz zur unbegrenzten Förderung der Stromerzeugung aus Wind, Sonne oder Biomasse einen enormen Boom an Ökoenergie ausgelöst. Gleichzeitig sind die Kosten dafür, die vor allem die privaten Stromverbraucher zahlen, explodiert. Christof Bauer, Energiemanager beim Chemiekonzern Evonik, hat bei einem Vortrag in Wien die größten Irrtümer der deutschen Energiewende aufgezählt:

Blumentopf-Prinzip: Ökostrom wird über 20 Jahre mit einem fixen Tarif gefördert, egal, ob er gebraucht wird oder nicht. „Das ist genauso, als würde ein Betrieb simple Blumentöpfe erzeugen, die ein Großhändler zu einem garantierten Preis über 20 Jahre abnimmt, unabhängig davon, ob Gärtner diese Töpfe benötigen“, sagt Bauer.

Strom wird billiger
Keine Leitungen: Windparks wurden gebaut und gefördert, auch wenn sie mangels Stromleitungen keine Energie zu den Konsumenten bringen können.

Zielvorgaben: Anstatt ein klares Ziel für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu definieren, wurde in Deutschland das Ziel immer wieder nach oben geschraubt, weil eben der Ausbau der Ökoenergie rascher vorankam als gedacht.

Ersatzkraftwerke: Am meisten Strom wird in Deutschland im Winter zwischen 18 und 18:15 Uhr verbraucht. Zu dieser Zeit gibt es meist weder Wind- noch Sonnenstrom. Die als Ersatz angedachten Gaskraftwerke aber sind derzeit unrentabel.

EU-Kommissar Günther Oettinger hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Zahlen zur europaweiten Förderung von Atom- und Kohleenergie aus einem Subventionsbericht zur Energiepolitik streichen lassen.

Ein früherer Entwurf der EU-Kommission bezifferte die Förderung von erneuerbare Energien in den Mitgliedsstaaten im Jahr 2011 mit 30 Milliarden Euro. Atomkraft wurde im selben Jahr ohne Einbeziehung von Haftungen mit 35 Milliarden Euro subventioniert, fossile Kraftwerke direkt mit 26 Milliarden Euro. Indirekt sei die Energieerzeugung aus Kohle und Gas mit weiteren 40 Milliarden Euro gefördert worden. Aus einer Fußnote des Entwurfs gehe hervor, dass mit dieser Summe soziale und gesundheitliche Folgen abgedeckt würden. Insgesamt werde die Energiebranche mit mehr als 130 Milliarden Euro im Jahr bezuschusst, die Haftpflichtversicherungen für Atommeiler seien dabei noch nicht eingerechnet, heißt es in dem Bericht.

Strom wird billiger
Ein Hinweisschild steht am Freitag (22.06.2012) vor den Kühltürmen des Atomkraftwerkes Temelin in Tschechien. Gegner und Befürworter der Atomkraft in Tschechien haben sich einen Schlagabtausch über den Ausbau des südböhmischen Akw Temelin geliefert. In Budweis begann am Freitag unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen die einzige Anhörung zu dem Projekt. Temelin ist weniger als 60 Kilometer von der Grenze zu Bayern entfernt. Bis 2025 soll es um zwei Druckwasser-Reaktoren erweitert werden. Foto: Armin Weigel dpa/lby +++(c) dpa - Bildfunk+++
Oettinger halte diese Zahlen über die Milliardensubventionen für herkömmliche Energien offenbar für zu brisant. Denn in einem der Zeitung ebenfalls vorliegenden geänderten Entwurf des Subventionsberichts, über den jetzt in der Kommission abgestimmt werden solle, seien die Zahlen ersatzlos gestrichen. Darüber hinaus soll der Kommissar in der neuen Version des Subventionsberichts das Ziel einfügen haben lassen, eine übermäßige Förderung von Erneuerbaren zu verhindern. Oettingers Sprecherin erklärte auf Anfrage derSZ“, es habe „nie gesicherte Zahlen“ gegeben.

Grüne: Öttinger rücktrittsreif

„Es besteht der dringende Verdacht, dass Oettinger auf direkten Zuruf der Atom- und Kohlelobby handelt, wenn er die Kosten dieser Energiequellen unter den Teppich kehrt und gleichzeitig die Förderung von Erneuerbaren in Frage stellt“, hieß es seitens von Greenpeace. Erst am vergangenen Freitag haben sich die zehn mächtigsten Vertreter der Energiewirtschaft in der so genannten 'Magritte Gruppe', der unter anderem Vattenfall, E.ON und Enel angehören, dafür ausgesprochen, die Förderung von Erneuerbaren zu beenden, da diese zu einem „Überangebot“ führten und so die Energiepreise zu stark senkten.

„EU-Energiekommissar Öttinger hat jahrelang gegen erneuerbare Energien gewettert, vor allem mit dem Argument zu hoher Kosten. Jetzt fällt sein Kreuzzug gegen saubere Ökoenergie wie ein Kartenhaus zusammen, weil seine eigenen Beamten ihm vorrechnen, dass die Subventionen für Atomkraft und fossile Energie deutlich höher ausfallen als jene für erneuerbare Energien. Nach diesem Skandal der Sonderklasse ist der EU-Energiekommissar endgültig rücktrittsreif“, halten die Grünen fest.

Oettinger wies die Vorwürfe zurück und versicherte "volle Transparenz". "Wir werden für jeden Energiebereich alles an Subventionszahlen vorlegen, was gesichert, nachvollziehbar und vergleichbar ist", sagte er. Bis jetzt gebe es aber nur Entwürfe, keinen endgültigen Text.

Ursprünglicher Entwurf der EU-Kommission
Neuer Entwurf der EU-Kommission

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