So läuft ein europäisches Gipfeltreffen in Brüssel ab

So läuft ein europäisches Gipfeltreffen in Brüssel ab
In Minutenabständen fahren die gepanzerten Limousinen vor. Beim 15. Krisengipfel zeigt sich die Anspannung.

Sie kommen. In Minutenabständen fahren die gepanzerten Limousinen, begleitet von Motorradeskorten, vor. Die dunklen Wagen halten vor dem VIP-Eingang des Ratsgebäudes "Justus Lipsius". Zuerst fährt der amtierenden Ratspräsident vor, dann geht es nach dem Alphabet. Als Letzter kommt immer der französische Staatspräsident, er hat eine Sonderrolle.

Empfangen werden die EU-Granden vom Protokollchef des Rates. Der Posten ist seit Jahren in Händen Österreichs. Leopold Radauer, Protokollchef und stellvertretender Generaldirektor Salzburger Herkunft, begrüßt die Regierenden.

Beim 15. Krisengipfel zeigt sich die Anspannung. Gesprächig sind sie nicht, keine Bonmots. Die Lage ist zu ernst. Die Geräuschkulisse bilden klickende Fotoapparate und surrende Kameras. Alle Fernsehstationen Europas und die wichtigen der Welt sind hier versammelt.

Die Staats- und Regierungschefs samt Delegationen verschwinden im Foyer. Ein Lift, der nur für sie reserviert ist, bringt sie in den 5. Stock des Ratsgebäudes. Das ist absoluter Sperrbereich, nur die Staats- und Regierungschefs mit ihren Pin am Revers haben Zutritt.

Die Ansteckknöpfe sind aus Silber oder Gold, echt natürlich. Der Rest der Anwesenden im Ratsgebäude trägt Badges, Ausweise mit Namen, Foto und Barcode. Die Farben kennzeichnen die Gruppen und Sicherheitszonen. Die EU-Botschafter in Brüssel sind an kardinalroten Umhängern erkennbar. Die Delegationen erkennt man an der Farbe blau, die Journalisten tragen gelb.

 

Heiligtum

Im großen Sitzungssaal verhandeln die EU-Granden am ovalen Tisch in der Reihenfolge des Alphabets. Das ist das "Heiligtum der EU". Die Statements werden in allen 22 Sprachen gedolmetscht, jeder spricht seine Muttersprache. Was hier gesagt wird, dringt nicht nach außen. Einige "Anticis" stenografieren die Wortmeldungen, die Protokolle liegen danach 30 Jahre im Safe.

Paolo Massimo Antici war der Name des Protokollanten beim ersten Gipfel vor Jahrzehnten, als die Treffen noch gemütlich waren und die Regierungschefs vor dem Kamin mit Cognac und Zigarre plauderten. Die "Anticis" sind noch heute die einzige Verbindung zur Außenwelt. Braucht ein Regierungschef Zigaretten, Aspirin oder ein Dokument, holt es ein Antici. Selbst Telefonate mit den Ehefrauen erledigen sie. Nur sie dürfen den nationalen Anticis, die in einem Raum neben dem Sitzungssaal warten, Informationen geben. Das sind News, die dann als Eilt-Meldung um die Welt gehen.

Fünf Stockwerke entfernt von den EU-Granden warten die Medien-Vertreter auf Informationen. Bei diesem Gipfeln sind exakt 1891 Presseleute akkreditiert.

Abgeschirmt von draußen nehmen die Gipfelteilnehmer ihre Mahlzeiten ein. Gegessen wird im 8. Stock, häufig französisch mit edlen Tropfen: Der Rat verfügt über ein erlesenes Weindepot.

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