So viele Arbeitslose wie nie – trotz Job-Rekord

So viele Arbeitslose wie nie – trotz Job-Rekord
Ende 2013 waren 430.000 Menschen auf Jobsuche – Arbeitslosigkeit sinkt nicht vor 2016.

Es klingt widersinnig: 2013 haben in Österreich mehr Menschen denn je gearbeitet. 3,48 Millionen unselbstständig Beschäftigte sind um 16.000 mehr als im Jahr davor – ein Rekordwert.

Allerdings waren zugleich 428.143 Österreicher im Dezember 2013 auf Jobsuche, also beim Arbeitsmarktservice AMS vorgemerkt oder in einer Schulung. Auch das ein Rekord, aber ein Negativrekord für die Zweite Republik: Nie waren in absoluten Zahlen so viele Menschen ohne Job. Die Arbeitslosenrate erreichte im abgelaufenen Jahr mit 7,6 Prozent laut AMS den zweithöchsten Wert seit 1945. Nur 1953 lag die Quote mit 8,7 Prozent noch höher.

Und dabei ist die Spitze noch gar nicht erreicht. Obwohl sich die Konjunktur 2014 leicht erholt, wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter verschlechtern.

Bis Ende 2014 dürften 16.000 Jobsuchende dazukommen, die Arbeitslosenquote rückt knapp an 8 Prozent heran. „2015 wird es eine Stagnation ungefähr auf diesem Niveau geben“, sagt WIFO-Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer zum KURIER. Einen Rückgang sieht er auch im Jahr 2015 noch nicht – und wenn dann „allenfalls minimal“.

Rumänen und Bulgaren

Mehr Jobs, mehr Arbeitslose: Der Grund ist, dass viele Menschen neu auf den Arbeitsmarkt drängen. Zwar werden zusätzlich Jobs geschaffen – aber nicht genug, um alle aufzufangen. Das ist die Kehrseite politisch gewollter Entwicklungen: Dass mehr Frauen Beschäftigung suchen. Und dass die Österreicher länger arbeiten.

Maßnahmen wie der erschwerte Zugang zur Invaliditätspension nehmen zwar Druck vom Pensionssystem, belasten aber den Arbeitsmarkt. Ältere Menschen tun sich besonders schwer, einen neuen Job zu finden.

Noch schlechter ergeht es nur Menschen mit Behinderungen – oder mit schlechter Ausbildung: 47 Prozent der vorgemerkten Arbeitslosen haben keinen formalen Schulabschluss.

Auswirken wird sich 2014 auch die vollständige EU-Arbeitsmarktöffnung für Bulgaren und Rumänen. Er erwarte „keine Riesenmengen“ an Arbeitsuchenden, sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer im ORF-Radio. Viele hoch qualifizierte oder in Mangelberufen tätige Rumänen oder Bulgaren seien jetzt schon da.

Der Zuzug aus den „EU-Armenhäusern“ nach Österreich erhöht die Arbeitslosenrate in den nächsten zwei Jahren um 0,03 Prozentpunkte, ergab eine WIFO-Studie. Im Gegenzug kämen dafür weniger Menschen aus anderen Ländern, erklärt Mahringer.

Zudem dürfte sich die Schwarzarbeit verringern: In Bereichen wie Tourismus oder am Bau könnten bisher nicht angemeldete Rumänen und Bulgaren mit Verspätung „legalisiert“ werden.

Teilzeit-Arbeitslose

Noch keine Trendwende sieht der Experte bei der „Teilzeit-Arbeitslosigkeit“ – diese Unterbeschäftigung bilden die Arbeitsmarktdaten gar nicht ab. Insbesondere viele Frauen würden gerne länger arbeiten, können aber nicht. „Als häufigster Grund werden andere Verpflichtungen genannt“, so Mahringer. Es scheitert also an der fehlenden Kinderbetreuung, seltener auch am Arbeitgeber.

