Reise-Riese TUI gibt Türkei nicht auf

TUI-Konzernverstand und Deutschland-Chef Sebastian Ebel
Konzernvorstand Sebastian Ebel über Terror, die digitalen Pläne, neue Produkte und die Marke Gulet.

KURIER: Der schreckliche Terroranschlag auf dem Flughafen von Istanbul muss alle Ihre Hoffnungen, dass die Türkei-Buchungen heuer doch nicht so schlecht ausfallen, zunichte machen. Wagen Sie schon eine Prognose? Sebastian Ebel: Nein, die türkischen Badeorte werden dieses Jahr eher die "Last-minute"-Ziele sein. Die Hotelqualität an der türkischen Küste ist im internationalen Vergleich exzellent, der Service ist ausgezeichnet und die Preise sind attraktiv. In einigen Wochen wissen wir mehr, wie der Endspurt der Saison verlaufen ist.

Kann es ein Reiseveranstalter derzeit überhaupt verantworten, Kunden in die Türkei zu schicken.Die Sicherheit unserer Gäste hat oberste Priorität. Dabei orientieren wir uns immer an den Hinweisen und Empfehlungen der Außenministerien. Die aktuellen Reisehinweise beziehen sich insbesondere auf die Großstädte wie Istanbul und Ankara und große Menschenansammlungen. Für Reisen in die türkischen Badegebiete, die im Übrigen mehrere Hundert Kilometer von Istanbul entfernt sind, gibt es derzeit keine neue Lagebewertung der Regierungen in Wien oder Berlin. Bei verschärften Sicherheitshinweisen bieten wir unseren Gästen kostenlose Umbuchungs- und Stornomöglichkeiten – so wie jetzt für Istanbul. Und natürlich gilt: Wir bieten Kunden über 100 Destinationen in der ganzen Welt. Niemand muss in die Türkei reisen, wenn er seinen Urlaub lieber in einer anderen Region der Welt verbringen würde.

Warum sollte jetzt überhaupt jemand in die Türkei reisen, der nicht unbedingt dorthin muss?Die Anschläge von Paris und Brüssel haben deutlich gezeigt, dass Terroranschläge überall passieren können. In Paris war es ein Konzertsaal, in Brüssel der Flughafen der Hauptstadt Europas. Auch vor unserer Haustüre in München und Hannover gab es bereits Bedrohungslagen, in Düsseldorf wurde eine Gruppe potenzieller Attentäter rechtzeitig entdeckt. Die Welt ist unsicherer geworden. Ich denke, wir tun gut daran, normal weiterzuleben und auch zu reisen. Auch in die Türkei, die ein wunderbares Land mit sehr gastfreundlichen Menschen ist.

In welche Länder werden die Urlauber ausweichen und gibt es dort für den Sommer überhaupt noch genügend freie Betten?Als internationaler Tourismuskonzern mit einem vielfältigen Angebot schaffen wir es sehr gut, die aktuelle Nachfrageschwäche in der Türkei auszugleichen. Wir sind in über 100 Ländern der Welt aktiv und können so andere Angebote machen – wir können nur beraten, die Reiseentscheidung trifft der Kunde selbst. Unser Kreuzfahrtgeschäft boomt, aber auch das gesamte westliche Mittelmeer, viele Fernreiseziele und das Geschäft mit Autoreisen und Ferienhäusern. Am meisten profitiert Spanien, wo die Betten in den kommenden Wochen langsam knapp werden. In Summe wächst unser Geschäft trotz schwieriger geopolitischer Rahmenbedingungen. Das zeigt, wie robust unser Geschäftsmodell ist.

Was bedeuten die Terroranschläge für die türkische Tourismuswirtschaft?Obwohl in den großen Baderegionen an der türkischen Riviera und der türkischen Ägäis nichts passiert ist, hat die Nachfrage natürlich auch hier gelitten. Während wir das durch eine steigende Nachfrage in anderen Bereichen auffangen können, trifft das die türkische Tourismuswirtschaft hart. Viele Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig. Trotzdem mache ich mir um die Türkei keine Sorgen. Die Hotelqualität ist hoch, der Service sehr gut und die Preise sind attraktiv. Die türkischen Badeorte haben auch eine große Zahl treuer Stammgäste, die für eine auskömmliche Auslastung und Beschäftigung der Menschen sorgen.

Die Türkei ist zwar einer Ihrer Kernmärkte, aber werden Sie Ihr Engagement dort reduzieren? Wir sind langfristig orientiert und haben mit vielen Hotel-Partnern langjährige Beziehungen. Wir wissen, dass sie alles tun, um den Gästen einen schönen Urlaub zu ermöglichen. Die Türkei wird auch künftig eine große Rolle in unserem Angebot spielen.

