Rekordzahlen: Das Problem am deutschen Exportüberschuss

 
Exporte übertreffen Importe 2016 um eine viertel Billion Euro. Zahlen dürften internationale Kritik befeuern.

Exportweltmeister. Dieses Label, mit dem sich Deutschland so gerne schmückt, sorgt international und auf europäischer Ebene schon länger für Augenrollen. Langsam wird aber auch den Deutschen der eigene Erfolg nicht ganz geheuer. Für 2016 wurden jetzt wieder Rekordzahlen vermeldet. Einen Exportüberschuss von 252,9 Mrd. Euro habe man 2016 erzielt, meldete das Statistische Bundesamt am Donnerstag. Damit wurde der bisherige Höchstwert von 244,3 Mrd. Euro aus dem Vorjahr deutlich übertroffen. Die Exporte legten um 1,2 Prozent zu auf den Höchstwert von gut 1,2 Billionen Euro.

Eine Jubelmeldung ist das längst nicht mehr. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), warnte im Gegenteil davor, dass dadurch der Konflikt mit den USA und innerhalb der EU verstärkt werde. "Dass die deutsche Wirtschaft sehr viel mehr exportiert als importiert, ist Anlass zur Sorge und kein Grund stolz zu sein", sagte Fratzscher.

Trumps Wirtschaftsberater wirft Deutschland bekanntlich vor, sich auf Kosten der USA mit Hilfe eines deutlich unterbewerteten Euro unfaire Handelsvorteile zu erschleichen. Tatsächlich wäre das offensichtliche Anpassungsventil bei so hohen Überschüssen normalerweise der nationale Wechselkurs. Heimische Produkte würden im Ausland teurer, der Absatz ginge zurück, die Handelbilanz wäre ausgeglichener. Doch mit dem Euro ist das für Deutschland alleine bekanntlich nicht möglich. Eine andere Lösung müsste also her.

Problematisch seien laut Fratzscher jedoch nicht die vielen Exporte, sondern die schwache Entwicklung der Importe. Diese seien das Ergebnis einer großen Investitionslücke. "Diese verursacht hohe wirtschaftliche Kosten für Deutschland, denn sie reduziert die Produktivität, Einkommen und schadet letztlich dem Wirtschaftsstandort Deutschland", sagte Fratzscher. Dabei ist diese Investitionslücke eine logische Folge der Exportüberschüsse. "Selbst China und Japan haben von dieser irrsinnigen Politik abgelassen, weil sie gemerkt haben, dass sie nicht in ihrem ureigentlichen Interesse ist. Sie haben erkannt, dass ihre Unternehmen im Ausland investieren, wenn sie so hohe Überschüsse einfahren", schreibt Spiegel.de.

Angst vor US-Importzöllen

Der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, sieht das anders. 2016 sei "nicht unbedingt das beste Jahr" für die deutsche Exportwirtschaft gewesen. "Die Krise in den Schwellenländern wog für viele Unternehmen schwer." Im Dezember fielen die Ausfuhren um 3,3 Prozent und damit dreimal so stark wie von Ökonomen erwartet. Das war der kräftigste Rückgang seit August 2015. "Entgegen der allgemeinen Unternehmensstimmung hat sich der Dezember zu einem 'Katastrophenmonat' entwickelt", zitiert die dpa DekaBank-Experte Andreas Scheuerle.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ( DIHK) hält einen Anstieg der Ausfuhren von drei Prozent 2017 für möglich. "Hoffnung besteht für das laufende Jahr dank stabiler Wachstumsraten in Europa und guter Aussichten in Asien", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Die Sorge vieler Unternehmer sei vielmehr eine Zunahme protektionistischer Vorhaben wie die Ankündigung der neuen US-Regierung, Importzölle einzuführen.

Aus europäischer Perspektive gesehen verfestigt der deutsche Leistungsbilanzüberschuss nur das wirtschaftliche Ungleichgewicht im Euroraum. Bereits 2014 wurde die Bundesregierung offiziell von der EU-Kommission gerügt. Angesichts der enormen Exportüberschüsse solle Berlin gegensteuern, zum Wohle der gesamteuropäischen Stabilität.

Eine eigene EU-Regel besagt sogar, dass ein Überschuss von mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der Leistungsbilanz ein wirtschaftliches Ungleichgewicht darstellt, das auf Dauer gefährlich werden kann und daher reduziert werden muss.

Wie Deutschland dieses vermeintliche Luxusproblem lösen kann? Es ist die Kaufkraft, ganz einfach. Ob diese durch Lohnerhöhungen oder Steuersenkungen erreicht werden soll, darüber mögen die politischen Meinungen freilich auseinandergehen.

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