Siemens-Chef für "mehr Flexibilisierung"

Siemens-Chef für "mehr Flexibilisierung"
Wolfgang Hesoun wünscht sich stabilere Verhältnisse in der Euro-Zone und mehr Spielraum in Österreich.

Konkret fordert der Top-Manager für Österreich eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Wegen drohender Einkommensverluste brauche es hier aber faire Lösungen. Hesoun ist auch Präsident der Wiener Industriellenvereinigung. Bildung, Forschung und die Steuerpolitik sind ihm weitere wichtige Anliegen zur Standortsicherung.

KURIER: Sie haben vor einem Jahr in einem Interview gesagt, die Politik müsse sich bei der Lösung der europäischen Schuldenkrise und bei der Euro-Rettung endlich beeilen ...

Wolfgang Hesoun: ... das ist schon zwei Jahre her ...

... sehen Sie Fortschritte?

Zu diesem Thema habe ich eine sehr klare Meinung. Die Entscheidung der EZB, auf dem Sekundärmarkt Anleihen zu kaufen, ist nichts anderes als das, was eine gemeinsame Refinanzierung auch tun sollte. Was wollen wir? Wir wollen möglichst nicht jedes Monat von einem anderen Land lesen, dass es durch Spekulanten in eine Lage getrieben wird, in der es wirtschaftlich nicht leben kann. Das Ziel kann nur sein, stabilere Verhältnisse zu schaffen. Mit vielen kleinen Schritten sind wir jetzt schon fast dort. Das hat uns sehr viel Geld gekostet und die Frage stellt sich schon, warum das nicht schneller gegangen ist.

Glauben Sie, dass die Euro-Zone bleibt, wie sie derzeit ist?

Ich sehe keine Verbesserungspotenziale, wenn dem nicht so wäre. Ein Austritt eines Landes würde zusätzliche Unruhe ins System bringen und nichts lösen. Wir werden langfristig wieder Wachstumsraten erzielen müssen, um für unsere Budgets Lösungen zu finden.

Wird es für diese Lösungen stärkere Eingriffe der EU in nationale Haushalte geben müssen, auch wenn Brüssel dafür nicht wirklich demokratisch legitimiert ist?

Mit demokratischer Legitimation in diesem Zusammenhang tu’ ich mir ein biss’l schwer. Welche demokratische Legitimation haben die Spekulanten, ganze Staaten in den wirtschaftlichen Wahnsinn zu stürzen? Und bei den Gegenmaßnahmen fragt man dann nach der demokratischen Legitimation. Wichtig ist, dass die Maßnahmen wirken und im Konsens erfolgen. Man muss ja sehen, dass die Situation auch künstlich herbeigeführt wurde, da verdienen ja auch Leute dran.

Das klingt aber jetzt so, als wären die Spekulanten schuld und nicht die Schuldenpolitik ...

Da muss man abgrenzen. Wenn ich sage, die Refinanzierung der Schulden wird künstlich in unfinanzierbare Höhen getrieben, dann hat das nur bedingt mit der Basisschuld zu tun. Schauen Sie sich an, wie die USA funktionieren, dort schleppt man mehrere Griechenlands mit. Und das hat überhaupt keine Auswirkung auf die Refinanzierung der USA. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht auch in Europa funktioniert. Das enthebt aber die Staaten nicht des sorgfältigen Umgangs mit ihrem Budget. Wir müssen beides tun: Verhindern, dass Spekulationen die Schuldenfinanzierung verteuern und andererseits den Druck auf jene Länder erhöhen, mit vernünftigen Sparmaßnahmen die Schulden zu senken.

Da wird aber nicht nur über sinnvolle Maßnahmen diskutiert.

Es hilft Griechenland zum Beispiel überhaupt nichts, wenn Menschen ohne Beschäftigung sechs Tage lang nicht beschäftigt sind. Was soll eine Sechs-Tage-Woche zur Verbesserung der Staatsschulden bringen? Man setzt ein Land politisch mit einem Vorschlag unter Druck, der keine Relevanz hat und den sozialen Frieden gefährdet. Auch der Gerechtigkeitsansatz bringt nichts. Was hilft’s, darüber zu lamentieren, dass Griechenland Geld statt in Strukturreformen in die Löhne gesteckt hat – und dabei stirbt der Sünder weg.

Sie sind seit dem Sommer Präsident der Wiener Industriellenvereinigung. Die IV fordert eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die Unternehmen setzen aber, glaubt man der Gewerkschaft, die bereits möglichen Modelle gar nicht um ...

Die Industriellenvereinigung macht Vorschläge, wie man den Produktionsstandort Österreich und Wien ganzheitlich erhalten kann. In der Krise 2009 hat sich gezeigt, dass sich nur jene Länder wieder rasch erholt haben, die die Menschen im Arbeitsprozess halten konnten, etwa durch Kurzarbeit. Die Arbeitszeitflexibilisierung ist ein wichtiges Thema, aber auch nur ein Teil der Gesamtsicht. Ich überlasse die Details gerne den Verhandlern.

Sind die Arbeitszeiten nicht flexibel genug?

Nein, ich wünsche mir mehr Flexibilisierung. Im Projektgeschäft sind die täglichen Höchstarbeitszeiten oft ein Problem. Bei ungeplanten Spitzen kann es zu Grenzfällen kommen und wir wollen unsere Mitarbeiter aber nicht in eine schwierige Position gegenüber dem Gesetzgeber bringen.

Mehr Flexibilisierung heißt weniger Einkommen, weil Überstundenzuschläge wegfallen.

Ich verstehe die Sorgen der Gewerkschaft. Letztlich leben wir von der Qualität und dem Einsatz unserer Mitarbeiter. In dieser Diskussion muss eine faire Lösung gefunden werden.

Wie beurteilen Sie generell das industriepolitische Klima in Österreich?

Ich würde das nicht nur auf die Industrie reduzieren. Damit Österreich als Unternehmensstandort attraktiv bleibt, sind einige Verbesserungen notwendig. Ein weiteres Abrutschen in der Bildung fördert nicht die Qualität unserer zukünftigen Mitarbeiter. Und die Reduzierung der Forschung führt nicht dazu, dass sich Unternehmen im konzerninternen Wettbewerb vorwärtsentwickeln.

Wie zufrieden sind Sie mit den derzeitigen Rahmenbedingungen?

Sie sind gut, aber punktuell ausbaubar. So ist zum Beispiel die Steuerpolitik immer wieder ein Faktor im Standortwettbewerb.

Wie sehen Sie die Diskussionen über die Staatsholding ÖIAG?

Man tut dem neuen ÖIAG-Chef Kemler unrecht, ihn als Handlanger der Industriellenvereinigung zu bezeichnen. Grundsätzlich ist es wichtig, dass der Staat seine Beteiligungen effizient führt und seine Verantwortung als Eigentümer trägt. Das Wie überlasse ich all jenen, die die das zu verantworten haben.

Zur Person: Wolfgang Hesoun

Karriere Der 52-jährige HTL-Ingenieur – verheiratet, 1 Sohn – startete seine berufliche Laufbahn 1982 in der Siemens Kraftwerk Union in Deutschland. 1988 wechselte der Neffe des ehemaligen Sozialministers Josef Hesoun zum Baukonzern Porr. 2003 zog er in den Porr-Vorstand ein, 2007 wurde er Generaldirektor. Seit 2010 ist er Chef von Siemens Österreich (und des gesamten Osteuropa-Geschäfts). Siemens setzt in Österreich mit knapp 15.000 Mitarbeitern rund 2,5 Mrd. Euro jährlich um.

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