"Staat muss Mehrheit an Gasnetz halten"

Ex-SPÖ-Politikerin und Top-Managerin Brigitte Ederer
Die Ex-Politikerin und Spitzenmanagerin plädiert dafür, 51 Prozent der OMV-Tochter Gas Connect Austria an die Staatsholding ÖBIB zu übertragen.

Morgen, Mittwoch, steht der Verkauf von 49 Prozent an der Gas Connect Austria (GCA), der Gas-Hauptschlagader Österreichs, auf der Tagesordnung des OMV-Aufsichtsrates. Drei private Bieterkonsortien sind ins Rennen gegangen: Die Allianz Versicherung mit dem italienischen Pipelinebetreiber Snam, der australische Fonds Macquarie und der Energiekonzern EPH eines tschechischen Oligarchen. Die teilstaatliche OMV kalkuliert mit mindestens 500 Millionen Euro Verkaufserlös. Die ehemalige SPÖ-Politikerin und Siemens-Spitzenmanagerin Brigitte Ederer, heute Aufsichtsratschefin der ÖBB, plädiert jetzt dafür, die Mehrheit am heimischen Gasnetz staatlich abzusichern.

KURIER: Aus der SPÖ gab es schon sehr kritische Wortmeldungen. Wie sehen Sie den Teilverkauf der Gas Connect Austria?Brigitte Ederer: Bei einem Verkauf von 49 Prozent verwässert sich der Staatsanteil an der Gas Connect Austria durchgerechnet auf nur noch 16 bis 17 Prozent. Ich plädiere dafür, die restlichen 51 Prozent aus der OMV heraus zu nehmen und direkt ins Staatseigentum zu geben. Entweder in die Staatsholding ÖBIB oder in eine andere Konstruktion.

Halten Sie es für sinnvoll, die 49 Prozent überhaupt zu verkaufen?

Am besten wäre, gar nicht zu verkaufen. Wenn der Verkauf der 49 Prozent aber nicht mehr zu stoppen ist, dann müssen die 51 Prozent parallel dazu wirklich abgesichert werden. Das kann nur erfolgen, indem die ÖBIB den Anteil übernimmt oder man schafft eine Lösung für die Kern-Infrastruktur und legt die Netze zusammen.

Wie soll das parallel funktionieren? Allein die Bewertung der 51 Prozent würde Monate dauern.

Das kann sehr schnell gehen. Die Bieter haben ja Angebote gelegt. Man müsste für die Mehrheit noch einen kleinen Aufschlag drauflegen. Dafür braucht man keine langwierigen Bewertungen mehr. Das kann parallel zum Teilverkauf abgewickelt werden.

Die ÖBIB müsste die Gas Connect Austria dann der OMV ablösen. Woher nehmen? Die Republik hat doch eh kein Geld. Angesichts einer Rendite von vier bis fünf Prozent wäre beim jetzigen niedrigen Zinsniveau eine langfristige volkswirtschaftliche Investition in die Infrastruktur kein Finanzierungsproblem.

OMV-Chef Seele argumentiert, das Geld, das er durch den Teilverkauf des Gasnetzes einnimmt, könnte er in gewinnträchtigere Projekte investieren.

Die müsste Herr Generaldirektor Seele halt endlich einmal herzeigen. Ich kenne sie nicht und ich glaube, auch der Aufsichtsrat kennt sie nicht. Nordstream II ist gestorben und die Berechnungen des Asset-Deals um das sibirische Gasfeld kennt niemand. Herr Seele muss die volkswirtschaftlichen Komponenten nicht unbedingt berücksichtigen, aber die Republik Österreich muss die Gesamtheit natürlich im Auge haben. In der FAZ war übrigens kürzlich zu lesen, dass die USA die Sanktionen gegen Russland auf Wintershall ausweiten wollen.(Die deutsche Wintershall, Ex-Arbeitgeber von Seele, ist der OMV-Partner beim Russen-Deal, Anmerkung)

Die Debatte, ob der Staat der bessere Betreiber von Infrastruktur wäre, ist sehr ideologische überfrachtet. Welche Sachargumente sprechen dafür?

Investitionen in die Infrastruktur können sich nicht schnell rechnen, wie man am Breitband-Ausbau sieht. Wir wissen heute doch überhaupt nicht, wofür man die Trassen und Netze in zehn bis 20 Jahren braucht. Nehmen wir nur das spannende Forschungsprojekt "Power-to-Gas" der OMV mit dem Umweltfonds.

Da geht’s um die Erzeugung von Methangas aus erneuerbarer Energie.Ja, überschüssige Windenergie wird in Methangas umgewandelt. Das ist das sogenannte alte Stadtgas, das gespeichert werden kann. Österreich hat Speicherkapazitäten für vier Monate. Wenn das Projekt in großem Stil funktioniert, wäre Österreich auch unabhängiger vom Russen-Gas. Wir kennen die technologischen Entwicklungen der nächsten Jahre nicht und wissen daher auch nicht, wofür wir Infrastruktur noch benötigen werden.

In den letzten Jahren wurde immer wieder über eine staatliche Infrastruktur-Holding diskutiert. In diese sollten Teile von ÖBB, Asfinag, Telekom, Verbund und OMV eingebracht werden. Es wurde politisch viel darüber gestritten und kam nie dazu. Wären Sie eine Anhängerin einer solchen Lösung?

Das sollte man sich sehr genau anschauen. Es gibt unterschiedliche Infrastruktur. Alles ist wichtig, um die Versorgungssicherheit in Österreich zu garantieren. Das eint die Infrastruktur. Aber die Schienen-Infrastruktur ist etwas ganz anderes als etwa das Breitband. Ich glaube nicht, dass die Schiene dazu passt. Die Straßen vermutlich auch nicht.

Warum eigentlich, es ist doch alles Infrastruktur?

Letztendlich kann man die Schienen nicht vom Betrieb eines Eisenbahnunternehmens trennen. Über ein Gasnetz wird die Bevölkerung versorgt, egal, wer das Gas durchleitet. In Norwegen gibt es einen Staatsfonds, egal wie die Regierung aussieht. Bei uns würde die Beteiligung von Privaten je nach Regierung schwanken. Einen Tunnel durch den Brenner würde aber kein Privater mitfinanzieren. Für den Güterverkehr allerdings ist er von volkswirtschaftlichem Interesse.

Warum sind Sie als ehemalige Spitzenmanagerin derart skeptisch bei der Beteiligung von Privaten an Versorgungs-Einrichtungen?

Ich halte private Investitionen nicht für schlecht. Aber Private haben ein kurzfristiges Denken, vor allem wenn sie börsenotiert sind. Sie wollen relativ kurzfristige Rendite und denken in Quartalen. Infrastruktur-Investitionen rechnen sich möglicherweise betriebswirtschaftlich gar nicht, sehr wohl aber volkswirtschaftlich. Es geht mir jetzt darum, die 51 Prozent an der Gas Connect Austria abzusichern.

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