So sieht die Zukunft auf vier Rädern aus

So sieht die Zukunft auf vier Rädern aus
Kraftfahrzeuge werden sauberer, günstiger, sicherer und intelligenter.

Das Automobil – für viele ein Segen, weil es Freiheit und Individualität verkörpert. Für andere ein Fluch, ein greifbares und alltägliches Symbol für Umweltzerstörung. Autogegner bekamen im Vorjahr massiv Auftrieb, als der Skandal um elf Millionen manipulierte Dieselautos von VW publik wurde. Sie stoßen weit mehr Abgase aus als erlaubt. Auch bei anderen Herstellern wurden Verstöße festgestellt.

"In ein paar Jahren wird der Skandal ein Stück weit als Wendepunkt einer längeren Entwicklung gesehen", erwartet Stefan Bratzelt, Chef des deutschen Center of Automotive Management. "Bei Behörden und Öffentlichkeit wurde klar, dass eine größere Regulierung notwendig ist." Doch auch abseits von Normen und Gesetzen wird sich in der Autobranche vieles verändern – hin zum Positiven.

Abgase

Der VW-Skandal zeigte die Probleme zwischen Test- und realem Betrieb auf. Dennoch: Die Abgaszahlen sinken – sowohl was Kohlendioxid (CO2) als auch Stickoxid (NOx) betrifft – seit vielen Jahren (siehe Grafik).

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Zudem müssen laut EU-Vorgabe die Abgase im Durchschnitt aller Modelle eines Herstellers weiter zurückgehen. Auch deshalb wird Elektromobilität zum wichtigen Faktor. Die emissionsfreien Autos reduzieren den Flottenverbrauch massiv. Die Zulassungszahlen der E-Autos steigen stetig, aber noch in überschaubarer Größe. Erst 7400 von 4,8 Millionen Pkw in Österreich werden elektrisch betrieben. Das Bild wird sich aber ändern. "Wir werden künftig in Städten vor allem E-Autos sehen", sagt Wolfgang Müller-Pietralla, Chef der Zukunftsforschung im VW-Konzern. Wann, könne er freilich noch nicht sagen.

Eine eher düstere Zukunft sagt Bratzelt dem Diesel voraus. Die Verkäufe werden stark zurückgehen, weil der Aufwand, um die sinkenden Grenzwerte einzuhalten, immer größer werde. Das werde die Dieselautos verteuern. Für ÖAMTC-Verbandsdirektor Oliver Schmerold hingegen wird es "neben Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellenantrieb den konventionellen Benzin- und Dieselmotor in immer effizienterer Bauweise weiterhin geben".

Jobs

Bis zu 33.900 Arbeitsplätze und 3,1 Milliarden Euro Wertschöpfung soll der Ausbau der E-Mobilität Österreichs Autobranche bis 2030 bringen, erwartet eine Studie für den Klima- und Energiefonds. Die konventionelle Autoindustrie falle indes gegenüber anderen Ländern zurück.

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Kosten

Auch wenn sich Autofahrer als Melkkühe der Nation fühlen: Abseits von Vignetten, Parkpickerln und teuren Werkstätten gibt es auch Ersparnisse, allen voran beim Treibstoff. Noch nie konnte gemessen am Einkommensniveau so billig getankt werden wie derzeit. Zudem verbrauchen die neuesten Modelle weitaus weniger Sprit.

Die Neuwagenpreise sind laut Analyse von auto-motor-und-sport seit 1995 um 60 Prozent gestiegen, die Löhne jedoch nur um rund ein Drittel. Aber: Es gibt jetzt Autos bereits ab 10.000 Euro zu kaufen. Und die Ausstattung ist umfangreicher als früher, ebenso sind die Fahrzeuge sicherer geworden.

