Siegfried Wolf: Abgesägt?

Streckt sich nach dem ÖIAG-Chefsessel: Siegfried Wolf
Übers Parlament will die Politik in letzter Sekunde verhindern, dass der in Russland engagierte Top-Manager Siegfried Wolf an die Spitze der Staatsholding gelangt.

Der Mann polarisiert, kein Zweifel. Siegfried Wolf, 57, einer der mächtigsten Manager Europas, hat gute Chancen, im Sommer vom Vize zum Aufsichtsratspräsidenten der Staatsholding ÖIAG aufzusteigen. Spät, aber doch hat das auch die Politik überrissen. Die Furcht vor dem "bösen" Wolf ist beiden Regierungsparteien heftig in die Knochen gefahren.

Die ÖIAG gehört zwar dem Bund und hält die Staatsanteile an den Flaggschiffen Telekom Austria, Post und OMV. Doch die Politik kann nichts entscheiden, hat aber die Verantwortung. Finanzminister Michael Spindelegger, ÖVP, kann nicht einmal die Besetzung der Kapitalvertreter im Aufsichtsrat beeinflussen. Das Gremium erneuert sich selbst, ein Relikt aus der Koalition Schüssel/Grasser. Heißt, die Aufsichtsräte suchen sich ihre Nachfolger nach ihrem eigenen Geschmack aus. Die Idee war, damit die Politik aus der Staatsholding draußen zu halten. Das Experiment ging leider schief, denn fast alle Aufsichtsräte sind geschäftlich und/oder freundschaftlich miteinander verbunden.

Der Autoindustrielle Peter Mitterbauer (Miba), der sich im Sommer auf der Hauptversammlung als Vorsitzender zurückziehen wird, kündigte an, Wolf als seinen Nachfolger vorzuschlagen. Der ehemalige Top-Manager von Magna, langjähriger Wegbegleiter von Frank Stronach, sitzt in leitender Position im Konzern des russischen Oligarchen Oleg Deripaska und ist an zwei Unternehmen des Mischkonzern Basic Element beteiligt. Vor allem seine Nähe zu Wladimir Putin sorgt in der österreichischen Politik für Unbehagen.

Wie aber Wolf verhindern? Das funktioniert nur über eine Änderung des ÖIAG-Gesetzes, mit dem Schwarz-Blau das Aktiengesetz überdribbelte. Zwar wäre auch nach dem ÖIAG-Gesetz eine Abberufung von Aufsichtsräten möglich, doch nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe. Da müssten schon grobe Pflichtverletzungen oder die Unmöglichkeit der Amtsausübung passieren – wovon bei Wolf nicht die Rede sein kann.

Die Grünen nehmen jetzt einen Anlauf, das ÖIAG-Gesetz in letzter Sekunde auszuhebeln. Das hatte die Regierung im Rahmen einer Aufwertung der ÖIAG zur großen Standortholding ohnehin vor, aber Rot und Schwarz konnten sich bis dato nicht einmal auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, sodass alles blockiert war. SP-Bundeskanzler Werner Faymann startete nun einen neuen Versuch, die ÖIAG neu doch noch auf Schiene zu bringen, der KURIER berichtete. Man darf gespannt sein.

Wenn sich aber vor der Sommerpause noch etwas bewegen soll, drängt die Zeit. Die Grünen versuchen es mit Anträgen im Parlament. Der Abgeordnete Peter Pilz wird kommende Woche einen Initiativantrag einbringen. Die Hauptversammlung , in diesem Fall der Finanzminister, soll Aufsichtsräte vorzeitig abberufen können. Begründung im Antrag: "Die vorgesehene Stärkung der Abberufungsmöglichkeit von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung der ÖIAG ist als Korrektiv zur Wahrung der Interessen der Republik angesichts des bestehenden Systems der Selbsterneuerung des Aufsichtsrates erforderlich geworden".

