Untreue-Verdacht: Strafprozess gegen zwei frühere Manager von Siemens Österreich

Prozess um die letzten Ausläufer der Siemens-Schwarzgeldaffäre
Brisante Gerichtsverhandlung gegen zwei frühere Siemens-Manager startet am 20. Juni in Wien. Ex-Siemens-Managerin Brigitte Ederer führt die Zeugenliste an.

Auf 73 Seiten breiten die zwei Oberstaatsanwälte Angelika Nußbaumer und Gregor Adamovic von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Anklagevorwürfe aus, 50 Zeugen werden vor Gericht geladen. Als erste Zeugin ist die frühere Siemens-Personalchefin Brigitte Ederer an der Reihe. Dieser Untreue-Prozess gegen zwei frühere Manager der Siemens Österreich AG verspricht viel Spannung. Am 20. Juni müssen sie sich vor dem Straflandesgericht Wien im Zusammenhang mit dem Mega-Schwarzgeld-Skandal verantworten, der Mitte der 2000-er Jahre Deutschland und halb Europa erschütterte. Die Verhandlung wird laut APA von Richterin Claudia Moravec-Loidolt geleitet.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft einem früheren Prokuristen und späteren Finanzvorstand von Siemens Österreich und einem früheren kaufmännischen Leiter von zwei Siemens-Österreich-Bereichen vor, von November 2001 bis Dezember 2010 durch die Freigabe und Zahlungsanweisungen von Scheinrechnungen der Siemens Österreich AG einen Vermögensschaden in Höhe von 17,245 Millionen Euro (exakt 17.245.503.16 Euro) zugefügt zu haben. Dem Vernehmen nach werden die Vorwürfe bestritten.

Die Anklage im Detail

Das System der Bildung sogenannter schwarzer Kassen zur Bezahlung von "Nützlichen Aufwendungen", sprich Bestechungsgeldern, war im Siemens-Konzern der 1990-er Jahre offenbar üblich.

"Um entsprechende Gelder zur Verfügung zu haben, deren Herkunft verdeckt werden konnte, wurden sowohl zum Nachteil von Siemens Deutschland als auch der Siemens Österreich AG Scheinverträge abgeschlossen, denen keine tatsächlichen Leistungen gegenüberstanden, so dass entsprechende Rechnungen für Provisionen dieser "Scheinfirmen" in die offizielle Buchhaltung einfließen und von der Konten des Siemens-Konzerns bezahlt werden konnten", heißt es in der Anklageschrift. "Die Scheinverträge mit den angeblichen Beratern trugen meist die Bezeichnung Business Consultant Agreements, aber auch Agency Agreement oder Commission Agreement."

Der wirtschaftlich Berechtigte solcher Domizilgesellschaften soll der 2008 verstorbene Roland K. gewesen sein, oder andere in Bosnien ansässige Gesellschaften, die aber keinerlei Beratungstätigkeit entfalteten. K. starb bei einem "Jagdunfall ohne Fremdeinwirkung". Angeblich bestanden zwischen Siemens Österreich und den unbekannten Geldempfängern keine vertraglichen Beziehungen.

"Denn die aus der Buchhaltung herausgelösten Gelder unterlagen der ausschließlichen Kontrolle unternehmensfremder Personen", heißt es in der Anklageschrift weiter. " Soweit die Gelder nicht ohnehin zur Deckung der Kosten für die Errichtung und Aufrechterhalten der verdeckten Kassen selbst dienten, fand auch im Zuge ihrer späteren Verwendung (...) kein Rückfluss in den Vermögenstand der Siemens Österreich AG statt. Ab dem Abfluss der Gelder war die Kontrollmöglichkeit durch die Organe der Siemens Österreich AG oder untergeordneter Einheiten ausgeschlossen. Die Herkunft der Gelder wurde vielmehr durch Weiterüberweisung immer weiter verschleiert. Schließlich entschieden alle die Hintermänner der Briefkastenfirmen (...) über die Verwendung dieses Vermögens."

So sollen zwischen 2001 und 2005 über Scheinverträge 2,209 Millionen Euro an eine Gesellschaft in Singapur überwiesen worden sein, ein ehemaliger Siemens-Mitarbeiter kassierte dabei vier Prozent Provision.

