Schuldenkrise zwingt zu mehr Europa

Schuldenkrise zwingt zu mehr Europa
Die Rufe nach einer politischen Union in Europa, ja sogar nach Vereinigten Staaten von Europa werden immer lauter.

Die Rettung der pleitebedrohten Euro-Länder und die Suche nach Strategien zur Krisenbewältigung provozieren bei immer mehr hochrangigen Politikern in Deutschland und Frankreich den Ruf nach einer politischen Union. Wie noch nie zuvor wird die Weiterentwicklung zu den Vereinigten Staaten von Europa gefordert.

Am Montag preschte der französische Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, vor und entwarf bei einer Konferenz in Paris die Zukunftsvision eines einheitlichen Europa: "Eines Tages sollte das europäische Volk eine Konföderation haben." Dann solle es auch möglich sein, dass Entscheidungen "vom Zentrum aus" ergriffen werden. Zuvor verlangte Trichet bereits einen EU-Finanzminister und eine Europäische Wirtschaftsregierung.

Auch der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, warnt vor den politischen Folgekosten einer Desintegration. "Es ist eine gefährliche Illusion zu glauben, ein Land könnte sich besserstellen, wenn es sich an die EU abgegebene Souveränität zurückholt - sei es in der Geldpolitik, bei der Personenfreizügigkeit oder bei der Regulierung." Ackermann weist auch die Forderung einiger deutscher CDU- und FDP-Abgeordneter zurück, Griechenland möge aus der Euro-Zone austreten. "Die Kosten der Unterstützung schwacher Mitglieder sind gerade aus der Sicht Deutschlands geringer als die Kosten der Desintegration."

Zu einem Wortführer des Ausbaues der EU hatte sich in der Vorwoche Finanzminister Wolfgang Schäuble gemacht. Er sprach sich langfristig für einen neuen EU-Vertrag aus - eine weitere Übertragung von Kompetenzen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik an Brüsseler EU-Instanzen sei nötig. Bundeskanzlerin Angela Merkel bremst zwar, tritt aber selbst für eine "stärkere Harmonisierung der EU-Wirtschaftspolitik" ein.

Ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) fordert weitreichende Reformen als Lehre aus der Eurokrise, er unterstützt das Ziel der "Vereinigten Staaten von Europa". Ex-Außenminister Joschka Fischer erklärt im Spiegel -Interview, der Weg hin zu einer Transferunion sei unvermeidlich: "Wir brauchen mehr Integration. Am Ende müssen die Vereinigten Staaten von Europa stehen."

Bessere Kontrolle

In Österreich ist Bundeskanzler Werner Faymann gegen "eine zentralistische EU-Regierung, die über unsere Lohnpolitik entscheidet oder die dazu führt, dass wir unsere Sozial-, Steuer- oder Budget-Kompetenz abgeben". Er tritt dafür ein, dass die Wirtschaftspolitik in der Eurozone besser koordiniert wird: "Dazu gehören auch strenge Kontrollen jener Länder, die Hilfen über den Schutzschirm erhalten haben." Für Faymann wären die Vereinigten Staaten von Europa "mit neuem Vertrag und in weiterer Folge mit Volksabstimmungen verbunden". Das wäre ein Prozess, der Jahre dauern würde.
Finanzministerin Maria Fekter betont, es sei "dringlichst an der Zeit, sich in der EU in der Budget- und Fiskalpolitik enger abzustimmen". Allerdings sollten nicht immer neue Bedingungen erfunden werden, vielmehr seien "die Rahmenbedingungen zu nutzen, die es derzeit schon gibt."

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner schlägt in dieselbe Kerbe: "Es geht jetzt darum, die schon beschlossene wirtschaftspolitische Kooperation auszubauen und die vereinbarten Punkte tatsächlich einzuhalten. Denn das bisherige Instrumentarium wurde ja nicht ausgenützt und hat uns in diese Situation gebracht."

EU-Projekt: Rede und Vertrag

Winston Churchill Am 19. September 1946 hielt der ehemalige britische Premier eine
zukunftsweisende Rede vor Studenten an der Universität Zürich. Darin schlug er die Schaffung der " Vereinigten Staaten von Europa" vor.
Von den Gründervätern der EU, Robert Schuman und Jean Monnet, wurde der Plan Churchills aufgenommen, vertraglich aber nie verankert.

Maastricht-Vertrag Seit 1993 in Kraft. Der Binnenmarkt, die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die gemeinsamen Währung "Euro" sind darin festgelegt. Die Staats- und Regierungschefs waren damals der Meinung, die Politische Union werde sich aus der Währungsunion automatisch entwickeln. Der Vertrag fixierte auch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

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