Semperit will 2018 mit neuer Strategie in den Markt gehen

Semperit will 2018 mit neuer Strategie in den Markt gehen
Laut Semperit-Chef Füllenbach braucht das Unternehmen eine Transformation, um wieder zu Wachstum und Profitabilität zu kommen.

Der börsennotierte Gummiverarbeiter Semperit braucht eine Transformation, um wieder zu Wachstum und mehr Profitabilität zu kommen. Derzeit sei das Unternehmen zwar eines der großen in der Branche, für seine Größe aber zu breit aufgestellt, analysiert Martin Füllenbach, seit fast vier Monaten Chef des Unternehmens. Die meisten großen Konkurrenten seien auf eine Kernaktivität spezialisiert.

Semperit hat die vier Geschäftsfelder Sempermed für Medizinprodukte, insbesondere Gummihandschuhe, Sempertrans für insbesondere Fördergurte, Semperflex für insbesondere Hydraulikschläuche und Semperform für eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte. Mit der Reifenmarke Semperit hat das Unternehmen schon lange nichts mehr zu tun - die Reifenmarke steht seit 1985 im Besitz der deutschen Conti, die Produktion in Österreich wurde von Conti 2002 eingestellt.

Neue Strategie 2018

Füllenbach hat eine Ausschreibung für Berater gestartet und hofft "im 1. Halbjahr 2018" mit einer neuen Strategie in den Markt gehen zu können. Alle Optionen würden geprüft, sagte er am Dienstag vor Journalisten. Ziel sei es, zu wachsen und das vorhandene Know-how für "intelligente Gummiprodukte" zu nutzen. Füllenbach verweist auf die 270 Ingenieure im Unternehmen, die in der Lage seien, High-Tech-Produkte zu entwickeln und zu produzieren. Zu oft setze Semperit derzeit aber noch auf "dumme" Gummiprodukte. "Für mich geht Wachstum von Markt- und Technologiekompetenz aus", sagt dazu Füllenbach.

Semperit sei in den letzten Jahren "die dreispurige Autobahn heruntergefahren", aber was daneben lag, sei als Brachland nicht genutzt worden. "Das Unternehmen ist im Heute nicht angekommen und für morgen nicht richtig aufgestellt", so die Diagnose. So sei man auch noch ein analoges Unternehmen und nicht für Industrie 4.0 bereit. Füllenbach will auch das Unternehmens"paradigma", nicht für die Autoindustrie zu produzieren, brechen. Das sei aus historischen Gründen verständlich, aus heutiger Sicht aber Unsinn. Rund um das Auto gebe es sehr viele Chancen. Vom Fensterprofil zum Autoprofil sei es beispielsweise nur ein kurzer Weg, die Verbindung von Kautschuk mit Metall beherrsche sein Unternehmen gut.

Ziel sei es, komplexe Produkte, die man erklären muss, herzustellen und sich damit von Konkurrenten zu unterscheiden. "Ich mag das anspruchsvolle Produkt", wo man die Marke nutzen könne. Semperit wird 2024 200 Jahre alt sein. Auch in der Nische fühle er sich wohl: "Ich mag die erklärungsbedürftige, profitable Nische". Als Maßstab (Benchmark) nennt Füllenbach die schwedische Firma Trelleborg und sieht in seiner Mannschaft eine große Bereitschaft, den "Reset-Knopf" zu drücken. Füllenbach räumt ein, dass er "die DNA des Unternehmens ein Stück weit verändern" müsse.

Grundsätzlich habe er "unlimitierte Freiheit im Denken", das unterstütze auch der Mehrheitseigentümer (B&C-Holding). Daher sei es sowohl denkbar, Unternehmen zuzukaufen als auch Geschäftsteile abzustoßen. Schließen von Unternehmensteilen sei hingegen kein Thema. Ausnahme ist die Produktion im französischen Argenteuil, für die Semperit bereits im Juni bekanntgegeben hat, dass eine Schließung geprüft werde. Es gehe nicht um Gesundschrumpfen, sondern um die Suche nach Wachstumsoptionen.

Seine eigene Aufgabe liege in der Führung. "Der Großteil meiner Arbeit liegt in der Kommunikation" fasst der ehemalige Offizier (Hauptmann) der deutschen Bundeswehr seine ersten Monate in Wien zusammen. Führen und Entscheidungen treffen habe er als Offizier schon als junger Mensch gelernt. Er müsse den Menschen Ängste nehmen. Selbst falls es zu einer Trennung von einzelnen Geschäftsbereichen kommen sollte, heiße das nicht Mitarbeiterabbau. Manche Geschäfte könnten in einem anderen Umfeld besser laufen, betont er.

Problemkind Sempertrans

Die größte "Schieflage" sieht Füllenbach in der Sparte Sempertrans, mit rund 17 Prozent des Umsatzes der kleinste der vier Bereiche. Hier wirkten sich steigende Rohstoffpreise aus, der Markt sei sehr zyklisch, die Kundenstruktur auf Europa konzentriert. "60 Prozent unseres Geschäftes im Trans-Bereich befasst sich mit der Beförderung von fossilen Brennstoffen". Angesichts der Energiewende sei das kein zukunftsträchtiges Geschäft.

Auch im Bereich Sempermed, der etwa 40 Prozent des Umsatzes beisteuert, sieht Füllenbach Handlungsbedarf. Das Hauptgeschäft entfällt auf medizinische Handschuhe. Er ziehe auch in Zweifel, dass Sempermed Kern der Semperit ist - der Bereich sei erst mit der Zeit so groß geworden. Viel zu sehr werde hier auf "Commodities" gesetzt, also auf Produkte, die ohne besonderes Alleinstellungsmerkmal auch von anderen in großer Menge erzeugt werden können.

Semperflex,wo insbesondere Hydraulikschläuche hergestellt werden, attestiert Füllenbach "ein hochprofitables Geschäft" mit voll ausgelasteter Produktion und einer speziellen Marktstellung. Entsprechend werde auch im Werk in Tschechien investiert. Hier erwirtschaftet Semperit knapp ein Viertel des Umsatzes.

Semperform, wo knapp ein Fünftel des Umsatzes (18 Prozent) gemacht wird, sei zwar "sehr kleinteilig", aber "mit tollen Produkten". Insbesondere bei Fensterprofilen erzeuge Semperit bereits Produkte mit Alleinstellungsmerkmalen. "Wenn ich heute auf die Semperit draufschaue, ist für mich die Semperform möglicherweise der Nukleus für das große Semperit von morgen", so Füllenbach. Die Firma habe "unheimlich viel Prozess- und Werkstoff-Know-how" und könne Dinge herstellen, die andere nicht erzeugen können.

Für das Jahr 2017 geht Füllenbach von schwarzen Zahlen im operativen Geschäft aus, die Gewinnmarge (EBIT) liege mit 1,8 Prozent aber wesentlich niedriger als bei Konkurrenten, die auf bis zu 15 Prozent kommen. Angesichts dieser Lage müsse man die Ausschüttung einer Dividende "überprüfen". Semperit ist an der Börse notiert, hat aber mit der B&C-Holding einen Mehrheitsaktionär, der rund 54 Prozent am Unternehmen hält. 40 Prozent liegen in den Händen institutioneller Anleger, gut fünf Prozent beim US-amerikanischen Investitionsberater FMR co inc mit Sitz in Boston.

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