Argentinien schuldet Österreich Millionen
Argentinien ist nach gescheiterten Verhandlungen mit Gläubigern erneut in die Staatspleite geschlittert. Zwölf Jahre nach dem ersten Zahlungsausfall war es am Donnerstag wieder soweit: Das südamerikanische Land verweigerte im Rechtsstreit mit klagenden Hedgefonds in New York die fristgerechte Auszahlung von 1,33 Mrd. Dollar samt Zinsen.
Die Bonitätswächter von S&P reagierten prompt und erklärten das Land für pleite. Am späten Donnerstagabend stufte auch die Ratingagentur Fitch das Land als "eingeschränkten Zahlungsausfall" ein. Die globale Finanzwelt dürfte dies anders als 2002 jedoch nicht erschüttern, zumal Argentinien nach zwei Schuldenschnitten praktisch vom internationalen Kapitalmarkt abgekoppelt ist. Doch dem rezessionsgeplagten Land droht Ungemach: "Die Folgen der Insolvenz sind unvorhersehbar", prophezeite der vom Gericht bestellte Schlichter Daniel Pollack.
Österreich unter Gläubigern
Gegenüber der Republik Österreich steht Argentinien der OeKB zufolge mit einem "zweistelligen Millionen-Euro-Betrag" in der Kreide. Das sei ein sehr geringer Anteil an den gesamt 9,7 Mrd. Dollar des Pariser Clubs, in dem öffentliche Gläubiger bei Zahlungsproblemen eines Staates organisiert sind, sagte Peter Gumpinger, Sprecher der Österreichischen Kontrollbank (OeKB), die die Forderungen für Österreich abwickelt.
Im Mai hatte sich das südamerikanische Land mit dem Pariser Club geeinigt, seine Schulden in Höhe von etwa 9,7 Mrd. Dollar binnen fünf Jahren zu begleichen. Wie es nun weitergeht, nachdem das Land erneut in die Pleite gestürzt ist, ist vorerst offen.
Bei den Exportversicherungen steht die OeKB schon seit längerem auf der Bremse. "Lieferungen an staatliche Unternehmen gehen gar nicht", sagte Gumpinger. Ausnahmen gebe es nur bei privaten Unternehmen, zu denen es schon seit langem Geschäftsbeziehungen gibt. Wie sich die Situation entwickeln wird, sei aber nicht zu sagen.
Weitreichende Folgen
Letzte Hoffnungen auf einen Kompromiss hatten sich in der Nacht auf Donnerstag zerschlagen. Ein Plan, die Pleite mithilfe privater Banken noch abzuwehren, misslang. Die von Argentinien als "Geierfonds" verspotteten Finanzhäuser hatten die nach US-Recht ausgegebenen Anleihen mit einem kräftigen Preisnachlass erworben, einen Schuldenschnitt verweigert und dann auf volle Auszahlung geklagt. Mit der Mehrzahl der Gläubiger hat sich Argentinien dagegen arrangiert.
New Yorker trieb Argentinien in Pleite
Im Mittelpunkt des Schuldenstreits zwischen Argentinien und US-Investoren steht der Hedgefonds NML Capital. Er gehört zum Elliott-Imperium des US-Milliardärs Paul Singer. In der Hedgefonds-Szene gilt Elliott Associates samt seinen Tochter-Fonds als Exot. Die in den 1970er Jahren gegründete Firma ist vor allem dafür bekannt, dass sie Papiere hoch verschuldeter Staaten aufkauft.
Furore machte Elliott bisher vor allem im Zusammenhang mit der Staatspleite Argentiniens. Im Jahr 2012 versuchte der Fonds, ein Segelschulschiff des Landes zu beschlagnahmen - mit der Begründung, dass man als Gläubiger auf das Staatsvermögen Zugriff hätte. Der Internationale Seegerichtshof musste in den Konflikt eingreifen. Jetzt will Elliott nach eigenen Angaben zwei für argentinische Satelliten reservierte Startplätze beim privaten Raumfahrtanbieter SpaceX in Kalifornien beschlagnahmen lassen.
Hohe Inflationsrate
Die Argentinier, die auf die Pleite Anfang des Jahrhunderts mit Unruhen und einem Ansturm auf die Banken reagiert hatten, hoffen dennoch auf ein glimpfliches Ende: "Wir waren schon einmal in der Klemme und werden es wieder durchstehen", sagte ein 27-jähriger Angestellter einer Automobilfirma trotzig. Auch der Staat ist nicht so finanzschwach wie damals, da er Devisenreserven in Höhe von 29 Mrd. Dollar angehäuft hat. Die Regierung kann sich allein damit noch rund fünf Monate über Wasser halten.
Argentinien ist die zweitgrößte Wirtschaft Südamerikas, mit großem Abstand hinter Brasilien.
Mit seinen 41,5 Millionen Einwohnern kommt das Land auf eine Wirtschaftsleistung von 488 Mrd. Dollar bzw. 364,15 Mrd. Euro (2013). Das Land exportierte zuletzt Waren für 81,7 Mrd. Dollar (Soja nach China, Fahrzeuge nach Brasilien) und importierte für 73,7 Mrd. (Energieträger, Fahrzeuge aus Brasilien).
Argentinien hat schon mehrere Staatspleiten hinter sich, die erste war 1828, die bisher größte 2001. Die Staatsschuld mit privaten Gläubigern entspricht heute nur 12,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (2002: 124,1 Prozent).
23. Dezember 2001: Argentinien erklärt sich für zahlungsunfähig. Damit nimmt die bisher größte Staatspleite der zeitgenössischen Geschichte ihren Lauf.
