Stahlharte Bandagen im Welthandel

Dongbei Steel in Dalian: Die USA haben China und Co. im Visier. Europa müsste die Zeche mitzahlen.
Die geplanten US-Strafzölle auf Stahl- und Alu-Importe wären Neuland. Wie soll Europa kontern?

Da lautet die Devise "America first", dort "China strong". Und was setzt Europa dagegen? Die EU drohe in einem Welthandelskrieg zwischen die Mühlsteine zu geraten, sorgt sich Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl: "Trump trampelt durch die Weltwirtschaft wie ein Elefant im Porzellanladen", sagte er am Mittwoch in Wien. Jüngster Anlass: Die angekündigten Strafzölle für Stahl- und Aluminium-Importe unter dem Deckmantel der "nationalen Sicherheit".

Bis Mitte April muss Trump entscheiden. Auf seinem Tisch liegen drei Varianten: Strafzölle auf Importe aus allen Ländern, nur aus zwölf (wie Brasilien, China) oder eine generelle Import-Drosselung um ein Drittel. Stahl ist im Handel zwar ein permanenter Zankapfel zwischen USA, China und USA, weil riesige Überkapazitäten die Preise ruinieren. Die US-Aktion wäre aber eine neue Stufe der Eskalation.

WTO-Umgehung

Normalerweise würde die Welthandelsorganisation es verurteilen, wenn eines ihrer 160 Mitglieder einseitig Handelshürden errichtet. Die USA bemühen aber eine Ausnahme im Regelwerk, eine Art "Kriegsparagraf". Sind Sicherheitsinteressen berührt, mischt sich die WTO nicht ein. Als "gefährlich" wertet Leitl, dass die USA zudem die Konfliktbeilegung boykottieren. Sie weigern sich seit Monaten, der Neubestellung von WTO-Richtern zuzustimmen.

Alleingang

Trump ist bei seiner Entscheidung auf keine Mehrheit im Kongress angewiesen. Allerdings stehen die Republikaner mit ihrem harten Kurs nicht alleine da, auch führende Demokraten unterstützen die Sanktionen.

Umfang

Die betroffenen Warenkategorien könnten das übliche Maß sprengen. "Die Folgen für Österreich können wir noch nicht abschätzen", sagt WKO-Experte Ralf Kronberger. Die voestalpine darf hoffen, dass ihr Spezialstahl weniger betroffen wäre als Massenstahl. Denn werden China & Co. aus den USA ausgesperrt, landet noch mehr davon auf dem EU-Markt.

EU hält Freihandel hoch

Leitl plädiert vorerst dafür abzuwarten, ob es sich um Symbolakte handelt oder tatsächlich ein Handelskrieg vorbereitet wird. Die EU-Kommission hatte angekündigt, "rasch und angemessen" zu reagieren. Geplant wären – wie berichtet – im Gegenzug Strafmaßnahmen gegen US-Marken aus Republikaner-Hochburgen, wie Kentucky Bourbon Whiskey oder Harley Davidson Motorräder und Käse (Wisconsin).

"Rasch reagieren ist gut, angemessen noch besser", sagt Leitl. Die EU solle besonnen handeln und die Lücke nutzen, die die USA hinterlassen. Sprich: rasch weitere Handelsabkommen abschließen.

Umstrittener Mercosur-Deal

Kurz vor dem Abschluss steht aktuell jenes mit den Mercosur-Staaten ( Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay). Hier bereitet das drohende Überangebot an Rindfleisch den europäischen Landwirten Kopfzerbrechen. Die EU ist den Südamerikanern entgegengekommen und hat die angebotene Zollfreiquote zuletzt von 70.000 auf 99.000 Tonnen erhöht.

Dieses Kontingent wäre an sich schon heikel, aber die große Unbekannte ist der Brexit: Was wird aus jenen 250.000 Tonnen Rindfleisch, die Irland aktuell pro Jahr den Briten liefert? Wenn das alles in der EU auf dem Markt landet, wäre es "kaum zu verkraften", sagt LK-Experte Nikolaus Morawitz. Auch bei der Rückverfolgbarkeit des Fleisches und den Veterinär-Kontrollen sei "noch nicht alles zufriedenstellend gelöst". Brasilien hatte 2017 mit einem Gammelfleisch-Skandal und Korruption bei einem großen Fleischverarbeiter für negative Schlagzeilen gesorgt. Und auch in Sachen Schutz von Regenwald und Kleinbauern ist Brasilien für viele NGO ein rotes Tuch

Generell sei das Mercosur-Abkommen eines der alten Generation, sagt Morawitz. Die Verhandlungen hatten 1999 begonnen, lagen dann aber viele Jahre auf Eis. Nachhaltigkeitsaspekte seien deshalb nur in Ansätzen enthalten. Investitionsschutz ist überhaupt nicht vorgesehen.

Die Sorgen der Bauern "muss man Ernst nehmen", heißt es dazu bei der Wirtschaftskammer. Allerdings müsse das endgültige Verhandlungsresultat abgewartet werden, bevor man das Mercosur-Abkommen beurteilen könne. Oft werde übersehen, dass große Schwellenländer wie Brasilien und Indien Flugzeugproduzenten sind und eine riesige IT-Industrie haben. Aktuell unterliegen noch 85 Prozent der EU-Exporte dem Zoll, auf Autos fallen 35 Prozent an, für die wichtigsten Maschinen zwischen 20 und 35 Prozent. Mit dem Abkommen ließen sich mehr als 4 Mrd. Euro einsparen.

Es klingt verführerisch, wie so viele populistische Parolen. Trumps Slogan "America first" will US-Unternehmen bevorzugen. Das kann doch nur im Sinne der Konsumenten sein, oder? Nein, denn so funktioniert die Wirtschaft heute nicht mehr. Viele US-Fabriken mussten schließen, weil ihre Produkte qualitativ und preislich nicht mehr konkurrenzfähig waren. Diese werden aber nicht besser, wenn sie vor Wettbewerb abgeschottet werden. Im Gegenteil.

Ein bizarrer Fall sind Waschmaschinen. 2006 dominierte Whirlpool den US-Markt für Haushaltsgeräte. Eine Fusion mit der Nummer drei, Maytag, wurde nur erlaubt, weil Whirlpool auf harte Konkurrenz durch ausländische Mitbewerber wie LG und Samsung hinwies. Die waren offenbar wirklich gut, denn im Vorjahr beklagte Whirlpool bei der Regierung, dass die Importe das Geschäft bedrohen. Das nennt man wohl Chuzpe. Trump bewilligte Strafzölle bis zu 50 Prozent, was einem Importstopp gleichkommt. Aber ob das die Whirlpool-Geräte wirklich besser macht?

Kommentare