Schuldenkrise: Chance für Schwellenländer

Das Misstrauen der Anleger gegen europäische und US-Märkte wächst. Davon könnten die Schwellenländer profitieren.

Totgesagte leben länger - das gilt nicht nur für das Showgeschäft. Noch Anfang des Jahres schien die Party an den Märkten in Sao Paulo, Moskau, Mumbai und Shanghai vorbei zu sein. Viele Fondsmanager wandten sich von den aufstrebenden Märkten in Asien und Lateinamerika ab. Zu groß schien die Inflationsgefahr geworden zu sein, zu mäßig war die Entwicklung an den dortigen Aktienmärkten im Vergleich zu denen in den Industrieländern. Mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA könnten die Schwellenländer nun vor einem fulminanten Comeback stehen.

"Unserer Ansicht nach bringt die Schuldenkrise in den USA und in Westeuropa die Schwellenmärkte in eine sehr starke Position", erklärt Mark Mobius, Chef von Templeton Asset Management Emerging Markets Group. Der Fonds verwaltet 50 Mrd. Dollar (35,1 Mrd. Euro) an Vermögenswerten in Schwellenländern.

Die Länder würden zunehmend als sichere Häfen wahrgenommen, da sich Anleger vom US-Dollar und von US-Staatsanleihen abwandten, so Mobius. Auch Paul Griffths, Chefhändler für festverzinsliche Papiere bei Aberdeen Asset Management, prognostiziert für die Schwellenmärkte glänzende Geschäfte. "Die tiefgreifenden finanziellen Probleme in den USA und Europa werden zu verstärkten Investitionen in den Devisen- und Rentenmarkt Asiens und anderer Schwellenländer führen." Die Verschuldungsquote im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt sei in vielen Schwellenländern niedriger als in Japan, den USA, der Eurozone und Großbritannien.

Fed-Geld fließt in Schwellenländer

Mit Spannung wird nun darauf gewartet, ob die US-Notenbank Federal Reserve zum dritten Mal seit Beginn der Finanzkrise 2008 ihre Geldschleusen öffnet. Das im sogenannten "Quantitative Easing" frei werdende Kapital dürfte dann einmal mehr in großen Mengen in die Schwellenländer fließen. Auf ungeteilte Gegenliebe stößt die Geldflut dort aber nicht zwangsläufig: Als ab 2008 viel Kapital in Länder wie Brasilien floss, erhöhte das zugleich die dortige Inflationsgefahr massiv und zwang die dortigen Notenbanken zu Gegenmaßnahmen.

Unabhängig von den Turbulenzen in den USA und der Eurozone hellt sich die Lage in den großen Schwellenländern aber derzeit auf. Goldman Sachs stufte am Montag Indien herauf auf "marketweight" von "underweight". Die Experten begründeten den Schritt mit einer Verbesserung der konjunkturellen Lage, einem niedrigeren Ölpreis, der attraktiven Bewertung indischer Aktien und den Reformbemühungen der Regierung in Neu-Delhi. Zudem gehe die indische Notenbank verstärkt gegen die Inflation vor.

Weltweiter Aktienindex

Das zunehmende Vertrauen der Märkte in die Schwellenländer lässt sich auch an den Kosten für Versicherungen gegen Kreditausfälle (CDS) ablesen. So ist die Absicherung eines 10 Mio. Euro schweren Pakets von Staatsanleihen gegen Zahlungsausfall bei chinesischen Papieren dem Datenanbieter Markit zufolge weitaus billiger als etwa bei Bonds aus Spanien, Italien oder Belgien. Die CDS für französische Staatsanleihen sind in etwa so teuer wie die für Papiere aus Südkorea.

Ganz machten die Panikverkäufe der vergangenen Woche aber auch vor den Märkten der Schwellenländer nicht Halt. Die MSCI-Indizes für die Industriestaaten, für die Schwellenländer und BRIC-Staaten verloren alle gleichermaßen deutlich über acht Prozent, der MSCI-Weltindex sackte um mehr als neun Prozent ab.

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