Steuerbetrug: Deutsche Ermittler füttern Österreich

Die deutschen Steuerdaten-Deals nutzen auch der heimischen Finanz
Düsseldorfer Finanzfahnder verdächtigen auch heimische Banken der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Eine Bank zahlte bereits Bußgeld.

Die umtriebigen Steuerfahnder von Nordrhein-Westfalen sind nicht nur in Deutschland gefürchtet. Zwei Mal haben sie heuer schon Hinweise auf groß angelegte Steuerhinterziehung zur weiteren strafrechtlichen Verfolgung an 20 europäische Finanzministerien ausgeliefert. Dazu muss man wissen, dass die Steuerfahndung Wuppertal in verschiedenen Fällen CDs mit Datensätzen über Steuerhinterzieher aufgekauft hat. Verkäufer sind meist fragwürdige Bank-Insider. In den vergangenen sechs Jahren hat Nordrhein-Westfalen dadurch zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro generiert.

Gehirnschmalz der Ermittler

Im Frühjahr und im Sommer 2016 sind dicke Datensätze über österreichische Steuerhinterzieher von Düsseldorf dem Wiener Finanzministerium geliefert worden. "Das ist korrekt. Das, was bei uns eingelangt ist, wurde von unseren Analysezentren geprüft", sagt Johannes Pasquali vom Finanzministerium zum KURIER. "Wir haben mehrere Softwareprogramme dafür. Zugleich steckt auch die Erfahrung und das Gehirnschmalz der Kollegen in der Finanzverwaltung dahinter." Nachsatz: "Die Finanzbehörden sind untereinander sehr gut vernetzt und es gibt eine regelmäßige und länderübergreifende Zusammenarbeit."

Heiße Datensätze

Die angelieferten Datensätze beziehen sich in der Regel aber auf weit zurückliegende Zeiträume. So muss die Finanz zunächst prüfen, ob die Taten verjährt sind. In der Regel kann hierzulande Steuerhinterziehung – bei Beträgen unter 100.000 Euro – nach zehn Jahren nicht mehr geahndet werden.

Bei einer Steuerhinterziehung von mehr als 100.000 Euro sind in Österreich die Gerichte zuständig. Doch: Abgaben-Nachforderungen und Finanzstrafen sind zwei Paar Schuhe.

Keine absolute Verjährung

"Es gibt keine absolute Verjährung bei Finanzdelikten, für welche die Gerichte zuständig sind", sagt Finanzstrafrechtsexpertin Anja Cupal vom Wiener Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen TPA. "Abgaben können ihnen nur für die letzten zehn Jahre vorgeschrieben werden, strafen kann man sie länger." Nachsatz: "Wenn sie in der Verjährungszeit ein weiteres Delikt beginnen, dann greift auch die Verjährung nicht." Fakt ist: Die heimische Finanz schaut sich auch in bereits verjährten Fällen genau an, ob es in zuletzt versteuerten Jahren Auffälligkeiten gibt.

Banken im Visier

"Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit der Steuerhinterziehung selbst aufgehört hat, ist relativ gering", sagt ein Insider. Die Höhe der Nachforderungen und der Strafen, die aufgrund der deutschen "Amtshilfe" eingespielt wurden, ist nicht bekannt. Auch kauft das österreichische Finanzministerium selbst aus rechtspolitischen Prinzipien keine Konto-Daten von dubiosen Bank-Insidern an. Apropos Banken: Die Steuerfahnder aus Wuppertal haben mittlerweile auch die involvierten Banken im Visier. Begründung: Verdacht auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Laut Süddeutscher Zeitung wird gegen 57 Banken in Liechtenstein, Luxemburg, in der Schweiz und in Österreich ermittelt.

Auswertung der Selbstanzeigen

"Wir werten die Selbstanzeigen aus, befragen die Selbstanzeiger und können dadurch Muster erkennen, die auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung schließen lassen", sagt Ingrid Herden, Sprecherin des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen zum KURIER. "Wir leiten dann die nötigen Ermittlungen ein. Bei einer solchen Auswertung wurde auch die Walser Privatbank mit Sitz im Kleinwalsertal, Vorarlberg, aufgeklascht. Sie betreibt in Düsseldorf eine Niederlassung. Die Privatbank soll 5,4 Millionen Euro an den deutschen Fiskus gezahlt haben.

"Es ist richtig, dass es zu einer Bußgeldzahlung in Deutschland kam. Damit wurde das Verfahren eingestellt", bestätigt Markus Kalab von der Walser Privatbank dem KURIER. "Im deutschen Verfahren ging es um den Zeitraum 2004 bis 2009. Unsere Bank hat die vorgeworfene Praxis 2009 beendet." Nachsatz: "In Österreich gab und gibt es keinerlei Vorwürfe oder Ermittlungen."

Der Schrecken der Steuersünder

Steuerbetrug: Deutsche Ermittler füttern Österreich
Berlin/ ARCHIV: Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD), gestikuliert in den Raeumen der Nachrichtenagentur dapd in Berlin waehrend eines Interviews (Foto vom 26.04.12). Mit scharfer Kritik hat Borjans auf das Vorhaben der bayerischen Landesregierung reagiert, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Finanzausgleich zu klagen. Bayern habe lange Zeit von dieser Regelung enorm profitiert. "Jetzt aussteigen zu wollen, ist nicht nur schaebig, sondern wird die gemeinsame Suche nach einer ausgewogenen Anschlussregelung ab 2020 verzoegern", sagte er der Zeitung "Rheinische Post" (Montagausgabe vom 08.10.12). (zu dapd-Text) Foto: Michael Gottschalk/dapd
„Macht weiter und kneift nicht den Schwanz ein“ – Norbert Walter-Borjans, der Finanzminister Nordrhein-Westfalens, gibt seinen Steuerfahnder den Kurs vor und stärkt ihnen zugleich immer wieder den Rücken. Der resolute Politiker begann 2010 gegen massiven öffentlichen Widerstand mit dem Ankauf von Datensätzen (CDs) über Steuerhinterzieher. Die Verkäufer sind meist Bankinsider, die dafür fürstlich entlohnt werden. Bis heute ist Nordrhein-Westfalen das einzige deutsche Bundesland, dass diese umstrittenen Deals abwickelt.

Rund 2,3 Milliarden Euro hat Borjans damit eingespielt, die Steuernachforderungen und Strafen in den anderen deutschen Bundesländer sind darin noch nicht berücksichtigt. Denn auch sie erhalten aus Düsseldorf die Daten Verdächtiger. Der Alleingang Walter- Borjans hat auch das mit der Schweiz geplante, aber fragwürdige Steuerabkommen über den Haufen geworfen. Indes hat Österreich ein solches unterschrieben. Der Erfolg des promovierten Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlers basiert aber auch auf der Kreativität und dem Engagement seiner Fahnder.

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