Schlecker-Prozess geht mit Plädoyers in die Schlussphase

Anton und Lars Schlecker.
Bankrottprozess gegen Ex-Drogeriemarktkönig Anton Schlecker geht dem Ende entgegen. Urteil soll in einer Woche verkündet werden.

Der Bankrottprozess gegen Ex-Drogeriemarktkönig Anton Schlecker geht dem Ende entgegen. Am Montag (ab 8.15 Uhr) wollen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Schlussvorträge halten.

Die Vertreter der Anklage haben rund drei Stunden am Vormittag angesetzt, um zusammenzufassen, was der Prozess aus ihrer Sicht an Beweisen gegen Schlecker sowie dessen mitangeklagte Kinder Lars und Meike ans Licht gebracht hat - und welche Strafe sie für angemessen halten. Am Nachmittag stehen dann die Plädoyers der Verteidiger an. Das Urteil soll in einer Woche verkündet werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft Schlecker unter anderem vor, Geld aus seinem Unternehmen beiseite geschafft zu haben, obwohl er schon gewusst haben soll, dass es auf die Insolvenz zusteuert. Der 73-Jährige bestreitet das. Im Prozess hat er betont, bis zuletzt fest an das Überleben der Firma geglaubt zu haben.

Europas ehemals größte Drogeriekette hatte im Jänner 2012 Insolvenz angemeldet. Mehr als 25.000 Menschen in Deutschland und genau so viele im Ausland verloren ihren Arbeitsplatz.

Zentraler Punkt in dem Verfahren ist die Frage, wann Anton Schlecker hätte wissen müssen, dass sein Imperium zahlungsunfähig ist - denn von da an hätte er keinen Cent mehr daraus abziehen dürfen. Die Staatsanwaltschaft war ursprünglich von Ende 2009 ausgegangen und hatte auf dieser Basis eine Schadenssumme von mehr als 25 Mio. Euro errechnet. Inzwischen tendiert sie zu einem späteren Zeitpunkt. Entsprechend hat sich die Liste der Vorwürfe, die teilweise nur bestimmte Zeiträume umfassen, reduziert.

Vor gut einer Woche hatten Schlecker und seine Kinder weitere 4 Mio. Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt. Lars und Meike steuerten je eine Mio. Euro bei, Schleckers Frau überwies auf Bitten ihres Mannes 2 Mio. Euro. Er selbst, sagte Anton Schlecker im Gericht, habe durch die Insolvenz sein gesamtes Vermögen verloren. Lars Schlecker sprach in einer persönlichen Erklärung von "Schadenswiedergutmachung".

2013 hatte die Familie schon einmal gut 10 Mio. Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt. Das Geld fließt in die Insolvenzmasse, insgesamt haben die Gläubiger mehr als 1 Mrd. Euro an Forderungen angemeldet. Einen Teil davon will der Verwalter über Schadenersatzklagen gegen einstige Lieferanten eintreiben.

Die Familie Schlecker steht vor Gericht - aber mittlerweile nicht mehr komplett. Der Gründer der seit 2012 insolventen Drogeriemarktkette Schlecker, Anton Schlecker, sowie seine Kinder Lars und Meike sitzen seit Anfang März in Deutschland auf der Anklagebank, das Verfahren gegen Schleckers Frau Christa wurde eingestellt. Wer sind die Schleckers?

Anton Schlecker: Der 73-Jährige ist der große Unbekannte. Selbst örtliche Politiker und Wirtschaftsvertreter hatten kaum Kontakt zu ihm. Nach der Pleite soll sich Anton Schlecker auch von Vertrauten zurückgezogen haben. Der gelernte Metzgermeister eröffnete 1975 den ersten Schlecker-Markt. Bereits zwei Jahre später betrieb er mehr als 100 Filialen. Er baute ein Imperium auf und beschäftigte in Glanzzeiten mehr als 55.000 Menschen. Konkurrent Dirk Roßmann, der Schlecker und dessen Frau seit Jahren kennt, sagte einmal in einem Beitrag des SWR: "Fleißig waren die beiden, unglaublich." Außerdem seien sie hilfsbereit und großzügig gegenüber Freunden.

Im Geschäft hingegen achtete Schlecker auf jeden Cent. Er und seine Frau wurden in den 1990er-Jahren zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1 Mio. Euro verurteilt, weil sie Hunderte Mitarbeiter jahrelang unter Tarif bezahlt hatten. "Aber ich muss deutlich sagen: Er ist ein Geschäftsmann, kein Unmensch", sagte Sohn Lars einmal dem "Manager Magazin" über seinen Vater.

Lars Schlecker: Der heute 46-Jährige saß mit in der Geschäftsführung des Schlecker-Imperiums. Er wurde an der European Business School in London ausgebildet und machte 2000 an der Steinbeis-Hochschule in Berlin seinen Master of Business Administration. Zu Zeiten des Internet-Hypes sammelte Lars Schlecker unternehmerische Erfahrungen als Gesellschafter des B2B-Portals Surplex.com.

