Rückkehr zur Drachme wäre "pures Chaos"

Rückkehr zur Drachme wäre "pures Chaos"
RZB-Chef und Bankenobmann Walter Rothensteiner warnt eindringlich vor einem Euro-Abschied Griechenlands.

Eine Ansteckungsgefahr für Spanien oder Italien sieht der Spitzenbanker und baldige Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner hingegen nicht. Auch ein zweites Sparpaket in Österreich erwartet er nicht.

KURIER: Das Szenario eines Staatsbankrotts in Griechenland hat deutlich an Schrecken verloren. Die Banken haben einen Großteil ihrer Forderungen längst abgeschrieben. Gilt das auch für den "Grexit", also den Abschied der Griechen vom Euro, der im Raum steht?

Walter Rothensteiner: Für mich ist der griechische Abschied vom Euro noch nicht gegessen. Man muss sich nur vorstellen, was das im Konkreten bedeuten würde. Das Land müsste zumindest eine Woche lang alle Banken und Bankomaten zusperren, das Land hermetisch abdichten, damit die Griechen nicht die letzten Euro außer Landes bringen. Das würde ja ansonsten jeder machen. Das ist also schon rein technisch schwer vorstellbar und auch die Schulden Griechenlands wird es weiter geben. Vor allem waren wir immer stolz, dass wir im Euro-Raum keine Wechselkursschwankungen haben, gerade für Lieferanten ist das ein enormer Vorteil. Aber genau das starten wir jetzt wieder, sollte Griechenland zur Drachme zurückkehren.

Dennoch, es scheint, dass es die Währungsunion nach nur einem Jahrzehnt ihres Bestehens zerbröselt?

Das hätte man sich früher überlegen müssen, aber jetzt muss man alles tun, damit die Euro-Zone erhalten bleibt. Da muss man durch, aber es wird gelingen.

Weil Sie ansonsten negative, nicht beherrschbare Folgewirkungen für andere Euro-Länder wie Spanien oder Italien fürchten?

Das fürchte ich an und für sich weniger, denn Spanien und Italien haben ganz andere Wirtschaftskapazitäten als Griechenland. Wenn die Griechen aber jetzt noch einen Währungsumtausch machen, dann ist auch der heurige Tourismus tot. Als Urlauber weiß man ja nicht, ob man genau in die Phase reinkommt, wo alles hermetisch abgeriegelt wird.

Rückkehr zur Drachme wäre "pures Chaos"

Ein Ausstieg aus der Euro-Zone würde also Ihrer Meinung nach das pure Chaos in Griechenland auslösen?

Ja, ganz bestimmt. Und Europa sollte nicht zulassen, dass in einem Mitgliedsland das Chaos ausbricht.

Auf Österreich bezogen: Brauchen wir ein zweites Sparpaket, wenn Griechenland pleitegeht? Ein paar Milliarden an Kosten kommen da ja zusammen ...

Nein, das sehe ich nicht. Da wird viel gemutmaßt. Griechenland spielt sich nicht in einer Dimension ab, die uns aus der Ruhe bringen sollte.

Was würden Sie zur Lösung der Krise anders machen: Einen noch strengeren Fiskalpakt, Eurobonds, die Finanztransaktionssteuer einführen oder vielleicht nur eine Euro-Kernzone rund um Deutschland bilden?

Es wäre schon einmal gut und viel gewonnen, wenn man die ganze Emotion herausnehmen würde. Aus österreichischer Sicht gesprochen: Unsere Wirtschaft läuft rund und wir sind Spitzenreiter bei geringer Arbeitslosigkeit. Daher meine ich, man sollte negative Emotion herausnehmen, weil die verunsichert ja auch. Und zum Zweiten muss man sagen, diese Situation heute hat man nicht proben können, weil die gab es noch nie. Daher habe ich auch ein gewisses Verständnis dafür, dass nicht alles auf Anhieb klappt.

Themenwechsel: Bei den Banken dreht sich alles um das harte Kernkapital und die Erfüllung der neuen Vorgaben. Ist damit alles getan? Ist das die entscheidende Lehre aus der Krise?

