RZB-Chef über Lehren aus der Krise

RZB-Chef über Lehren aus der Krise
Die Finanzwelt ist nun besser auf Bankpleiten vorbereitet, sagt RZB-Chef und Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner.

KURIER: Vier Jahre nach der Lehman-Pleite sagen Experten, die Welt ist auf den Zusammenbruch einer Großbank kaum besser vorbereitet als vor der Finanzkrise. Stimmt das?
Walter Rothensteiner: Das ist mir zu plakativ. Muss denn die ganze Welt auf den Zusammenbruch einer großen Bank vorbereitet sein? Allenfalls müssen sich die Betroffenen mit Risikomanagement vorbereiten. Außerdem arbeitet die EU massiv an Bank-Abwicklungsnormen. Also, ja, wir sind besser vorbereitet.

Anders formuliert: Die Staatenlenker hatten am Beginn der Finanzkrise den Anspruch jeden Finanzplatz, jeden Finanzakteur, jedes Finanzprodukt zu regulieren. Haben da manche den Mund zu voll genommen?
Das möchte ich so nicht sagen. Aber: Die Risiko-Vorschrift Basel I hat 22 Seiten, Basel II schon mehr als 100 Seiten und Basel III fast 1000 Seiten. Mehr Blatt Papier macht die Regulierung nicht unbedingt effizienter.

Apropos: Die Priorität der EU ist der Aufbau einer Bankenunion, samt neuer Bankenaufsicht bei der EZB. Elke König, Chefin der deutschen Bankenaufsicht, sagt dazu, wir haben einen Schuss und der muss sitzen. Sehen Sie die Gefahr, dass der Schuss nach hinten losgeht?
Das ist schon wieder so plakativ. Das beginnt mit dem Wort Bankenunion. Nirgends werden Banken fusioniert, das würde man unterstellen. Gegen eine international gleiche Aufsicht haben Banken nichts. Wir sind in 17 Ländern tätig und haben 17 Aufsichtsbehörden und jede hat andere Wünsche. Wenn die im EU-Bereich zusammenfallen, haben wir vielleicht nur mehr sechs oder sieben Behörden. Also ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Kein Problem mit einer übermächtigen Europäischen Zentralbank in Frankfurt?
Lustig würde es dann, wenn die Raiffeisenkasse in Poysdorf auch von Frankfurt aus geprüft würde. Aber das wird technisch gar nicht gehen. Da wird man sich weiter der nationalen Kapazitäten bedienen müssen.

Wo stehen Sie in der Debatte Universalbanken- versus Trennbankensystem? Macht es Sinn, dass man das Kredit- und Einlagengeschäft vom riskanteren Investmentbanking trennt?
Das finde ich putzig. Alles Übel der Krise hat mit dem amerikanischen Trennbankensystem begonnen. Lehman Brothers war eine Investmentbank. In Österreich leben 90 Prozent aller Banken vom Brot- und Buttergeschäft, Einlagen und Kredite. Aus den „bösen“ restlichen zehn Prozent eine Investmentbank zu machen, lohnt gar nicht. Da entsteht, selbst wenn man alles zusammenkratzt, keine lebensfähige Bank. Dazu kommt, dass das bisschen Investmentban­king, das wir in Österreich betreiben, in einem hohen Ausmaß reine Absicherungsgeschäfte sind, die wir unseren Kunden sowieso zur Verfügung stellen müssen.

RZB-Chef über Lehren aus der Krise
Weshalb verlangen dann die Aufseher von den „braven“ Universalbanken einen höheren Eigenkapitalpolster?
Das habe ich bis heute nicht verstanden. Aber das kommt wohl aus der anglo­amerikanischen Sicht, wo 80 Prozent der Finanzierungen über den Kapitalmarkt laufen. Bei uns laufen 80 Prozent über Kredite. Offensichtlich glaubt man daher, dass das Kreditgeschäft das Böse ist. Es ist natürlich auch so, dass Einlagen und Kredite leicht messbar sind. Da kann man auch leicht einen Regulierungsmaßstab anlegen. Wenn aber mit riesigem Fremdkapitalhebel agiert wird, weiß man das oft gar nicht. Außerdem haben die großen Investmentbanken in der Meinungsfindung über die Regulierung ein durchaus – vielleicht zu – kräftiges Wort mitzureden.