Mit seiner Schwester verbindet ihn eine schreckliche Erfahrung: Zu Weihnachten 1987 wurden die Schlecker-Kinder entführt. Vater Anton handelte die Lösegeldforderung der Erpresser von 18 auf 9,6 Mio. Mark (von 9,20 auf 4,91 Mio. Euro) herunter. Das Geld wurde gezahlt, die Kinder konnten sich aber selbst befreien. Nach einem Bankraub wurden die Entführer 1998 gefasst. Lars Schlecker ist verheiratet und lebt in Berlin.

Meike Schlecker: Lars' zwei Jahre jüngere Schwester (44) legte eine mustergültige Karriere vor. Sie studierte an der renommierten IESE Business School in Barcelona, ist aber schon etwa seit dem Jahr 2000 im Unternehmen beschäftigt. Meike Schlecker war es, die sich 2012 vor Journalisten stellte, um die Pleite zu verkünden. Es war der erste öffentliche Auftritt der Familie seit dem Prozess gegen die Entführer der Kinder 1999. Meike Schlecker ist geschieden; sie lebt in London.

Christa Schlecker: Ende Mai durfte Christa Schlecker die Anklagebank verlassen. Sie erklärte sich bereit, 60.000 Euro an gemeinnützige Organisationen zu zahlen - das Verfahren wurde eingestellt. Über Anton Schleckers Frau ist am wenigsten bekannt. Die 69-Jährige wird als "resolut" beschrieben. Sie galt als enge Vertraute Antons und soll zusammen mit ihm das berüchtigte Kontrollnetz über Mitarbeiter errichtet haben.

Schlecker-Prozess geht mit Plädoyers in die Schlussphase
Christa Schlecker

Von der Schlecker-Gründung bis zum Prozess:

1975: Anton Schlecker eröffnet in Kirchheim/Teck (Baden-Württemberg) seine erste Drogerie. Zwei Jahre später sind es schon 100 Filialen.

1987: Schlecker expandiert ins Ausland - zuerst nach Österreich. Später folgen etwa Spanien, die Niederlande und Frankreich. Nach dem Fall der Mauer öffnen schnell Märkte in den neuen Bundesländern.

1994: Schlecker betreibt nach eigenen Angaben rund 5.000 Läden. Gewerkschafter kritisieren, Mitarbeiter würden schikaniert und schlecht bezahlt. Schlecker spricht von Einzelfällen.

2007: Nach eigenen Angaben ist Schlecker mit mehr als 14.000 Märkten in 13 Ländern europäischer Marktführer in der Drogeriebranche. Über Jahre gibt es aber Kritik an Dumpinglöhnen und Leiharbeit.

2011: Nach Jahren in den roten Zahlen beginnt ein radikaler Umbau des Filialnetzes.

2012: Im Jänner meldet Schlecker Insolvenz an. Im Sommer werden die letzten Filialen geschlossen, 25.000 Mitarbeiter in Deutschland verlieren ihre Jobs. Die Gläubiger fordern über 1 Mrd. Euro. Die Österreich-Tochter und andere Auslandstöchter müssen nicht Insolvenz anmelden.

2012: Der deutsche Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz verkauft im Juli 1.350 Schlecker-Standorte in Österreich, Italien, Polen, Belgien und Luxemburg mit knapp 5.000 Mitarbeitern überraschend an die Restrukturierungsgesellschaft TAP 09 rund um Rudolf Haberleitner. Haberleitner will 2013 bis zu 600 ehemalige Schlecker-Filialen mit dem Konzept eines modernen Tante-Emma-Ladens wiederbeleben. Völlig überraschend steigt der Glücksspielkonzern Novomatic zu 50 Prozent als Finanzinvestor bei dayli ein.

2013: Im März zahlt die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter im Streit um übertragenes Firmenvermögen 10,1 Mio. Euro. Anton Schlecker hatte vor der Insolvenz unter anderem seine Villa im Wert von 2 Mio. Euro an seine Frau übertragen. Später zahlt die Familie weitere vier Mio. Euro. Im Juli ist der österreichische Schlecker-Nachfolger dayli noch vor dem geplanten Deutschland-Start pleite. Mehr als 3.000 dayli-Mitarbeiter in Österreich verlieren ihren Job.

2015: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Haberleitner und andere Personen wegen des Vorwurfs der Gläubigertäuschung. Haberleitner bestreitet die Vorwürfe.

2016: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhebt im April Anklage gegen Anton Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts. Insgesamt soll er Vermögen von etwa 25 Mio. Euro beiseite geschafft haben. Auch seine Ehefrau, seine beiden Kinder und zwei Wirtschaftsprüfer sind angeklagt - wegen Beihilfe, Insolvenzverschleppung oder Untreue.

2017: Im März beginnt in Stuttgart der Prozess. Nach der Zahlung von Geldauflagen werden im Mai die Verfahren gegen Schleckers Ehefrau Christa und die Wirtschaftsprüfer eingestellt. Im Oktober streicht das Gericht einige Anklagepunkte gegen Anton Schlecker. Am 12. Dezember startet im Landesgericht Linz ein Zivilprozess gegen die Ehefrau und Kinder von Anton Schlecker.

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