Tante Finis Millionen-Geheimnis

Tante Finis Millionen-Geheimnis
Die gestorbene Treuhänderin der KPÖ ließ 130 Millionen Euro aus ehemaligem DDR-Vermögen spurlos verschwinden.

Sie verkörperte die nette, ältere Dame aus dem wohlhabenden Wiener Bürgertum. Nach außen hin entsprach die am vergangenen Sonntag gestorbene Rudolfine Steindling (78), von Freunden respektvoll "Tante Fini" genannt, so gar nicht dem Bild, das man sich von einer der einflussreichsten Geschäftsfrauen der Zweiten Republik machen würde. Die obendrein für die Kommunisten arbeitete. Immer charmant, zog sie gekonnt im Hintergrund die Fäden zwischen Wirtschaft und Politik.

Ihr Aufstieg ist eng verknüpft mit der Geschichte der Kommunistischen Partei. Die mit dem ungarischen Widerstandskämpfer und Holocaust-Opfer Adolf Steindling verheiratete ehemalige Sekretärin war Finanzreferentin der KPÖ, trat beim Einmarsch der Sowjets in Prag jedoch wieder aus der Partei aus. Den rot-weiß-roten Kommunisten blieb sie trotzdem verbunden. Als Treuhänderin und Geschäftsführerin der Firmen Novum und Transcarbon.

Hinter der unscheinbaren Fassade der Novum verbarg sich eine Goldgrube. Für die KPÖ und auch für die "Rote Fini", die einmal in deutschen Medien mit dem Satz zitiert wurde: "Ich mach’ nix, wo nicht Geld rausspringt." Geschäfte mit der DDR liefen entweder über staatliche Vermittlungsfirmen – oder die Novum. In den 80er-Jahren beherrschte die Novum unter Steindlings Regentschaft 60 Prozent des Handels zwischen Österreich und der DDR. Tante Fini ging bei den Politgranden des Arbeiter- und Bauernstaates ein und aus. Außenhandelsminister Gerhard Beil zählte ebenso zu ihren Freunden wie Politbüro-Mitglied Günther Mittag und Alexander Schalk-Golodkowski, Oberst der Staatssicherheit. Selbst zu Staatschef Erich Honecker soll sie gute Beziehungen gepflogen haben.

Mit Tante Finis Hilfe rekrutierte die österreichische Verstaatlichte Industrie Großaufträge. Die Voest-Alpine baute ein riesiges Stahlwerk für das Eisenhüttenkombinat Ost, auch Austria Metall, Semperit und Steyr lieferten über sie ins Arbeiterparadies. Selbst internationale Konzerne wie Ciba Geigy, Brown Boveri oder Bosch wussten ihre Dienste zu schätzen. Die Novum kassierte Provisionen, häufte Devisen an und machte die KPÖ zur reichsten Partei im Land.

Wenn Tante Fini intervenierte, ging alles viel schneller und unbürokratischer. "Sie war eine extrem gute Kommunikatorin, hatte einen wirklich guten Zugang zu Spitzenfunktionären in der DDR und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass österreichische Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil hatten. Auf Grund ihrer guten Beziehungen konnte sie vieles auf dem ,kleinen Amtsweg" erledigen", sagt der Investor Martin Schlaff . Als ehemaliger DDR-Händler eigentlich Konkurrent der wesentlich größeren Novum, doch privat mit Steindling eng befreundet. Sie war, sagt er, "in Österreich nicht vernetzt im Sinne von Parteien. Sie wurde von der Wirtschaft gebraucht, egal, wer regierte".

Mit der Wende kam aber nicht nur der Niedergang der Novum. Die Bundesrepublik Deutschland spitzte als Rechtsnachfolgerin der DDR auf das stattliche Vermögen und begann Anfang der 90er-Jahre einen Prozessreigen, der bis heute andauert. Nicht die KPÖ, sondern die DDR-Staatspartei SED sei Eigentümerin der Novum gewesen. Die KPÖ gewann zuerst, verlor die Eigentümerfrage aber 2003 in letzter Instanz.

