Strabag will "außerhalb Europas wachsen"

Thomas Birtel: "Man kann die Schwäche der Konsummärkte nicht automatisch auf den Bau übertragen."
Strabag-Konzernchef Thomas Birtel hofft auch auf Belebung durch das EU-Konjunkturpaket.

KURIER: Das Wachstum in Europa und vor allem in Österreich wird auch 2015 schwach bleiben. Wie stark drückt das auf die Baubranche?

Thomas Birtel: Die Aussichten für die Baubranche sind nicht so schlecht, man kann die Schwäche der Konsummärkte nicht automatisch auf den Bau übertragen. Unser Auftragsbestand liegt in den ersten neuen Monaten mit rund 15,4 Milliarden Euro um zehn Prozent über dem Vorjahr. In Osteuropa gibt es wieder hohe Zuwächse, in Polen, in Ungarn, aber auch in der Slowakei haben wir ein hohes zweistelliges Auftragswachstum. In Polen macht es 40 bis 50 Prozent aus, allerdings von einer niedrigen Basis aus. In Polen mussten wir aber 2012 tiefe Einschnitte setzen, 2013 lief es aber schon wesentlich besser.

Erwarten Sie vom Konjunkturpaket der EU einen weiteren Schub in den östlichen EU-Mitgliedsstaaten?

Ich denke, das bringt einige Dynamik beim Ausbau der Infrastruktur. Da gibt es einen enormen Bedarf vor allem in den neuen Mitgliedsstaaten. In Rumänien, Bulgarien, aber auch in Tschechien und der Slowakei ist die Zahl der Autobahn-Kilometer je Quadratkilometer weit unter dem in Österreich.

Aber die Kassen der Staaten sind leer, viele Projekte wurden deswegen aufgeschoben ...

Natürlich gibt es weiter den Spardruck durch die knappen Budgets. Aber mit der Co-Finanzierung aus Brüssel wird es doch etliche Projekte geben, die jetzt trotz der knappen Budgets realisiert werden.

Russland war einmal Ihr großer Hoffnungsmarkt. Daraus wurde nichts, derzeit drücken außerdem die Sanktionen der EU aufs Geschäft. Wie sieht es für die Strabag in Russland aus?

(Schmunzelt). Obwohl unsere Wachstumsstrategie für Russland nicht aufgegangen ist, haben wir dort derzeit mit fast einer Milliarde Euro den höchsten Auftragsbestand überhaupt. Das sind nur Aufträge von privaten Investoren, darunter der Bau eines Stahlwerks um 300 Millionen Euro.

Lebt die Russland-Fantasie also doch noch auf?

Nein, vorerst nicht. Die Fantasie bezog sich auf den Infrastruktur-Bereich. Dieser Markt ist aber fest in der Hand lokaler Unternehmen. Chancen hätten wir nur bei einem Auftragsvergabe-System nach westlichem Muster, aber das gibt es noch nicht.

Sie wollten mit dem Einstieg beim Baukonzern Transstroy Ihres Großaktionärs Deripaska selbst ein lokaler Player werden ...

Dieses Projekt haben wir bereits vor einiger Zeit auf Eis gelegt. Ob wir es wieder aufleben lassen, ist noch nicht endgültig entschieden. Transstroy wird umstrukturiert und diesen Prozess werden wir auf jeden Fall abwarten.

Die Russland-Expansion liegt auf Eis oder bleibt aus, wohin wollen Sie expandieren?

Der Umsatz-Anteil außerhalb Europas liegt unter zehn Prozent. Diesen wollen wir in den nächsten Jahren steigern. Vor allem im Tunnelbau, wo wir derzeit Großaufträge etwa im Bergbau in Chile haben.

Wie sieht es in Österreich aus?

Der österreichische Markt ist zweigeteilt. In Wien wird viel gebaut, auch im Wohnbau. Da sind wir im klassischen Hochbau, aber auch in der Projektentwicklung mit unserer Tochtergesellschaft Mischek, die Marktführerin im Wohnbau ist, gut dabei. In den Bundesländern sieht das deutlich anders aus, da gibt es einen harten lokalen Wettbewerb, der auf die Preise drückt. Der Preiskampf in Österreich ist zum Beispiel härter als in Deutschland, weil es dort mehr Großprojekte gibt.

Würde da die Umstellung vom Billigst- aufs Bestbieter-Prinzip bei öffentlichen Aufträgen etwas ändern?

Ich glaube schon, dass das etwas bringt. Denn dadurch stehen nicht mehr die reinen Baukosten im Vordergrund, die Auftraggeber würden stärker auf die Gesamtkosten über die gesamte Lebensdauer eines Bauwerks achten. Das würde den Preisdruck verringern.

Ein Grund für den Preiskampf ist Ihrer Meinung nach ja die Tatsache, dass die Alpine-Pleite keine Marktbereinigung gebracht hat. Warum ist das so?Bei uns dauert eine Marktbereinigung offenbar länger. Aber auch in Deutschland hat sie zehn Jahre gedauert. Heute arbeitet in der deutschen Baubranche nur noch die Hälfte der Mitarbeiter von 1995, damals waren es rund 1,4 Millionen. Die Bereinigung wird es auch in Österreich geben, aber wir werden wegen der alpinen Lage immer einen höheren Bauanteil haben.

Die Strabag hat sich verpflichtet, den Frauenanteil in Management und Aufsichtsrat zu erhöhen. Wie sieht es damit aus?

Im Aufsichtsrat der deutschen Strabag werden von 16 Mitgliedern ab 2015 vier weiblich sein. Im Vorstand ist das ein bisschen ein Problem. Abgesehen davon, dass der Bau eine Männer dominierte Branche ist, gibt es derzeit auch keine Nachbesetzungen im Konzernvorstand. Als ich in den Vorstand kam, war ich einer der Jüngsten. Heute bin ich der Älteste, die anderen sind zum Teil beträchtlich jünger. Es wird also auch in den nächsten Jahren wenig Neubesetzungen geben.

Karriere
Der diplomierte Ökonom (Ruhr-Universität Bochum) startete seine Karriere 1983 bei Klöckner & Co. Von 1989 bis 1996 war er Mitteleuropa-Chef der schwedischen Frigoscandia-Gruppe. 1996 trat er in den Strabag-Konzern ein, 2002 wurde er in den Vorstand der Strabag Köln berufen, verantwortlich für die Bereiche Hochbau, Finanz- und Rechnungswesen, Controlling und Risikomanagement. Ab 2006 wurde Birtel zusätzlich Vorstand der Konzernmutter Strabag SE. Im Juli 2013 wurde er Strabag- Chef. Birtel ist verheiratet und hat drei Kinder.

Konzern
Der Bauriese erzielte 2013 mit weltweit 73.100 Mitarbeitern 13,6 Mrd. € Bauleistung. Das Betriebsergebnis (Ebit) stieg um 26 Prozent auf 261,6 Mio. €, das Ergebnis nach Steuern betrug 156,3 Mio. €. Die Aktionäre erhielten 0,2 € Dividende.

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