Die Kernkapitalquote von neun Prozent ist eine willkürlich festgelegte Größe. Und noch dazu statt in sieben Jahren zu erfüllen, wie ursprünglich angekündigt, in sieben Monaten. Jetzt haben alle alle Register gezogen, um das zu schaffen und werden daher auch hinkommen. Dann wird Basel III beschlossen und damit gelten ab 2013 wieder andere Vorschriften. Momentan sind wir schon bei vier oder fünf verschiedenen Eigenkapitaldefinitionen, vergleichbar ist da nichts mehr.

Kann es das gewesen sein?

Vom Grundsatz her kann mehr Eigenkapital nie schaden, aber man muss es auch auftreiben. Und wenn man die Banken auf der anderen Seite erheblich belastet, dann widerspricht sich das. Entscheidend bleibt die Frage, wer macht welches Geschäft? Macht man reines Brot-und-Butter-Geschäft oder macht man ein hochriskantes Geschäft.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang den Skandal bei der US-Großbank JPMorgan, wo in nur sechs Wochen Milliarden verzockt wurden? Ist das nicht Beweis dafür, dass es strengere Banken- und Finanzmarktregeln braucht?

In der Geschichte gab es immer wieder solche Fälle. Aber ich glaube nicht, dass man von einer Bankenaufsicht verlangen kann, dass sie das in so kurzer Zeit bemerken kann.

Aber man fragt sich, warum dort nicht einfach irgendjemand den Stecker ziehen kann?

Das ist eine Frage der internen Kontrollsysteme. Normalerweise treten solche Probleme nicht in einer solchen Dimension auf. Es fällt aber halt bei Banken mehr auf. Andere Unternehmen, mit ähnlichen Problemen müssten vermutlich in Konkurs gehen.

Bei Banken sind Konkurse tatsächlich sehr selten, weil sie doch in der Regel vom Staat aufgefangen werden. Warum stehen Sie beim angepeilten Insolvenzrecht für Banken eigentlich eher auf der Bremse?

Ich stehe hier überhaupt nicht auf der Bremse, das wurde nur medial so dargestellt. Das Thema kommt über die EU-Schiene sowieso auf uns zu. Die Finanzmarktaufsicht arbeitet daran. Ich sage nur, wir sollten uns nicht jetzt schon festlegen, sondern auf die einheitliche Europa-Regelung in einigen Monaten warten und schauen, dass unser nationaler Ansatz dazu passt.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft der drei in Österreich notverstaatlichten Banken?

(schmunzelt) Differenziert. Bei der Hypo Alpe-Adria wird man schauen, was man abverkaufen kann. Bei der ÖVAG ist das eine reine Marktfrage und die Kommunalkredit ist mehr eine Abwicklungsbank.

Sie werden per 1. Juli auch neuer Raiffeisen-Generalanwalt. Sie betonen Kontinuität und nochmals Kontinuität. Aber gibt es nicht auch Punkte, in denen Sie sich von Ihrem Vorgänger Christian Konrad unterscheiden wollen?

(schmunzelt wieder) Es muss sicher nicht das erste Ziel sein, sich von Christian Konrad zu unterscheiden. Maximal beim Jagen, aber das ist auch bekannt und keine neue Situation. Ernsthaft: Christian Konrad hat 22 Jahre lang einen sehr erfolgreichen Kurs gefahren, der die Gruppe zu dem gemacht hat, was sie heute darstellt. Und da sind wir alle sehr stolz darauf.

Was sagen Sie zum neuen Parteienförderungs- und transparenzgesetz? Ist da etwas Gescheites herausgekommen?

Transparenz kann auf keinen Fall schaden. Aber es wird sich zeigen, ob die Parteien in Zukunft auch jenes Geld einnehmen, das sie wollen und brauchen.

Sie meinen, dass sich viele Spender von politischen Parteien in Österreich künftig eher nobel zurückhalten werden?

Jeder, der einer politischen Partei etwas spendet, wird sich überlegen, ob er wirklich will, dass sein Name publik wird. Da muss erst eine neue Einstellung geschaffen werden.

Zur Person
Laufbahn Walter Rothensteiner (59) ist ein Giebelkreuz-Urgestein. Der gebürtige St. Pöltner begann seine Laufbahn 1975 bei der RLB NÖ-Wien. Heute ist er Chef der Raiffeisen Zentralbank, Aufsichtsratschef der Raiffeisen Bank International und ab 1. Juli auch Raiffeisen-Generalanwalt. Er folgt in dieser Funktion Christian Konrad nach.

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