Sind Sie frustriert über die Arbeit der Bankenaufseher, national wie international?
Nein, auch die Aufseher sind Getriebene. Seit der Krise erwarten alle, dass die Aufsicht dafür sorgen muss, dass im Bankgeschäft nichts mehr passiert. Im Bankgeschäft kann aber erst dann nichts mehr passieren, wenn man es mit hundert Prozent Eigenkapital unterlegt. Dann findet es aber auch nicht mehr statt.

Insgesamt sehen wir langfristige Ankündigungspolitik trotz kurzfristiger Mega-Probleme von Athen bis Lissabon. Wie gehen Sie mit diesem Mix um?
Das Stichwort der Zukunft heißt Volatilität. Ich bin fast 40 Jahre im Geschäft. 25 bis 30 Jahre konnte man am Jahresanfang ziemlich genau sagen, wie das Jahr ausgehen wird. Das geht heute nicht mehr. So geht es auch all jenen, die langfristige Entscheidungen fällen müssen, während z. B. mit den Griechen wieder etwas passiert.

Die letzte Stufe der Bankenunion soll die EU-Einlagensicherung sein. Sie lehnen das EU-Modell ab, wollen aber auch keine österreichweit einheitliche Lösung, sondern pochen auf die jetzige Lösung je nach Sektor. Lässt sich das durchhalten?
Wenn etwas gut funktioniert und man von seiner Position überzeugt ist, denkt man nicht vordringlich da­rüber nach, ob sie sich durchhalten lässt. Eine EU-Einlagensicherung sehe ich eher als Marketing-Gag, das bringt null. Und alle Sektoren in Österreich sind bemüht, mögliche Probleme gar nicht erst zu Fällen der Einlagensicherung werden zu lassen.

RZB-Chef über Lehren aus der Krise
Wie sieht Ihr Ausblick für 2013 aus? Kann Griechenland im Euro bleiben?
Ich halte es weiterhin für eine Schnapsidee, Griechenland aus dem Euro zu schmeißen. Die Forderungen, die die restliche Welt an Griechenland hat, werden dadurch ja nicht weniger. Und das Ganze zu einem Dauerbrenner zu machen, bei dem sich nur die Amerikaner die Hände reiben, weil die ganze Welt nur auf Europa schaut und niemand auf die riesige US-Verschuldung, davon halte ich nicht sehr viel.

Und Ihre Erwartungen für Österreich? Wie kritisch sehen Sie die Finanztransaktionssteuer?
Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Wenn wir nicht täglich die Meldungen bekämen, wüssten bei uns viele gar nicht, dass Krise ist. Dass Österreich so tief in der Krise stecke, kann mir doch wirklich niemand erzählen. Es gibt auch kaum Anzeichen, dass das 2013 anders sein wird. Ein mittelfristiges Problem ist aber, dass, wenn die Nachfrage wieder anspringt, die Banken nicht genug Eigenkapital haben werden, um alle Kredite zu unterlegen. Deshalb sage ich auch zur Finanztransaktionssteuer Ja, wenn dafür die Banken­steuer abgeschafft wird.

Konrad-Nachfolger Am 25. Juni 2012 wurde der Chef der Raiffeisen Zentralbank (RZB), Walter Rothensteiner, einstimmig zum neuen Generalanwalt des Raiffeisenverbandes gewählt. Der Sprecher der Raiffeisen Bankengruppe trat damit die Nachfolge von Christian Konrad an, der sich nach 18 Jahren aus dieser Funktion zurückzog. Raiffeisen ist mit 51 Prozent Mehrheitseigentümer des KURIER. Konrad ist weiterhin Aufsichtsratschef der Zeitung.

Lebenslauf Walter Rothensteiner wurde am 7.3.1953 in St. Pölten geboren. Nach dem Studium der Handelswissenschaften trat er im Jahr 1975 in die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien ein. Rothensteiner hatte danach Vorstandsfunktionen bei Leipnik-Lundenburger und der Agrana inne, bevor er 1995 an die Spitze der RZB wechselte. Neben diversen Aufsichtsratsfunktionen ist der Manager auch Bankenobmann in der Wirtschaftskammer.

Kommentare