Schmidinger: "Stiller Rückzug der öffentlichen Hand"

Der Wohnbau boomt, die Mietkosten aber auch
Trotz des Rekords im Neubau steigen Mieten kräftig

Auf den ersten Blick scheint der Wohnbau in Österreich heuer optimal zu laufen: Mit 65.000 Neubaubewilligungen wird nahezu das Rekordniveau von rund 70.000 in den 1970er-Jahren erreicht. Die Bauwirtschaft boome, die Wohnungsnachfrage – vor allem in den Städten – sei hoch und die Kreditzinsen seien tief, zieht Josef Schmidinger, Bereichsleiter Wohnbau und Immobilien in der Erste Bank Bilanz.

Schmidinger: "Stiller Rückzug der öffentlichen Hand"
ABD0102_20150121 - WIEN - ÖSTERREICH: Generaldirektor Josef Schmidinger (s Bausparkasse) am Mittwoch, 21. Jänner 2015, anl. der PK des Arbeitsforums Österreichischer Bausparkassen "Rückblick 2014 - Ausblick auf Bausparjahr 2015" in Wien. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER

Auf den zweiten Blick schaut die Lage weniger rosig aus. "Der Preisanstieg beim Wohnen ist ein Hammer", sagt Schmidinger. Erstens werde zunehmend nur noch befristet vermietet und das bei Neubauwohnungen zu durchschnittlich mehr als elf Euro je Quadratmeter (inklusive Betriebskosten). Für junge Leute, die in die Städte ziehen, werde wohnen zum Luxus. Ärmere müssten bis zu 60 Prozent ihres verfügbaren Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Hinter dem Preisaufschwung stecke ein "stiller Rückzug der öffentlichen Hand aus dem Wohnbau", kritisiert der Erste-Group-Wohnbau-Chef. Vor zehn Jahren noch seien rund zwei Drittel aller Neubauwohnungen gefördert worden, 2017 nur noch 40 Prozent. "Das Wachstum im Wohnbau findet also im frei finanzierten Bereich statt", erklärt Schmidinger. Und dort werde vor allem für die betuchtere Kundschaft gebaut.

Teure Stadtentwicklung

Kritik übt Schmidinger auch daran, dass die öffentliche Hand ihre Baugründe in Wien zu Rekordpreisen verkaufe, von Privaten aber fordere, dass sie einen Teil für den sozialen Wohnbau günstig zur Verfügung stellten. So seien Teile der Gründe, wo die Körner-Kaserne stehe, zu 1200 bis 1600 Euro je Quadratmeter verkauft worden. Das schlage auf die Wohnkosten durch. Gemeinnützige Wohnbauträger dürften laut Gesetz nur Gründe bis zu 260 Euro je Quadratmeter erwerben. Diese Bauflächen gebe es aber kaum noch.

Und noch einen Kostentreiber hat Schmidinger identifiziert: die Städtebau-Verträge. Diese schrieben gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften vor, dass sie die für den Neubau nötige Infrastruktur – von Straßen bis Kindergärten – finanzieren müssten. "Diese Kosten landen am Ende wieder bei den Mietern", sagt Schmidinger. 80 bis 150 Euro je Quadratmeter koste diese Infrastruktur. Zudem verzögerten Bürger-Einsprüche den geförderten Wohnbau.

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