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Russen-Gas: Geheimplan Nord Stream 2

Russen-Gas: Geheimplan Nord Stream 2
Die OMV soll den Eisbrecher für das heftig umstrittene Pipeline-Projekt der Gazprom machen. Der wirtschaftlich und EU-politisch riskante Deal würde die OMV eine Milliarde Dollar kosten.

Russlands Präsident Wladimir Putin ist kein Mann, der aufgibt. Schon gar nicht, wenn er seine energiepolitischen Interessen in Europa durchsetzen will. Offiziell sind die westlichen Partner aus dem gigantischen Pipeline-Projekt Nord Stream 2 des staatlichen russischen Energie-Riesen Gazprom ausgestiegen. Aber nur offiziell. Hinter den Kulissen wird derzeit ein Geheimplan geschmiedet, das in der EU heftig umstrittene Großprojekt doch noch umzusetzen und Brüssel geschickt zu umgehen. Was nicht nur wirtschaftliche, sondern auch europapolitisch brisante Konsequenzen hätte. Den Eisbrecher soll dabei der teilstaatliche heimische Öl- und Gaskonzern OMV spielen, Österreichs größtes börsenotiertes Unternehmen und wichtigster Energieversorger.

Die Vorgeschichte: Neben der bestehenden Nord Stream plant Russland eine zweite, 1224 Kilometer lange Gas-Pipeline durch die Ostsee nach Deutschland. 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas sollen im Jahr aus dem Raum St. Petersburg unter Umgehung der Ukraine nach Europa fließen. Die Investitionen belaufen sich um die zehn Milliarden Dollar. 50 Prozent sollte Gazprom halten, den Rest hätte sich ein westliches Konsortium geteilt. Mit dabei wären als Aktionäre die OMV, die deutschen Energiekonzerne Wintershall (Ex-Arbeitgeber von OMV-Chef Rainer Seele) und Uniper sowie Shell und die französische Engie gewesen.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel verteidigt die Pipeline als rein wirtschaftliches Projekt. Die EU allerdings will die Abhängigkeit Europas von russischem Gas verringern. Vor allem die osteuropäischen EU-Staaten legten in Brüssel Beschwerde gegen den Bau ein und im August zog das Konsortium schließlich die Anmeldung bei der polnischen Wettbewerbsbehörde zurück.

Das bedeutet, die westlichen Partner werden nicht als Aktionäre einsteigen und Gazprom bliebe Allein-Eigentümer.

Finanzierungsprobleme

Gazprom hat jedoch Probleme, die Milliarden-Investition im Alleingang zu stemmen. Die Sanktionen setzen Russland schwer zu und Putin muss an die Reserven gehen, um sein Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Einer der beiden großen Staatsfonds soll 2017 aufgelöst werden. Die Fonds dienen als Puffer gegen sinkende Preise für Öl- und Gas, die wichtigsten Export-Einnahmequellen des Landes. Da Gazprom den Bau der Pipeline angeblich schwer über westliche Banken finanzieren kann, wird hinter verschlossenen Türen eine Alternative verhandelt.

Die Pipeline soll über eine Wandelanleihe finanziert werden – de facto ein Kredit, der von den Anleihe-Zeichnern irgendwann in Aktien umgewandelt werden kann. Ein geschickter Schachzug. Russland setzt sein Projekt durch und Brüssel wird umgangen. Die westlichen Partner wären ja nur Kreditgeber und könnten diesen Kredit erst später in die ursprünglich geplanten Anteile umwandeln.

Wie man aus dem Konsortium hört, sollte die OMV dabei den Eisbrecher spielen und ein Anleihe-Volumen von rund einer Milliarde Dollar übernehmen. Ob und wann in Aktien umgewandelt wird, müsste die OMV offiziell offen lassen.

Man suche nach Lösungen, das Projekt weiterhin zu unterstützen, sagt OMV-Sprecher Johannes Vetter. Es werde mit der OMV "keine Lösung geben, die nicht österreichischem, europäischem und internationalem Recht entspricht". Konkreter wird der OMV-Sprecher nicht. Es sei noch nichts beschlossen, Einzelüberlegungen kommentiere man nicht.

Charme-Offensive bei Kern

Kommende Woche fliegt Putin-Freund und Gazprom-Chef Alexei Miller zur Charme-Offensive bei Bundeskanzler Christian Kern in Wien ein. Die Republik Österreich hält immerhin 31,5 Prozent an der OMV und ein solcher Deal müsste politisch akkordiert werden. Thema wird der grundsätzlich fixierte Deal mit Russland über ein Gasfeld in Sibirien und im Gegenzug eine Beteiligung der Gazprom an der Nordsee-Tochter der OMV sein, bei dem es jedoch Probleme mit Norwegen gibt. Sowie Nord Stream 2. Miller kündigte vergangene Woche am Rande des Internationalen Gasforums in St. Petersburg an, er werde die politische Führung von Ländern und Wirtschaftsunionen über die Vorteile von Gas informieren. Und "über eine Vorzugsbehandlung für diese Projekte, Nord Stream 2, sprechen".

Aus russischer Sicht alles verständlich. Aber wo sind die Vorteile für Österreich? Kann es Aufgabe eines österreichischen Energieversorgers sein, als Finanzierungsinstrument für Gazprom zu dienen?

Die OMV verkaufte kürzlich um 601 Millionen Euro 49 Prozent ihrer Pipeline-Tochter Gas Connect Austria (GCA). Die Gas-Hauptschlagader Österreichs ist ein sicheres Geschäft und bringt jährlich bis zu sechs Prozent Rendite. "Die OMV braucht das Geld um die Zukunft zu finanzieren", begründete Seele den Verkauf.

Jetzt wissen wir, wofür Seele das Geld braucht. Um womöglich eine Milliarde Dollar in ein wirtschaftlich und politisch hoch riskantes Pipeline-Projekt mit Russland zu investieren. Zur Beurteilung des Risikos muss man wissen, dass die Russen das alleinige Recht haben, Gas durch Nord Stream 2 zu leiten. Die "alte" Variante hätte die OMV nur 300 Millionen Kapital gekostet.

Lobbyisten verdienen

Wer bei den Deals mit Gazprom und OMV auf alle Fälle fein verdient, sind die Lobbyisten. Direkt an der Front arbeitet Deutschlands Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Er ist seit Ende Juli als Vorsitzender des Verwaltungsrates der im Schweizer Zug ansässigen Nord Stream 2 AG eingetragen. Der ehemalige SPD-Chef ist zudem Vorsitzender des Aktionärsausschusses der "alten" Nord-Stream-Gesellschaft.

Im Hintergrund rennt Schröders ehemaliger Wahlkampf-Manager Heino Wiese. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und russische Honorarkonsul in Niedersachsen soll auch auf der Payroll der OMV stehen. Seele hat noch den britischen Lobbying-Star Philip Lambert beauftragt – um kolportierte 50.000 Euro Monatsgage. Er soll in Norwegen gute Stimmung machen.

Pech, dass sich ausgerechnet jetzt der für die Verhandlungen mit Gazprom zuständige OMV-Manager Jeffrey Rinker verabschiedet.

Inzwischen ist zu hören, dass der Grund für den Rücktritt des Papierindustriellen Peter Oswald als Vorsitzender des OMV-Aufsichtsrates eher nicht zeitliche Überforderung war. Insider meinen, Oswald sei Seeles eindimensionale Ausrichtung auf Russland, ohne einen Plan B in der Hinterhand zu haben, zu riskant geworden.

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