Spannendes Match um die Strom- und Gaskunden

Eveline Steinberger-Kern, Chefin von "Energy Hero"
Anbieter-Wechsel: Wie die E-Wirtschaft versucht, das neue Start-up von Eveline Steinberger-Kern auszubremsen.

Bereits 2001 wurde der Strommarkt in Österreich liberalisiert, ein Jahr später der Markt für Erdgas. Seitdem können sich die Kunden ihren Energie-Lieferanten selbst aussuchen. Bei den höchst unterschiedlichen Tarifen der Anbieter müssten die Österreicher ihre Strom- und Gasversorger fröhlich wechseln, würde man meinen.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Aufsichtsbehörde E-Control bejubelt zwar einen neuen Rekord bei den Wechselzahlen für 2017, tatsächlich aber ist der Wettbewerb nach wie vor bescheiden. 261.000 Haushalte entschieden sich für einen anderen Stromanbieter. Schaut auf den ersten Blick viel aus, entspricht aber lediglich 4,3 Prozent aller Haushalte. Bei Gas sind’s sechs Prozent.

Dass die etablierte Stromwirtschaft Widerstand gegen neue Konkurrenz leistet und in der Wahl der Mittel nicht immer ganz fair ist, war für Branchenkenner zu erwarten. Die Heftigkeit hat Eveline Steinberger-Kern aber doch etwas überrascht. Ihr neues Start-up, das unter dem bezeichnenden Markennamen "Energy Hero" nach Wechselwählern (Achtung, Ironie) fischt, dürfte den Platzhirschen ziemlich lästig sein. Mit "Störmanövern" und "Tricks" werde laut Steinberger-Kern versucht, die Kunden bei der Stange zu halten.

Dass die Energie-Expertin, die im mehrheitlich staatlichen Verbund-Konzern erfolgreich das Endkunden-Geschäft aufgezogen hatte, aus dem Aufsichtsrat des Landesversorgers Energie Burgenland flog, war erst der Anfang. Steinberger-Kern hatte aus den Medien erfahren, dass sie in der gemeinsamen Tochtergesellschaft der burgenländischen Landesholding und der EVN nicht mehr erwünscht sei. Dabei war sie ausgerechnet als Expertin für Energie-Innovationen in den Aufsichtsrat gebeten worden, wo ihr gute Arbeit attestiert wurde. Einer Abberufung kam sie durch ihren Rücktritt zuvor.

"Der Großteil der Energieversorger piesackt uns an allen Ecken und Enden", sagt die mit SPÖ-Chef Christian Kern verheiratete Unternehmerin. Die beiden hatten einander übrigens im Verbund kennengelernt, als Kern dort im Vorstand war.

Märchen aufgetischt

"Die Versorger rufen die wechselwilligen Kunden an oder schreiben ihnen und bieten einen niedrigeren Preis, wenn sie bleiben. In den meisten Fällen ist dieser Tarif aber nicht so attraktiv wie der des günstigsten Anbieters", erzählt Steinberger-Kern. Oft würde den Konsumenten auch das Märchen aufgetischt, bei einem Wechsel könne die Versorgungssicherheit nicht mehr garantiert werden. Obwohl das seit der Liberalisierung gesetzlich geregelt und von der E-Control überwacht wird.

Ein ausländischer Anbieter wiederum verzichtet sogar lieber auf Kundschaft, wenn diese über "Energie Hero" kommt. Die Anmeldung des Neukunden wurde einfach rückgängig gemacht.

Die einzelnen Unternehmen wollen sich dazu nicht äußern. Ein Sprecher der Branchenvertretung "Oesterreichs Energie" meint sehr allgemein: "Im Wettbewerb bemüht sich natürlich jeder Anbieter, seine Kunden zu halten." Der Wettbewerb bei Strom funktioniere gut....

Walter Boltz, ehemaliger Chef der E-Control, hat mit "OHHO" 2016 ein ähnliches Geschäftsmodell gestartet. Im Gegensatz zu "Energy Hero" setzt Boltz auf ein Zwei-Jahres-Modell und kassiert Provision von den neuen Anbietern. Steinberger-Kern dagegen finanziert sich über direkte Beiträge der Kunden (siehe Artikel unten).

Lockangebote

Die Unternehmen ködern neue Kunden mit Rabatten, die es allerdings nur im ersten Jahr gibt. Ab dann wird’s teurer. Was Steinberger-Kern als "Lockangebote" kritisiert. "Die Lieferanten leben davon, dass die Kunden zu faul sind, im zweiten Jahr wieder zu wechseln. Neukunden rechnen sich ab dem zweiten Jahr", beobachtet auch Boltz. Weshalb die Unternehmen "klarerweise nervös werden, wenn neue Modelle auftauchen". Laut E-Control können Stromkunden bis zu 340 Euro im Jahr einsparen, bei Gas sogar bis zu 650 Euro.

Auch "OHHO" habe anfangs den Druck der Lieferanten gehabt, weshalb man sich für die Zwei-Jahres-Version entschieden habe. Der große Erfolg habe sich bis jetzt trotzdem nicht eingestellt, "es geht so halbwegs. Wir hätten uns mehr Geschäft erhofft", so Boltz.

"Energy Hero" ist seit einem Monat auf dem Markt und zählt bis dato knapp 70.000 Zugriffe. Mehr als 2000 Interessenten wurden zu Abo-Kunden, Tendenz steigend. Die Energie-Expertin leitet das Start-up und hält knapp sechs Prozent. Mehrheitseigentümer ist der Investor Paul Swarovski, Mitglied des Tiroler Kristall-Clans.

"Schluss mit dem Dornröschen-Schlaf. Wir wollen mehr Wettbewerb und Preistransparenz und das nicht erst, wenn sich die Kunden aufregen", gibt sich Steinberger-Kern kämpferisch. Anstatt ihre Energie mit der Verhinderung von Wettbewerb zu verschwenden, sollten die Anbieter "ihr Service und ihr Pricing verbessern".

Wechselkunden als Geschäftsmodell

Energy Hero - www.energyhero.at

Das Start-up beobachtet laufend alle Preise der Strom- und Gasanbieter, sucht über einen Algorithmus nach den günstigsten Tarifen und organisiert den Wechsel des Lieferanten. Die Kunden müssen lediglich ihre Strom- und Gasrechnung hochladen und eine Vollmacht erteilen. Wenn es sich rechnet, wird auch auch mehrmals im Jahr gewechselt. Der Kunde zahlt eine Abo-Gebühr von zwei bzw. drei Euro im Monat.

OHHO - www.ohho.at

Das Start-up des ehemaligen E-Control-Chefs Walter Boltz basiert auf einem Provisionsmodell. Der neue Energie-Lieferant zahlt für jeden Kunden an OHOO, abgeschlossen werden nur Zwei-Jahres-Verträge. Die gesetzliche Bindefrist beträgt höchstens 12 Monate.

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