KURIER: Stichwort Digitalisierung. Jede zweite Reise und ein Drittel aller Pauschalurlaube werden bereits Online gebucht. Sie sagten kürzlich selbst, TUI habe die Online-Vermarktung vor fünf Jahren etwas verschlafen. Können Sie überhaupt noch aufholen?In der Branche sind wir ganz vorne, im Konzern investieren wir auf diesem Feld weiter und sehen Chancen für unser Geschäft und den Service. Die IT ist eines von sechs Feldern, die konzernweit zentral geführt werden. Das zeigt den Stellenwert. Die Online-Nutzung ist in den Märkten aber grundsätzlich unterschiedlich – das betrifft nicht nur uns in der Touristik. In Skandinavien und UK sind wir hervorragend aufgestellt, in Deutschland sind wir in der Entwicklung noch etwas hinterher. Aber wir haben in den vergangenen zwölf Monaten viele Fortschritte gemacht und kommen gut voran.

Also zufrieden? Wer zufrieden ist, hat schon verloren. Der Online-Markt entwickelt sich derart rasant, dass jeder, der meint, er hat etwas erreicht, schnell überrollt wird. Wir müssen mit der Marktdynamik Schritt halten und wollen gewinnen. Es ist wichtig, dass wir in allen Kanälen vertreten sind und unsere Angebote direkt an die Kunden bringen- auch über das Smartphone.

Was tun Sie konkret?Unser digitales Angebot ist so umfangreich wie nie zuvor. Die Zahl der Mobile-Nutzer auf TUI.com ist zwischen 2012 und heute von sieben auf 47 Prozent gestiegen. Alle Seiten sind für das jeweilige Endgerät optimiert. Neu ist die Integration des mobilen Zug-zum-Flug-Tickets für das Handy, Urlauber können nun komplett ticketlos reisen. Ein Ticket verliert man eher als das Handy. Zusatzleistungen sind online buchbar. Seit Mai ist auch der Check-in bei Robinson und TUI Magic Life online möglich. Unsere Hotelmarken TUI Blue und Robinson bieten ihren Gästen eigene Apps, über die sie zum Beispiel Tische zum Abendessen reservieren können. Demnächst integrieren wir Ausflugsbuchungen, geplant ist der Online-Check-in schon vor der Anreise oder das Öffnen der Zimmertüre mit Smartphone.

Wer bringt bessere Erträge? Ist der Online- oder der Offline-Kunde lukrativer?Die Online-Kunden buchen kurzfristiger. Sonst sehe ich keinen großen Unterschied. Die Vertriebswege wachsen immer mehr zusammen. Die meisten Pauschalreisekunden informieren sich online und buchen im Reisebüro. Es geht hier nicht um "entweder – oder", sondern um "sowohl – als auch". Ausgenommen ist der Luxus-Bereich, diese Kunden gehen stärker ins Reisebüro und nutzen die qualifizierte persönliche Beratung.

Sie haben viele neue Produkte angekündigt. Was dürfen die Kunden erwarten?Wir werden weiter in eigene Hotels investieren. Unsere RIU-Hotels setzen Standards, wir werden mit Robinson wachsen. Wir wollen auch mit qualitativ hochwertigen Drei-Sterne-Hotels wachsen und den Städte-Tourismus massiv forcieren. Da sind wir noch unterdurchschnittlich vertreten. Wir werden ab dem kommenden Winter mit einem insgesamt deutlich breiteren Angebot punkten und wesentlich mehr Hotels und Rundreisen anbieten, auch in Österreich. Österreich punktet dort durch seine Vielfalt, die große Gastfreundschaft und die exzellente Küche. Für die Auto-Kunden werden wir das Programm ebenfalls ausbauen.

Sie wollen die unterschiedlichen Marken auf das Branding TUI konzentrieren. Wird die Marke Gulet in Österreich überleben? TUI ist die Dachmarke, sie ist das verbindende Element. Gulet ist eine starke lokale Vertriebsmarke in Österreich und bleibt. Aber das Wachstum wird vor allem unter der Marke TUI stattfinden. Im Online-Zeitalter sind große internationale Marken wichtiger denn je. Man kennt sie überall auf der Welt, man weiß, was sie hinsichtlich Qualität und Service versprechen und man vertraut ihnen.

Wann ist die Marken-Konzentration abgeschlossen? Ich schätze, bis Ende 2017 werden wir in allen Märkten unter der weltweit starken Marke TUI präsent sein.

TUI Group: Nummer eins weltweit

Die börsenotierte TUI mit Zentrale in Hannover ist mit einem Umsatz von rund 20 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2014/15 (30. September) der international größte Tourismuskonzern. Der bereinigte Gewinn (Ebita) stieg erstmals auf knapp über eine Milliarde Euro. Der Konzern beschäftigt weltweit mehr als 76.000 Mitarbeiter, hat 1800 Reisebüros, eine Flotte von mehr als 140 eigene Mittel- und Langstreckenflugzeugen, 300 Hotels und Resorts sowie 13 Kreuzfahrtschiffe. Für 2015/16 ist eine Gewinnsteigerung um zehn Prozent prognostiziert.

Sebastian Ebel ist im Konzernvorstand für die Hotels, Kreuzfahrten und die IT zuständig. Er ist auch Chef von TUI Deutschland.

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