Streit um Negativzinsen bei Krediten - Banken: Könnten pleitegehen

Um rund 360.000 Euro hat ein Wiener ein Ehepaar betrogen
Beklagte Bank legte in Verfahren bemerkenswertes Gutachten vor.

"Negativzinsen" bei Krediten, die die Banken nicht an ihre Kunden weitergeben wollen, beschäftigen die Justiz. Das Wiener Handelsgericht (HG) hat schon zweimal eine Bank zur Zahlung von Negativzinsen an Kreditnehmer verpflichtet, nun ist der OGH am Zug. In einem anderen Verfahren in Oberösterreich legte eine Bank jetzt ein bemerkenswertes Gutachten vor, in dem vor einer Bankenpleite gewarnt wird.

In dem konkreten Fall hat ein Pensionistenehepaar die Allgemeine Sparkasse Oberösterreich geklagt. Bei ihrem Kredit ist der Zinssatz an den Euribor - der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen - gekoppelt. Der Kreditzinssatz wurde mit einem Aufschlag von 1,375 Prozent auf den Euribor festgelegt.

Der Dreimonats-Euribor liegt zurzeit bei -0,313 Prozent. Die Zinsen des Ehepaars betrügen rein rechnerisch nur mehr etwas über 1 Prozent, argumentiert der Anwalt der Kläger, Michael Poduschka. "Wir vertreten die Ansicht: 'Pacta sunt servanda' - Verträge sind einzuhalten. Es wird so gerechnet wie vereinbart. Wenn der Euribor auf -0,3 Prozent ist, errechnen sich Zinsen von 1,075 Prozent, wenn der Euribor auf -2 Prozent wäre, erhielte der Kreditnehmer 0,65 Prozent Zinsen."

Kreditnehmern Zinsen zu bezahlen - das kommt für Banken nicht infrage. So argumentierte auch die Sparkasse in dem Verfahren am Linzer Bezirksgericht: der Indikator könne nie unter Null fallen, die minimalen Zinsen, die die Kreditnehmer zu entrichten haben, betrügen daher mindestens 1,375 Prozent.

Dabei legte das beklagte Geldhaus ein Gutachten der Bankenexperten Stefan Pichler und Rainer Jankowitsch vor, die auf die drastischen Folgen von Negativzinsen für Banken eingehen: "Wenn eine Zinsuntergrenze von 0 Prozent bei Einlagen zur Anwendung kommt und gleichzeitig bei Krediten negative Referenzzinssätze vollständig an Kreditnehmer weitergegeben werden müssen, ergibt sich daraus eine starke Asymmetrie zu Lasten der Banken. Bei einem Referenzzinssatz von -1 Prozent weist eine typisch österreichische Bank nachhaltige Verluste auf. Bei noch negativeren Zinssätzen besteht die Gefahr, dass die Bank bereits in sehr kurzer Zeit ein Abwicklungsfall ist."

Anwalt Poduschka ist "überrascht, dass die Gefahr besteht, dass die typische österreichische Bank ein Abwicklungsfall wird, falls der OGH unserer Rechtsansicht folgt", wie er zur APA sagte. Der Rechtsvertreter mag das nicht glauben und hat daher für die nächste Verhandlung im Jänner 2017 die Einvernahme des Sparkassenchefs beantragt.

Zur Frage, wie die sogenannten Zinsanpassungsklauseln im Fall von negativen Referenzzinssätzen auszulegen sind, gibt es bereits ein zweitinstanzliches Urteil zugunsten von Kreditnehmern. Laut Handelsgericht Wien kennt die Zinsanpassungsklausel der beklagten Bank Austria weder Ober- noch Untergrenze. Der Bank wäre es dem Gericht zufolge offengestanden, bei Abschluss der Kreditverträge Beschränkungen der Zinsentwicklung nach oben sowie auch nach unten in gleicher Weise vorzusehen, so das Gericht. Die Bank Austria hat gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt, jetzt muss der Oberste Gerichtshof (OGH) Stellung nehmen. In dem Verfahren soll grundsätzlich geklärt werden, ob Kreditnehmer Anspruch auf Zahlung von Zinsen haben, wenn der Euribor-Kurs entsprechend tief sinkt.

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