Briefkastenfirma auf Belize

Die Kontrolle der auf Zypern ansässigen Scheinfirmen soll Roland K. übernommen haben, der einen der Angeklagten schon aus Studienzeiten kannte. So sollen zwischen 2001 und 2005 insgesamt 79 Rechnungen von der zypriotischen C.E.C.S. Limited in Höhe von insgesamt 7,096 Millionen Euro gelegt worden sein. Grundlage dafür sollen Scheinberatungsverträge " im Bereich der Republik Serbien und Montenegro" gewesen sein. Von Jänner 2004 bis September 2006 sollen "in vielen Teilüberweisungen insgesamt 5,590 Millionen Euro an eine weitere von Roland K. gelenkte Scheinfirma, die Sharkos Company S. A. mit Sitz in Belize gegangen sein.

Vor dort gingen die Gelder überwiegend an die Springhurst Investments Limited, der Geldfluss soll aber schließlich bei einer Valueadd Foundation mit Sitz in Panama gelandet sein, deren wirtschaftlich Berechtigter der erste Angeklagte sein soll. Bei dieser Foundation sollen 2,932 Millionen Euro auf einem Konto bei der Bank Julius Bär & Co AG in Zürich sichergestellt worden sein. Geht es nach der WKStA, so soll es sich dabei um Kick-Back-Zahlungen gehandelt haben.

"Es gab auch mehrere Überweisungen auf österreichische Konten, wobei die Inhaber das Geld jeweils bar behoben und an Roland K. übergaben", heißt es weiter. Gute 20 Seiten lang listet die WKStA die inkriminierten Überweisungspfade auf. Name für Name, Betrag für Betrag.

Alles ganz anders - Vorwürfe bestritten

Der erste Angeklagte weist alle Vorwürfe zurück. Er räumte zwar ein, wirtschaftlich Berechtigter der Valueadd zu sein, aber erklärt laut WKStA, dass davon rund zwei Millionen Euro " von der Eintreibung von Forderungen seines Vaters bei russischen Schuldnern herrührten, wobei der ehemalige serbische Premier Zoran Djindjic über Mittelsmänner dabei behilflich gewesen sei". Weiter 200.000 bis 300.000 Euro würden von einem anderen Schweizer Konto stammen und beim Rest handle es sich um Zinsgutschriften.

Der zweite Mann

Auch der zweite Angeklagte weist alle Vorwürfe von sich. Provisionen seien nur im Erfolgsfall ausbezahlt worden. Und dabei sei es im Wesentlichen auf die Zahlung der Kunden angekommen. Ein Leistungsverzeichnis sei nie verlangt worden. "Teilweise hätten sich die Berater sogar geweigert zu berichten, was sie konkret gemacht hätten. Trotzdem sei er sich sicher, dass es ohne die Berater nicht zu einem Auftragszuschlag gekommen wäre", heißt es in der Anklageschrift weiter. "Die Zuordnung der Rechnungen zu den einzelnen Projekten habe er vorgenommen (...) Bei der Überprüfung habe er von den Projektleuten erheben lassen, ob der Kunde bezahlt habe. Wenn das der Fall gewesen sei, habe er auch die Rechnung der Berater freigegeben, weil der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden sei."

Den verstorbenen Strippenzieher Roland K. kannte er als guten Netzwerker, dass "dieser im Zusammenhang mit den zypriotischen Beratergesellschaften stand, könne er sich nicht erklären und entsprechende Ermittlungsergebnisse seien völlig überraschend".

Wo ist das restliche Geld geblieben?

Trotz enormen Ermittlungsaufwandes konnte deren endgültiger Verbleib nicht geklärt werden. Laut Anklage soll der Steirer sich auch unrechtmäßig bereichert haben. Die Staatsanwaltschaft hat die Abschöpfung von 2,932 Millionen Euro beantragt. Der mittlerweile verstorbener Nutznießer und mutmaßliche Beitragstäter Roland K. soll sich um 3,331 Millionen Euro bereichert haben. Mit der dauerhaften Vermögensentziehung begründet die Staatsanwaltschaft den Eintritt des Untreue-Schadens.

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