Skandal in Italien: Bio-Branche unter Schock

Skandal in Italien: Bio-Branche unter Schock
Die Lust auf Bio ist ebenso groß wie die Unsicherheit bei den Konsumenten. Das Kontrollsystem hat offenbar Lücken.

Anfang der Woche klickten in mehreren Städten Italiens sieben Mal die Handschellen. Polizeisprecher in Verona erklärten dann am Dienstag, man habe sieben mutmaßliche Fälscher von Bio-Lebensmittel verhaftet, darunter die Chefs von namhaften Zwischenhändlern.

Die Rohstoffe für die Lebensmittel wurden demnach über Tarnfirmen in Rumänien gekauft, dann wurden sie mit gefälschten Bio-Zertifikaten versehen und zu deutlich überhöhten Preisen über ein Großhändlernetz weiter verkauft.

Rumänien, Italien? Es scheint, als könnte das österreichischen Konsumenten egal sein. Sollte es aber nicht. Der Bedarf an Bio-Produkten ist inzwischen derart hoch, dass die heimische Produktion dafür schon lange nicht mehr reicht. Ohne Importe - u. a. aus Rumänien und Italien - geht schon lange nichts mehr.

Meldepflicht

In ersten Meldungen hieß es, dass die Waren der ins Visier der Fahnder geratenen Firmen Sunny Land, Sona und Bioecoitalia auch nach Österreich gelangt sind. Am Mittwoch erklärte dagegen ein Sprecher im Wiener Gesundheitsministerium, dass die italienischen Behörden an sich zur Meldung verpflichtet sind, bis dato aber noch keine Warnung für Österreich eingegangen sei.

Auch bei den großen österreichischen Handelsketten geht man in ersten Reaktionen davon aus, dass keine gefälschten Bioprodukte aus Italien in die eigenen Regale gelangt sind.

Peter Blazek vom Verein für Konsumenteninformation kündigt dennoch für die nächsten Tage eine Untersuchung an. Und mahnt gleichzeitig, die Kirche im Dorf zu lassen: "Man soll jetzt bitte Bio nicht verteufeln. Dennoch ist zu sagen, dass auch in dieser Branche Schindluder möglich ist." Der grüne Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber sieht hinter dem aktuellen Skandal ein Systemversagen. Der Fall in Italien offenbare Lücken im EU-Kontrollsystem. Pirklhuber schlägt eine lückenlose Nachvollziehbarkeit der Herkunft von Lebensmitteln vor. Mit den aktuellen Zertifikaten sei die Nachvollziehbarkeit nicht 100-prozentig gegeben, sagt der Grün-Politiker. Zwar gebe es europaweit einheitliche Kontrollregeln auf Basis der EU-Verordnung 834 / 2007, die Überwachung übernehmen aber die Zertifizierungsstellen in den Mitgliedsstaaten.

Herkunfts-Check

Sinnvoll wären Chargen-Zertifikate, auf denen nicht nur die Ware - zum Beispiel Getreide -, sondern auch die genaue Liefermenge in Tonnen und der Empfänger angegeben werden. Außerdem sollte die Anbaufläche des Herkunftsbetriebes in Hektar auf dem Etikett stehen, um die gelieferten Mengen für die Prüfer plausibel und nachvollziehbar zu machen.

Pirklhuber: "Die italienischen Behörden haben jetzt die Reißleine gezogen, denn aus Insider-Kreisen war schon länger bekannt, dass es zu Unregelmäßigkeiten auf dem italienischen Biomarkt gekommen ist."

Italien fällt nicht zum ersten Mal unschön auf. Konventionell erzeugtes Getreide aus Deutschland landete über den Umweg Italien schon einmal, vor ca. zehn Jahren, als Bio-Getreide in Österreich. "Es ist eine Katastrophe, wenn im Biobereich etwas passiert, das größte Potenzial ist unsere Glaubwürdigkeit", sagt Eva Straka vom Verband Bio Austria. Auch Konsumentenschützer Peter Blazek weist darauf hin, dass das Bio-Angebot für Konsumenten sehr unübersichtlich geworden ist. "Es ist schwierig, gefälschte Ware als solche zu erkennen."

Netzwerk: Wer die Bio-Qualität prüft

Staatliche Stellen 250 staatliche Lebensmittelkontrollore überwachen in Österreich die Sicherheit aller Lebensmittel - auch der Bioprodukte. In der EU müssen alle Bioproduzenten auch von einem zertifizierten Institut geprüft werden. Im Fall von Obst und Gemüse, das in Ost-Österreich in den Verkauf kommt und zu 70 Prozent auf dem Großmarkt Wien/Inzersdorf gehandelt wird, ist das Marktamt mit fünf Inspektoren vor Ort, um planmäßig oder auf Verdacht (auffällige Temperatur, Farbe) zu testen. 200.000 Tonnen Obst und Gemüse kommen jährlich aus Italien, davon sind 500 Tonnen Bio. Beanstandungen habe es in jüngster Zeit nicht gegeben, heißt es.

Handel Bei Spar gibt es eigene Qualitätssicherungsleute und man beauftragt Kontrollore über die gesetzliche Bio-Kontrolle hinaus. Nach diesem Prinzip überprüft auch Lidl seine Produkte: Zusätzlich zu den staatlichen Kontrollen führt man dort selbst regelmäßig Proben durch. Entsprechende Zertifikate und Quartalsgutachten liegen dem Unternehmen vor. Für die "Ja! Natürlich"-Linie von Billa und Merkur sind neun Qualitätsmanager zuständig, 2010 wurden 250 Betriebskontrollen im In- und Ausland durchgeführt.

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