Stresstest: Fitness-Check sorgt für Herzklopfen

Die Banken selbst erfahren am Donnerstag, wie sie abgeschnitten haben. Bis Samstag können sie mit der EZB noch Ungereimtheiten klären.
Dauerpatienten sollen identifiziert werden – und müssen binnen neun Monaten fit werden.

Ob der 26. Oktober ein nationaler Feiertag für die Banken sein wird, wissen wir am Sonntag um 12 Uhr: Dann wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Ergebnisse des Bilanzchecks und des Stresstests veröffentlichen.

Was ist ein Stresstest? Wofür ist er gut?

Die EZB will sicher sein, dass sie keine Problembanken mit Altlasten übernimmt – schließlich ist sie ab 4. November für die Aufsicht über die 120 größten Institute der Eurozone zuständig. Deshalb hat sie deren Bücher durchleuchtet und prüft, ob die Finanzpolster eine weitere Rezession und Finanzkrise bis 2016 überstehen könnten. Parallel dazu stresst die Europäische Banken-Aufsicht (EBA) in London die Großbanken aus Nicht-Euroländern. Das Ausforschen von Wackelkandidaten soll Vertrauen schaffen: Momentan steht Europas Finanzsektor bei globalen Investoren unter Generalverdacht.

Wann gilt eine Bank als durchgefallen?

Die Aufseher vermeiden es, von Bestehen oder Durchfallen zu sprechen. Allerdings müssen Banken im "Normalszenario" bis 2016 eine Mindestkapitalquote (hartes Kernkapital/CET1) von 8 Prozent und im Stress-Szenario von 5,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva erfüllen.

Die Tests 2010 und 2011 haben wenig gebracht. Was soll 2014 besser laufen?

Damals war die Aufsicht auf Daten angewiesen, die ihr die Banken geliefert haben. Dieses Mal haben 6000 Kontrollore rund 160.000 Kreditakten direkt durchgecheckt (Asset Quality Review/AQR). Gut möglich also, dass etliche Bilanzen korrigiert werden müssen. Dass die Bewertung erstmals nach einheitlichen Regeln erfolgt, gilt als große Errungenschaft. Zudem ist das Stress-Szenario umfassender als bei früheren Tests.

Wer nimmt teil?

Insgesamt sind es 130 Geldhäuser – aus Österreich Erste Group, Raiffeisen Zentralbank (samt RBI), die Raiffeisenlandesbanken Niederösterreich-Wien sowie Oberösterreich, Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) und Bawag PSK. Die Bank Austria ist durch ihre italienische Mutter UniCredit vertreten.

Wie werden Österreichs Banken abschneiden?

Der Stress, der Österreichs Banken in Osteuropa auferlegt wurde, "hat sich gewaschen", hieß es vorab in Aufsichtskreisen. Dass die ÖVAG den Test nicht bestanden hätte, gilt als offenes Geheimnis. Deshalb wurde vorgesorgt: Das Spitzeninstitut des Volksbankensektors wird aufgespalten und abgewickelt. Sollte bei einer der anderen heimischen Banken eine große Kapitallücke auftauchen, wäre das eine Überraschung. Interessant wird sein, ob nach der Prüfung Bilanzkorrekturen nötig sind.

Was geschieht, wenn eine Bank durchfällt?

Sollte eine Kapitallücke auftauchen, muss die Bank binnen zwei Wochen bekannt geben, wie sie diese schließen will. Dafür sind dann sechs bis neun Monate Zeit. In dieser Zeit muss die Bank frisches Kapital aufstellen, die Boni der Manager kassieren oder sich von Geschäftsfeldern trennen: Griechische Banken etwa sollen bereits Listen mit Töchterinstituten und mit Immobilien vorbereitet haben, die sie notfalls verkaufen könnten.

Was ist, wenn eine systemrelevante Bank das Kapitalloch dann immer noch nicht stopfen kann?

