Scharinger: "Ratingagenturen sind Folterwerkzeuge"

Scharinger: "Ratingagenturen sind Folterwerkzeuge"
Europa müsse einen Kontrapunkt zur US-Dominanz in der Finanzwelt setzen, ist Ludwig Scharinger, Chef der RLB OÖ, überzeugt.

Der langjährige Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (RLB OÖ), Ludwig Scharinger, der Ende März in Pension geht, ist kein Mann sanfter Worte. Im KURIER-Gespräch spart er nicht mit scharfer Kritik an den USA, den Ratingagenturen und jenen Bankern, für die „schnelles Geld“ das Hauptziel sei.

KURIER: Österreich hat vor rund einer Woche die Bestnote AAA für seine Kreditwürdigkeit verloren. Wie beurteilen Sie als Banker diese Herabstufung?
Ludwig Scharinger:
Ich bin davon überzeugt, dass die anglo-amerikanischen Ratingagenturen und im besonderen Standard & Poor’s, nicht objektiv sind. Sie legen die Parameter, nach denen sie beurteilen, nicht vor. Wenn sie so weitermachen, werden die Märkte den Einschätzungen der Agenturen nicht mehr folgen. Denn die Märkte sind intelligenter als die Ratingagenturen, die nichts anderes als Folterwerkzeuge des US-Imperialismus sind.

Ein wichtiger Grund für das schlechtere Rating liegt in zu hohen Staatsschulden. Weist die Herabstufung nicht auf Sparnotwendigkeiten hin?
Das schon. Der Staat muss intelligent sparen. Also dort, wo er dem Wirtschaftswachstum nicht schadet, etwa durch Reduktion von Förderungen und Administration.

Wie soll in einem Umfeld von Sparen die Konjunktur in Gang kommen?
Der Staat muss qualitatives Wachstum fördern. Wir werden zum Beispiel ein europäisches GPS (Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung, Anm.) brauchen, um Maut auf die im Inland gefahrenen Kilometer einzuheben. Und wir brauchen auch Investitionen in die Infrastruktur, beispielsweise in die ÖBB. Zudem muss dringend in die Aus- und Weiterbildung investiert werden. Österreich war einmal ein Land mit tollen Spezialisten. Das müssen wir wieder werden.

Zurück zu den Banken. Haben Sie in Ihrer langen Karriere jemals so schwierige Zeiten wie jetzt erlebt?
Ich habe in der Raiffeisenlandesbank immer auf die Nähe zu den Kunden gesetzt. Damit sind wir immer gut gefahren und fahren wir auch heute noch gut. Unsere Kunden haben das Vertrauen in die RLB nicht verloren. Wir sind nie dem schnellen Geld nachgelaufen. Man muss bei den Banken sehr genau unterscheiden zwischen Kundenbanken und den Investmentbankern und jenen Fondsmanagern, die nur spekulativen Geschäften nachlaufen. Viele davon kommen aus den USA. Diese Geschäfte entsprechen nicht der europäischen Mentalität.

Sie betonen das solide kundennahe Bankgeschäft. Kann man damit genug Geld verdienen?
Wenn man bei den Kosten auf der Bremse bleibt, ja. Man muss so niedrige Margen haben, dass man auch in einem Worst-case-Szenario bestehen kann. Mein Credo ist: kein Wachstum um jeden Preis. Damit hat die RLB immer gut verdient. Auch das Eigenkapital ist stark. Die Kunden danken uns das mit hohem Vertrauen. 82 Prozent der Oberösterreicher halten Raiffeisen für sicher.

Die RLB OÖ hat mehr als 500 Beteiligungen. Manche Finanzexperten halten das für unübersichtlich und vermuten versteckte Risiken ...
Wir haben genau 525 Beteiligungen. Diese stehen alle mit dem Buchwert in der Bilanz. Wir haben auch in schwierigen Zeiten kaum Ausfälle. Den Trend „zurück zum Kerngeschäft“ halte ich für falsch. Denn: Wann trennt sich eine Bank von ihren Beteiligungen? Wenn sie den Mehrerlös für ihre Bilanz braucht. Wir hingegen setzen in den Beteiligungen vernünftig Kapital ein. Unternehmen können doch nicht alles nur mit Krediten finanzieren. Man muss Eigenkapital zur Verfügung stellen.

