Schwarz: "Leidensdruck führt zu Reformen"

Avenir Suisse
Der Chef der Schweizer Denkfabrik „Avenir Suisse“ über die fehlende Liberalität in Österreich

Der Österreicher Gerhard Schwarz, Direktor von Avenir Suisse, meint, dass Schutzbestimmungen den Schützenden schaden.

KURIER: Spielte die „Avenir Suisse“ bei der Geburt der wirtschaftsliberalen Agenda Austria eine Rolle? Gerhard Schwarz: Die Idee hatte Christoph Kraus (Ex-Chef der Kathrein Bank), den ich schon seit Jahren kenne, ebenso wie Franz Schellhorn (Ex-Wirtschafts-Chef der „Presse“). Als geborenem Österreicher ist es mir nicht gleich, was in Österreich abläuft. Ich wollte meine Erfahrung in die Sache einbringen.

Die Förderer der “Avenir Suisse“ sind großteils Schweizer Konzerne. Liegt es nicht nahe, als Interessenvertreter der Multis und der Industrie dazustehen?

Die „Avenir Suisse“ ist ja kein Geheimklub. Ein liberaler, marktwirtschaftlicher Think Tank muss kommunizieren und sicherstellen, dass er unabhängig von seinen Geldgebern ist, sonst schadet es seiner Reputation. Zwei weltbekannte Pharmaunternehmen haben nach fünf Jahren die Unterstützung nicht erneuert, da sich die „Avenir “ für Parallelimporte bei Pharmaprodukten ausgesprochen hat. Wir haben unsere Haltung nicht geändert. Dadurch gewannen wir aber andere Betriebe.

Eine gut funktionierende Sozialpartnerschaft hat auch in der Schweiz einen hohen Stellenwert. Der wesentliche Unterschied ist der liberalere Arbeitsmarkt. In Österreich ist die Sozialpartnerschaft eher eine unheilige Allianz. Ein Aufbrechen wäre ohne Zweifel zum Nutzen des gesamten Landes – auch der Arbeitnehmer. Es ist schwierig in die Köpfe hineinzubringen: Aber die Schutzbestimmungen schaden den zu Schützenden. In der Schweiz ist es uns gelungen, den Respekt des weltanschaulichen Gegners zu bekommen. Mit Studien gut untermauerte, fundierte Ideen wurden sogar von der SP aufgegriffen.

Wie groß ist die Versuchung, Forschungsergebnisse zu steuern, wie man sie haben will?

Wir agieren unabhängig. Aber eine wertfreie Forschung gibt es nicht.

Welche Ziele kann die „Agenda Austria“ Ihrer Meinung nach mittelfristig erreichen?

Resultate sieht man vielleicht nach zehn oder fünfzehn Jahren. Das politische System in Österreich ist wahrscheinlich noch wesentlich reformresistenter und weniger offen für liberale Ideen. Der Vorteil in Österreich ist der größere Leidensdruck. Leidensdruck führt eher zu Reformen – da lässt sich leichter etwas kommunizieren. So gesehen ist die Schweiz ein schwieriges Terrain.

Wie kann die „Avenir Suisse“ in der Schweiz Einfluss geltend machen?

Wir versuchen eine Denkhaltung und langfristige Dinge anzusprechen. Auf Wählerstimmen müssen wir nicht achten, unsere Haltung nicht verkaufen. Wir helfen zu enttabuisieren. Dann kann eine Partei leichter ein Thema aufnehmen. Schweizer Regierungsmitglieder laden uns oft zu Hintergrundgesprächen ein und fordern uns auf, unsere Position darzustellen. Nehmen wir die Erhöhung des Rentenalters: Unsere Aufgabe ist es, die Leute mit der Realität zu konfrontieren.

Ist Großbritannien die letzte liberale Bastion?

Nein! Denn Großbritannien hat zwei starke Parteien – Sozialisten und Tories (Konservative): Beide sind staatsgläubig. Die Liberalen hingegen trauen dem Individuum viel an Eigenverantwortung zu, stehen insofern der staatlichen Steuerung skeptisch gegenüber. Der Staat ist bei uns in der Schweiz kein Feindbild, aber letztendlich sind der Staat, die Wirtschaft, die Gesellschaft wir alle.

Gibt es abseits des rechten Spektrums Liberalismus?

Für mich gibt es nicht links- oder rechtsliberal. Liberal ist liberal. Es ist völlig unsinnig, liberal und rechts in einen Topf zu werfen. Es gibt Jene, die mehr kollektiv lösen wollen und eben Jene, die mehr individuell lösen wollen. Die rechten Parteien betonten geschichtlich immer das Kollektiv. Was aber zählt, ist die Eigenverantwortlichkeit des Individuums, die Hochhaltung des Privateigentums. Es wird auf Wettbewerb und auf Freiwilligkeit im Zusammenleben der Menschen gesetzt. Politisch sich liberal zu geben und wirtschaftlich nicht, ist ein Widerspruch im Handeln.

Was sagen Sie zur Geldschwemme? EZB und Fed behaupten, es sei steuerbar, den Geldhahn rechtzeitig zurückzudrehen.

Das sagen sie in den öffentlichen Deklarationen, weil man das Volk beruhigen möchte. Sie glauben, selbst wenn man an Grenzen geht, lässt sich das schon irgendwie bewerkstelligen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie wir aus dieser Schwemme an Geld einen geordneten Weg herausfinden. Steigen die Notenbanker auf die Bremse, wird der politische Druck enorm. Der Politik fehlt der Mut – sie wird versuchen, Einfluss zu nehmen. Ich gehöre zu jenen, die eine Inflationsgefahr für wahrscheinlicher halten als Deflation.

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