Dann müsste die Bank geordnet abgewickelt werden – durch Verkauf, Abspaltung toxischer Wertanlagen oder mittels Überbrückungsbank. Dabei sollen nach den neuen EU-Regeln zuerst Aktionäre und Anleihengläubiger zum Handkuss kommen ("Bail-in"), bevor der Steuerzahler die Rechnung bezahlt. Das könnte allerdings durch die Hintertür der Fall sein, warnt die NGO-Finance-Watch. Es gibt nämlich Ausnahmen, wo immer noch der Staat einspringt – etwa wenn der Finanzsektor insgesamt in Gefahr wäre oder ein Ansturm auf die Banken drohte.

Warum gelten Banken-Stresstests als heikel?

Der Schuss kann nach hinten losgehen. So ist die Einteilung von Banken in gut und schlecht mithilfe eines einzelnen Stress-Szenarios problematisch. Zyperns Banken etwa hatten den Test 2011 bestanden und sind wenige Monate später kollabiert: Die Krise hatte sich nicht an das Drehbuch gehalten, das für Griechenland-Anleihen keine Abschläge vorsah. Aufseher betonen gerne, der aktuelle Test sei schon jetzt ein Erfolg: Seit 2013 hätten die Banken ihr Kapital vorsorglich um 200 Milliarden Euro aufgestockt.

Den rund 77.000 Beschäftigten in der heimischen Bankenbranche stehen düstere Zeiten bevor. Die unter massiven Kostendruck stehenden Institute werden in den nächsten Jahren vor allem beim Personal sparen, fürchtet die Gewerkschaft und schlägt Alarm: Laut Bankenverband dürften in den nächsten fünf bis zehn Jahren 30 bis 50 Prozent aller Bankfilialen zusperren. Vom Kahlschlag sind Tausende Stellen betroffen. Schon im Vorjahr ging die Zahl der Beschäftigten um 1500 zurück.

Zu den Filialschließungen kommen permanente Prozessoptimierungen sowie Auslagerungen ganzer Tätigkeitsbereiche an verbundene Konzern-Töchter oder externe Dienstleister. So arbeiten etwa bei der Bank Austria nach Betriebsratsangaben schon ein Drittel der Mitarbeiter nicht mehr in der Bank selbst. In der Bawag ist es jeder fünfte. "Das Outsourcing vernichtet die Jobs schleichend", sagt Wolfgang Pischinger, oberster Bankengewerkschafter in der GPA-djp. In zwei Drittel aller Fälle gebe es ferner die Absicht, auf einen billigeren Kollektivvertrag (KV) zu wechseln. Die Arbeiterkammer Wien nahm 25 Outsourcing-Projekte heimischer Großbanken unter die Lupe und stellte fest, dass rund 800 der ausgelagerten 2600 Arbeitsplätze für immer verloren gehen dürften – die Hälfte davon ins Ausland.

"Die Verlagerungen betreffen immer mehr das Kerngeschäft von Banken", analysiert AK-Betriebswirt Heinz Leitsmüller. "Früher waren es die Kantine oder der Fuhrpark, jetzt ist es die Kreditabwicklung oder das Risikomanagement." Wenn aber Kundendaten im Ausland landen, werfe dies vermehrt datenschutzrechtliche Fragen auf.

Branchenstiftung

Um den erwartbaren Stellenabbau abzufedern, fordert die Gewerkschaft arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie die Einrichtung einer Branchenstiftung. Dort könnten arbeitslose Bankmitarbeiter für andere Berufe umgeschult werden. Um eine weitere KV-Flucht zu verhindern, sollte der Banken-KV auf banknahe Dienstleistungen ausgeweitet werden.

Auch Deutschlands Banken stehen vor radikalen Personalkürzungen, prophezeit eine Studie von Bain & Company. Die Managementberatung hält auf Zehn-Jahres-Sicht die Schließung von weiteren 11.000 Filialen und den Abbau von einem Fünftel der 630.000 Arbeitsplätze in der Branche für nötig. Viele Banken hätten ein überholtes Geschäftsmodell und seien zudem renditenschwach. Nach Einschätzung der Experten dürften sich langfristig im Bankwesen nur drei Geschäftsmodelle durchsetzen: Global Player wie die Deutschen Bank, stark regionalisierten Institute wie die Sparkassen sowie spezialisierte Häuser wie reine Vermögensverwaltungen.

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