Infrastruktur

Österreich hat (noch) das dichteste Tankstellennetz Europas. Das Autobahnnetz ist recht gut ausgebaut; die Zeiten, in denen die Südautobahn beim Wechsel geendet hat, sind vorbei. Die anschließende Fahrt auf der kurvenreichen Bundesstraße inklusive Speibsackerl Richtung Italien gehört schon lange der Vergangenheit an. Letzte Lücken im Autobahnnetz (rund um Wien und nach Osteuropa) werden in wenigen Jahren geschlossen sein. Im Falle einer Panne oder eines Unfalls sind dank Videoüberwachung, Handy und im Auto eingebauten Notfallsystemen Helfer früher zur Stelle.

Aufholbedarf gibt es bei der Infrastruktur für E-Autos. Mit öffentlichen Geldern sollte laut Schmerold in Forschung und Ladestationen investiert werden. Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) will im Herbst eine Förderstrategie vorlegen. Bis 2020 soll es die E-Ladestellen flächendeckend geben. Kaufprämien halten Experten als Anreiz für wenig wirksam. Für Bratzelt ist klar, dass die Hersteller noch viel Geld in die Batterientechnik stecken werden, um die Reichweite zu steigern und Kosten zu senken. "Mittel- und langfristig wird die Brennstoffzelle zur Alternative."

Teilen statt besitzen

Großes Zukunftsthema wird das Teilen. Das betrifft nicht nur Carsharing oder Leihräder. Auch die Hersteller beteiligen sich an Sharing- und Fahrtendienstanbietern, etwa BMW an DriveNow, VW an Gett, Toyota an Uber und Daimler an Blacklane. "Der Fahrzeugverkauf wird weniger wichtig", sagt Markus Gansterer vom Verkehrsclub Österreich. Der Autoverkehr und Fahrzeugbestand nehmen aber trotzdem zu: Vor zehn Jahren waren in Österreich 600.000 Pkw weniger unterwegs.

Selbstfahrend

Schon jetzt gibt es Fahrassistenzsysteme, die das Lenken erleichtern. Die Hersteller arbeiten darüber hinaus fieberhaft am selbstfahrenden Auto. Bisherige Tests waren ambivalent. Einerseits verliefen sie erfolgreich, andererseits gab es schon schwere Unfälle. "Man wird es technisch immer besser hinbekommen", ist Bratzelt sicher. Klar sei aber: Die Komplexität im Stadtverkehr ist viel höher, so dass autonomes Fahren auf Autobahnen beschränkt bleibe. "Unterm Strich werden aber viele Unfälle vermieden werden können."

Offen seien noch Haftungsfragen und ethische Belange der Programmierung: Wen etwa soll das automatisch gelenkte Auto in einer Gefahrensituation überfahren? Den Greis oder das Kind?

Vernetzung

Fahrzeuge werden künftig miteinander und mit einer Zentrale verbunden sein. Das soll helfen, Verkehrsflüsse zu optimieren, freie Parkplätze sowie Anschlussmöglichkeiten zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu finden und Schäden am Fahrzeug frühzeitig zu erkennen. "Entscheidend ist die Freiwilligkeit, denn jeder ist ortbar", so Müller-Pietralla.

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Weitere Teile der Serie:www.kurier.at/alles-wird-gut

„Ich bin davon überzeugt, dass es das Auto auch in 50 Jahren noch geben wird“, sagt VW-Zukunftsforscher Müller-Pietralla. Allerdings werde Mobilität anders aussehen, vor allem in Städten. „Sie wachsen enorm, wir werden mit dem Platz sorgfältig umgehen müssen.“ Es werde auf Dauer nicht möglich sein, dass alle in der Früh in die Innenstädte zum Arbeiten und abends wieder heim fahren. Emissionsfreie Fahrzeuge sowie der öffentliche Verkehr würden Vorrang haben.

Am Land hingegen bleibe das Auto das wesentliche Verkehrsmittel. VCÖ-Experte Martin Gansterer sieht hier vor allem im Freizeitverkehr große Herausforderungen. „Viele Ziele sind öffentlich schlecht angebunden. Und das Komfortbedürfnis ist vor allem bei Familien groß.“

Mehr zu Mobilitätskonzepten in Städten zeigt die aktuelle Ausstellung „Die Zukunft der Stadt“ im Wiener Technischen Museum.

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