Das gesamte Vermögen der Novum, rund 400 Millionen Euro, hat Deutschland aber immer noch nicht. Denn 130 Millionen Euro, inklusive Zinsen heute geschätzte 245 Millionen, ließ Steindling in den Wirren der deutschen Wiedervereinigung spurlos verschwinden. Mithilfe der damaligen Länderbank.

Anfang der 90er-Jahre leerte Steindling die Novum- und Transcarbon-Konten und transferierte alles zur Zürcher Tochter der Länderbank. Dann wanderte das Geld physisch wieder nach Wien zurück und wurde in 51 Tranchen bar an Steindling ausgezahlt, die die Geldpakete in der Länder- bank aufbewahren ließ. Von wo leitende Bank-Mitarbeiter rund 130 Millionen Euro nach Steindlings Anweisungen auf anonyme Spar- und Wertpapierkonten verteilten. Die Kommerzialrätin war immerhin langjährige, geschätzte Großkundin – und sehr gut mit dem damaligen Vorstand Herbert Cordt und dem späteren Bank-Austria-Chef Gerhard Randa. Stellt sich die Frage, ob derartige Transaktionen ohne Wissen der Chefetage möglich waren.

Steindling jedenfalls schwieg im nun schon 20 Jahre dauernden Verfahren, das Deutschland um die Herausgabe des Geldes in der Schweiz anstrengte, hartnäckig. Selbst Hausdurchsuchungen und ein vorübergehender Haftbefehl brachten sie nicht zum Reden. Ihr privates Vermögen, darunter eine repräsentative Villa in Wien-Döbling und Immobilien am Kohlmarkt, hatte sie längst ihrer einzigen Tochter überschrieben. Das Geheimnis um die restlichen SED-Millionen nahm sie wohl mit ins Grab.

Der deutsche Fiskus will sich an der Bank Austria als Rechtsnachfolgerin der Länderbank schadlos halten. Mit dem Argument, die Länderbank hätte Steindling die Novum-Gelder gar nicht auszahlen dürfen. Heuer wurde die Bank Austria zur Zahlung von 245 Millionen Euro verdonnert, berief aber dagegen beim Schweizer Höchstgericht. Während sich Randa immer sehr gelassen gab, hat die Bank Austria inzwischen vorsichtshalber Rückstellungen "auf Basis der Einschätzung unserer Anwälte" gebildet.

Interessante Dokumente fand kürzlich der Historiker Maximilian Graf im Berliner Bundesarchiv. Ein Beschluss des Politbüros aus dem Jahr 1987 dokumentiert eindeutig, dass Erich Honecker keinen Zweifel daran ließ, die Novum sei eine Firma der KPÖ. Das Dokument lag freilich schon im Prozess vor, wurde aber nicht als Beweis zugelassen. Was Graf seltsam findet, "handelt es sich beim Politbüro doch um die maßgebliche politische Entscheidungsinstanz der DDR". Die KPÖ will das Verfahren trotzdem nicht neu aufrollen. 2009 verzichte die Partei in einem Vergleich mit Deutschland ausdrücklich auf weitere Rechtsmittel.

Der unendliche Streit hatte auch Steindling ermüdet. Sie stellte ihre geschäftlichen Aktivitäten ein und widmete sich den Beziehungen zu Israel, einen großen Teil des Jahres ve rbrachte sie in einer Hotelsuite am Strand von Tel Aviv. "Sie hat wesentlich zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Israel und Österreich beigetragen", erinnert sich Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky , auf dessen Sommerfesten sie Stammgast war. Von ihrem Talent als Netzwerkerin konnte sich Vranitzky bei Israel-Besuchen selbst überzeugen: "Die Amerikaner würden sagen: She was always around." Zu ihren ganz engen Freunden zählten Leah Rabin (Foto r.), die Witwe des ermordeten Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin , sowie Verteidigungsminister Ehud Barak . Er hielt die Laudatio, als Steindling von der Hebräischen Universität in Jerusalem geehrt wurde.

Geizig war die begeisterte Opern-Freundin, die Luciano Pavarotti zu Konzerten nachflog und im Aufsichtsrat der Volksoper saß, übrigens nie. Generös unterstützte sie die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, das Arnold Schönberg Center in Wien oder Tschernobyl-Opfer. Die Förderung von Kindern war ihr, weiß Schlaff, "ein besonderes Anliegen".

Kommentare