So viele Arbeitslose wie nie – trotz Job-Rekord
Arbeitslose im Dezember 2006-2013 - Kurvengrafik; Zahlen im Detail - Tabelle, Landkarte Grafik 0004-14-Arbeitsmarkt.ai, Format 88 x 105 mm

Alter, Geschlecht, Berufe: die Details

Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen bei den Über-50-Jährigen kletterte im Dezember im Vergleich zum Vorjahresmonat um 23 Prozent auf 88.287 Personen. Bei den Jungen (unter 25 Jahre) gab es einen Anstieg von 6,5 Prozent auf 51.626 Betroffene.

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Deutlich schwieriger gestaltet sich auch die Suche nach einer Lehrstelle. Die Differenz zwischen Lehrstellensuchenden und offenen Lehrstellen ("Lehrstellenlücke") erhöhte sich im Dezember im Vergleich zur Vorjahresperiode um 968 auf 3345. 6055 Lehrstellensuchenden standen 2710 offene Lehrstellen gegenüber.

Im Bereich der Jugendbeschäftigung zeige sich die nach wie vor nur langsam in Schwung kommende Konjunktur, so Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) am Donnerstag.

Bei behinderten Personen (+28,0 Prozent) und bei Ausländern (+18,6 Prozent) wurde ebenfalls ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit im Dezember registriert. Insgesamt kletterte die Männerarbeitslosigkeit im abgelaufenen Monat um 10,9 Prozent auf 227.001, jene der Frauen um 13,5 Prozent auf 134.278 Personen.

Hart getroffen hat es im Dezember erneut Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Handel. Hier stieg die Arbeitslosigkeit um 17,9 Prozent bzw. 15,6 Prozent.

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Ebenfalls stark gestiegen ist die Anzahl der Arbeitslosen imTourismus(+13,7 Prozent) und bei der Herstellung von Waren (+12,4 Prozent). Der schwächste Anstieg wurde am Bau (+5,1 Prozent) verzeichnet.

Der Dienstleistungsbereich hinke der Konjunkturentwicklung erfahrungsgemäß etwas hinterher, so Hundstorfer. "Nach den aktuellen Prognosen der Wirtschaftsforscher wird die sich nun schon deutlich abzeichnende Erholung der Konjunktur den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Verlauf des neuen Jahres zumindest weiter abschwächen", zeigte er sich leicht zuversichtlich.

Nach Bundesländern ist die Anzahl der vorgemerkten Arbeitslosen am stärksten in Tirol um 14,8 Prozent auf 21.658 und Oberösterreich um 14,5 Prozent auf 45.749 Personen gestiegen. Die geringste Zunahme wurde in Kärnten (+8,5 Prozent) und im Burgenland (+8,6 Prozent) registriert. Die Anzahl der Schulungsteilnehmer stieg am stärksten in Wien (+12,7 Prozent) und Salzburg (+11,7 Prozent).

Die Arbeitslosigkeit in Wien ist im Dezember deutlich angewachsen. Die Zahl der beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkten Personen stieg um 13,7 Prozent auf 110.386. Bei den Schulungsteilnehmern gab es ein Plus von 12,7 Prozent auf 29.022. In Summe waren im Dezember somit um 13,5 Prozent mehr Menschen ohne Job als im Vergleichsmonat 2012, teilte das Wiener AMS am Donnerstag mit.

Nach Alter betrachtet waren vor allem ältere Wiener von Arbeitslosigkeit betroffen: Bei den Über-45-Jährigen wurde ein Plus von 18,8 Prozent verzeichnet. Im jüngeren Bevölkerungssegment fiel der Anstieg diesmal hingegen unterdurchschnittlich aus. Unterm Strich haben laut AMS-Aussendung mehr als die Hälfte der Wiener Arbeitslosen keinen oder nur einen niederen Schulabschluss.

Branchenspezifisch mussten vor allem die Hotellerie und Gastronomie (plus 15,1 Prozent), der Einzelhandel (plus 14,2 Prozent) und die Warenproduktion (12,7 Prozent) starke Zuwächse bei der Arbeitslosenrate hinnehmen. Am Bau - "Sorgenkind" der vergangenen Monate - wurde indes ein vergleichsweise moderater Anstieg von 8,1 Prozent verzeichnet.

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