"Wer kann garantieren, dass die nächsten strategischen Investoren in den ÖIAG-Beteiligungen nicht russische Oligarchen sind? Wir brauchen keine Oligarchen-Holding, die ÖIAG ist eine Holding der Republik", holt Pilz gegen Wolf und seine Aufsichtsratskollegen aus. Die Selbsterneuerung sei "das letzte Grasser-Erbe, das wir noch bewältigen müssen". Er wolle keine Rückkehr zum alten Proporz, "aber der Staat als Eigentümer muss seine Rechte und seine Verantwortung wahrnehmen". Österreich habe genügend gut qualifizierte Manager, "wir sind nicht auf Sigi Wolf & Co. angewiesen".

Die Grün-Politikerin Gabriela Moser kommt mit einem Entschließungsantrag auf eine Novellierung des ÖIAG-Gesetzes. "Der sich selbst erneuernde Aufsichtsrat der ÖIAG führte nicht zu einer Entpolitisierung, sondern zu einem Klüngel aus Verwandten und Bekannten aus dem Industrie-Umfeld", argumentiert Moser. Der Aufsichtsrat solle wie üblich durch den Eigentümer besetzt werden.

Die grüne Initiative stößt sowohl bei SPÖ als auch bei ÖVP auf viel Sympathie. "Grundsätzlich positiv, aber die Details muss man sich erst anschauen", will sich Klubchef Andreas Schieder noch nicht festlegen, ob sich die SPÖ den Anträgen anschließt. In Spindeleggers Umfeld hält man die Aktion von Pilz und Moser für durchaus sinnvoll, aber eine gemeinsame Vorgehensweise kann man sich dann doch nicht vorstellen. Die ÖVP habe noch nie Anträge der Opposition unterstützt. "Möglicherweise machen wir noch schnell selbst was", hört man von schwarzen Parlamentariern. Die entscheidende Hauptversammlung, die Mitterbauer für den 26. Juni ansetzte, wurde wie berichtet verschoben. Voraussichtlich auf August.

Nicht nur die Regierung und die Grünen werfen dem Aufsichtsrat prinzipielles Versagen vor. Auch in Wirtschaftskreisen wird nach wie vor laut darüber gelästert, dass der Syndikatsvertrag mit America Movil für die Telekom beinahe geplatzt wäre. Weil bei der entscheidenden Sitzung zu wenig Kapitalvertreter anwesend waren. "Nach so einer Blamage müsste eigentlich der gesamte Aufsichtsrat zurücktreten", war am Donnerstag Abend beim Sommerfest der Wiener Industriellenvereinigung im Kursalon Hübner oft zu hören.

Freilich hätte eine Gesetzesänderung, wie immer sie auch zustande kommt, einen unschönen Beigeschmack. Handelt es sich doch um Anlassgesetzgebung in letzter Sekunde. Irgendwie ein Armutszeichen, wenn sich die Politik nicht mehr anders zu helfen weiß als mit der Gesetzeskeule. Und es fragt sich, ob Wolf bei dem ganzen Theater, das sich seit Monaten um die ÖIAG abspielt, überhaupt noch Lust auf die Position hat. In einem Gespräch mit dem KURIER vergangene Woche wollte er sich nicht festlegen, sprach aber von einer "ehrenvollen Aufgabe".

In Polit-Kreisen wird in Zusammenhang mit der ÖIAG noch über ein ganz anderes Thema diskutiert. Die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich sitzt auf einem knapp 15-prozentigen Anteil an der Voest. Man stritt sich monatelang mit der Finanzmarktaufsicht, ob das Stahlpaket von den regulatorischen Eigenmitteln abzuziehen sei. Die Aktien sind nach aktuellem Börsekurs mehr als 850 Millionen Euro wert. Die RLB OÖ obsiegte zwar, doch im Herbst steht die Entscheidung der europäischen Bankenaufsicht an. Die Oberösterreicher gelten nämlich als systemrelevant und müssen am aufwendigen EU-Bankenstresstest teilnehmen. Sollte die EU-Aufsicht gegen die Bank entscheiden, hätten SPÖ-Kreise und einige wirtschaftsnahe VPler die Lösung schon parat. Um den Verkauf ins Ausland zu verhindern, sollte die ÖIAG den Voest-Anteil übernehmen. Womit ein Teil des börsenotierten Stahlkonzerns wieder in seine frühere Heimat zurückkehren würde – unter das Dach des Staates.

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