Viele Banker warnen jetzt vor einer Kreditknappheit. Befürchten Sie das auch?
Bei uns gab und gibt es keine Kreditklemme. Wir haben die Finanzierungen 2008 um acht Prozent gesteigert. Wir finanzieren die Wirtschaft. Anders als manche deutsche Banken. Wo sind die Landesbanken dort? Sie stecken in der Restrukturierung. Das kommt von diesen US-Bilanzregeln, wo jahrelang alles aufgewertet wurde und dann wertet niemand ab. Und dann kommen die Bilanzskandale.

Haben Sie Sorge, dass sich nach Ihrem Abgang die RLB-Geschäftspolitik ändert?
Die Bank ist souverän aufgestellt. Einen Erfolgskurs setzt man fort. Mein Nachfolger Heinz Schaller war vor seinem Wechsel in die Wiener Börse fünfeinhalb Jahre bei mir im Vorstand. Ich werde der Bank als Konsulent beistehen. Wenn der neue Vorstand etwas braucht, kann er mich fragen.

Angst vor einem Pensionsschock?
Nein. Ich muss mich direkt wehren, so viele Anfragen bekomme ich, als Aufsichtsrat oder Berater tätig zu werden. Ich bin jetzt in 19 Aufsichtsräten. Alle Mandate im Raiffeisensektor werde ich zurücklegen. Das eine oder andere Mandat wird dazukommen. Ich will aber auch mehr für meine Gesundheit tun.

Zur Person: 40 Jahre lang Banker in der RLB OÖ

Begonnen hat die lange Bank-Karriere von Ludwig Scharinger mit einem fürchterlichen Unfall: In einer Oktobernacht des Jahres 1962 krachte der damals 20-jährige Bauernsohn aus dem Mühlviertel mit seinem Motorrad gegen den Randstein und zertrümmerte sich den rechten Unterschenkel. Eine Arbeit in der Landwirtschaft war dann nicht mehr möglich, also studierte er Sozialwirtschaft in Linz.
Finanziert
hat er sich das alles selbst: Mit 16 Jahren schon begann er mit seiner Trompete auf Tanzveranstaltungen zu spielen. „Ich habe nie Geld vom Vater gebraucht“, erzählt er heute noch stolz. Mit seiner Band, die von Freunden „Luigi Monetti Combo“ genannt wird, spielt er übrigens noch immer gerne.
Im April 1972, am Tag genau 40 Jahre vor seiner bevorstehenden Pensionierung, begann Scharinger in der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Sein Chef war damals Karl Schaller, der Vater seines Nachfolgers, Heinz Schaller. 1985 rückte Scharinger in den Chefsessel der RLB OÖ, den er 27 Jahre lang innehatte.
Seinen Erfolg begründet er gerne mit Bauernschlauheit und einer einfachen, klaren Sprache. „Ein Bauernschlauer lässt sich nicht in die Karten schauen, er spielt nicht immer kalkuliert und überrascht dadurch“, lautet seine Definition.

Raiffeisenlandesbank OÖ: Ertragsplus

Wachstum Als Ludwig Scharinger im Jahr 1985 Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich wurde, hatte die Bank eine Bilanzsumme von (umgerechnet) 1,6 Milliarden Euro, ein Betriebsergebnis von sechs Millionen Euro und 780 Mitarbeiter. 2011 erreichte die RLB eine Bilanzsumme von 31,8 Milliarden Euro, ein Betriebsergebnis von 332 Millionen Euro und beschäftigte 3241 Mitarbeiter.

Kostensenkung In den 27 Jahren an der Spitze der RLB legte Scharinger stets Wert auf Reduktion der Kosten im Verhältnis zu den Erlösen. Nahmen 1985 die Kosten noch 83,4 Prozent der Erlöse weg, waren es 2011 nur noch 36,3 Prozent. Gleichzeitig reduzierte die Bank auch die Zinsspanne (zwischen Spar- und Kreditzinsen) von 1,85 auf 0,66 Prozent. Das kommt den Kunden zugute.

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