3. März 2005: Erste Umschuldung: Für 76 Prozent der ausstehenden Forderungen gibt es einen Schuldenschnitt.
3. Jänner 2006: Argentinien zahlt dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die gesamten Anleihe-Schulden von 9,5 Mrd. Dollar (aktuell 7 Mrd. Euro) zurück.
23. Juni 2010: Zweite Umschuldung: Damit sind 92,4 Prozent der ausstehenden Schulden mit erheblichen Verlusten für die Anleger umstrukturiert.
22. November 2012: Der New Yorker Richter Thomas Griesa verurteilt Argentinien, bis zum 15. Dezember 1,3 Mrd. Dollar plus Zinsen an die Hedgefonds NML Capital und Aurelius für Anleihen zu zahlen.
29. Mai 2014: Argentinien einigt sich mit den staatlichen Gläubigern ("Pariser Club") auf die Rückzahlung von 7,2 Mrd. Dollar.
16. Juni 2014: Argentinien scheitert mit einer Berufung vor dem Obersten Gerichtshof der USA. Damit steht Griesas Urteil.
30. Juni 2014: Weil Griesa Argentinien untersagt, andere Anleihen zu bedienen, bis die Schulden bei den Hedgefonds beglichen sind, kann das Land Zinsen nicht bezahlen.
30. Juli 2014: Argentinien schafft es nicht, sich innerhalb der dreißigtägigen Frist mit den Hedgefonds zu einigen. Damit befindet sich Argentinien "technisch" erneut in einer Staatspleite.
In den 90er Jahren litt Argentinien unter einer schweren Wirtschaftskrise. Bis 2001 waren fast 60 Prozent der Bevölkerung unter die Armutsgrenze gerutscht. Die Auslandsschulden von damals umgerechnet 169 Mrd. Euro konnte das Land Ende des Jahres nicht mehr bedienen. In zwei Wochen lösten sich vier Staatschefs nacheinander im Amt ab, die Arbeitslosigkeit stieg drastisch an.
Vor dem finanziellen Zusammenbruch sorgte eine starke Kapitalflucht für Probleme. Der Internationale Währungsfonds (IWF) verweigerte einen neuen Kredit, weil die Regierung nicht das angestrebte Null-Defizit erreicht hatte. Das spitzte die Situation weiter zu. Der damalige Wirtschaftsminister Domingo Cavallo ließ alle Bankkonten sperren, Privatpersonen durften nur 250 Pesos (gleich Dollar) pro Woche abheben.
Die Bevölkerung ging auf die Straßen: Banken wurden blockiert, Supermärkte geplündert. "Que se vayan todos" ("Alle sollen gehen") skandierten die Menschen an die Adresse des gesamten politischen Establishments. Die Regierung rief den Notstand aus, erreichte damit aber nur, dass sich noch mehr Demonstranten den Protesten anschlossen. Um die 40 Menschen kamen dabei ums Leben.
Am 20. Dezember entschloss sich der isolierte Präsident De la Rua, das Boot zu verlassen. Mit einem Hubschrauber flüchtete er von der Terrasse des Regierungsgebäudes aus, nachdem er seinen Rücktritt unterzeichnet hatte.
Mehrere Interimspräsidenten lösten sich in rascher Folge im Amt ab. Einer von ihnen, Adolfo Rodríguez Saa, erklärte im Dezember 2001 den Staatsbankrott, also die Zahlungsunfähigkeit Argentiniens. Zugleich verfügte er eine Abwertung des Peso von 65 Prozent, der zuvor zehn Jahre im Verhältnis Eins zu Eins an den Dollar gekoppelt war.
Was das bedeutet zeigt eine kleine Rechnung: Wer sich in Dollar verschuldet hatte, stand plötzlich vor einem viel größeren Schuldenberg. Denn 1.000 Dollar entsprachen nach der Abwertung um 65 Prozent nicht mehr 1.000 Peso, sonders mehr als 2.850 Peso - das heißt, in der Landeswährung gerechnet haben sich die Schulden über Nacht fast verdreifacht.
Wird es normal, dass „reiche“ Industriestaaten ihre Schulden nicht zurückzahlen? Das legt eine Regeländerung nahe, die der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington diskutiert. Der Fonds ist die Anlaufstelle für pleitegefährdete Staaten, denen sonst niemand mehr Kredite gibt. Bisher galt dabei die Devise: Hopp oder dropp.
Nur, wenn ein Staat seine Schulden „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ zurückzahlen konnte, durfte der IWF große Rettungspakete schnüren. Bestand diese Aussicht nicht, musste das Land zuvor eine Umschuldung vornehmen. Sprich: Seine Geldgeber wurden rasiert. So sahen es die Regeln von 2002 vor. Schon bei Griechenland war das aber anders: Dort schnürte der IWF gemeinsam mit den Euroländern große Hilfspakete, bevor die Privatgläubiger – spät, aber doch – einem „Haircut“ unterzogen wurden.
Jetzt wird eine Zwischenvariante diskutiert: In Fällen, wo es nicht ganz sicher ist, dass ein Staat seine Schulden begleichen kann, sollen Gläubiger zu einem Stillhalteabkommen motiviert werden: Sie müssten eine Zeit lang auf Zinsen oder Rückzahlung der Kredite verzichten. Die (etwas zynische) Überlegung: Wird später doch ein Schuldenschnitt fällig, erwischt man so mehr Gläubiger.
Auffällig: Die Überlegungen, wie Staaten die Schulden auf Kosten von Sparern und Gläubigern abbauen können, häufen sich. In einer inoffiziellen IWF-Studie von Herbst 2013 wurde sogar berechnet, was eine zehnprozentige Zwangsabgabe auf Spareinlagen abwerfen würde.
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