Reich und arm: Acht Fragen zur Ungleichheit

Die Ungleichheit hat weiter zugenommen, behauptet Oxfam.
Oxfam-Studie: Acht Männer besitzen so viel wie die halbe Weltbevölkerung? Diese Berechnung hat ihre Tücken.

Der Aufreger kam wie jedes Jahr rechtzeitig vor Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos: Das Ausmaß der globalen Ungleichheit sei größer als bisher angenommen, behauptet die Entwicklungsorganisation Oxfam in einem neuen Bericht. Ihren Berechnungen zufolge besitzen die acht reichsten Männer der Welt (Bill Gates, Carlos Slim etc.) so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, das sind immerhin 3,6 Milliarden Menschen. Im Vorjahr sind es noch 62 Superreiche gewesen. Wie jedes Jahr hagelt es Kritik an der Ungleichheits-Studie, vor allem an den zugrunde liegenden Daten und den Schlüssen daraus. Der KURIER fasst die wichtigsten Fragen zusammen.

Wer ist überhaupt Oxfam?

Oxfam mit Sitz im englischen Oxford ist eine weltweite Bewegung, die sich für eine gerechte Welt ohne Armut einsetzt. 19 Oxfam-Organisationen arbeiten mit 3000 lokalen Partnern in mehr als 90 Ländern zusammen. Mit diversen Studien will Oxfam öffentliches Bewusstsein für ihre Anliegen schaffen. Die NGO finanziert sich überwiegend aus Spenden.

Welche Daten über Vermögen und Armut verwendet Oxfam und wie zuverlässig sind diese?

Oxfam erhebt keine eigenen Daten, sondern führt Schätzungen aus der jährlichen Forbes-Reichenliste mit den Schätzungen des globalen Vermögensreports der Schweizer Bank Credit Suisse zusammen. Die Methode ist umstritten, da die Berechnungsgrundlagen und Definitionen variieren. Als Vermögen definiert die Credit Suisse Ersparnisse inklusive Sachwerte nach Abzug aller Schulden. Dadurch gelten aber auch Vermögende als "arm", wenn sie etwa für einen Hauskauf einen Kredit aufgenommen haben.

Warum ist die Ungleichheit in nur einem Jahr derart gestiegen?

Oxfam erklärt dies mit einer besseren Datengrundlage bei der Credit Suisse. Demnach ist das Vermögen der Ärmeren, vor allem in China und Indien, niedriger als bisher angenommen, gleichzeitig liegt deren Verschuldung höher als gedacht. Kritiker bemängeln , die Veränderung ergebe sich vor allem durch globale Währungsschwankungen, insbesondere der Aufwertung des US-Dollar und der Abwertung des Pfund. Auch die chinesische Finanzkrise Anfang 2016 habe die Armut statistisch erhöht.

Was sagen andere Quellen: Wie hat sich die Ungleichheit international zuletzt entwickelt?

In den Industrie- und Schwellenländern, die der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehören, haben sich die Einkommen der reichsten zehn Prozent seit 2010 stark erholt, die ärmsten zehn Prozent aber sind stecken geblieben. Der Grund liegt in der Ausweitung des Billiglohnsektors auch in den Industrieländern. Das deckt sich mit den Daten, die der US-Ökonom Branko Milanovic global ermittelte: Die Gewinner der Globalisierung sind die Mittel- und Oberschicht Asiens, 70 Millionen Superreiche in den USA und Europa sowie in Japan. Die Verlierer: die untere Mittelschicht in Europa und den USA.

Niemand spendet so viel wie die Superreichen. Warum sind sie dennoch in der Kritik?

Auch wenn es grundsätzlich positiv sei, dass Reiche viel spenden, die Probleme der Ungleichheit würden damit nicht gelöst, argumentiert Oxfam. Grundsätzlich muss man sich die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, wenn einige wenige Superreiche bestimmen, wer würdig ist, eine Spende zu bekommen. Ein System von Bittstellern und Almosenempfängern wurde vor Jahrzehnten vom Sozialstaat abgelöst, in dem Arme und Schwache ein Recht auf Unterstützung haben.

Wie steht es um die Ungleichheit in Österreich?

Im internationalen Vergleich sind die Einkommensunterschiede zwischen "oben" und "unten" nicht allzu groß: Das obere Fünftel verdient 4,2-mal mehr als das untere. In den USA verdient das obere Fünftel 8,7-mal so viel, in Deutschland 4,4 und in Italien 5,8-mal so viel. Die Ungleichheit kann aber auch am Vermögen (Einkommen plus Eigentum an Immobilien, Unternehmen etc.) gemessen werden. Laut Nationalbank besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte 56 Prozent des Vermögens. Seit der Finanzkrise hat sich diese Vermögensungleichheit etwas verringert. 2010 besaßen die Reichsten noch 61 Prozent des Vermögens.

Wer gilt als arm in Österreich?

Offiziell gilt: Wer weniger als 1161 Euro netto im Monat für einen Ein-Personen-Haushalt zur Verfügung hat, ist armutsgefährdet. Das gilt für 12,6 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Die 1161 Euro sind übrigens 60 Prozent des so genannten Medianeinkommens. Dieses wiederum bedeutet: Die Hälfte der Österreich verdient mehr, die Hälfte weniger als das Medianeinkommen. Laut Armutskonferenz sind 5,2 Prozent der Österreicher, das sind 431.000 Menschen, arm. Sie verdienen so wenig, dass sie sich wesentliche Güter des täglichen Lebens nicht leisten können.

Welche Konzepte gegen soziale Ungleichheit gibt es?

Zu unterscheiden sind hier globale und nationale Konzepte. Auf globaler Ebene plädiert Oxfam für eine faire Besteuerung von Superreichen und Konzernen, z. B. durch Austrocknen von Steueroasen, Kampf gegen Steuerdumping sowie mehr Transparenz bei Privat- Stiftungen. Nur gegen Reiche und Konzerne zu wettern sei keine Lösung, bemängeln Kritiker. Wichtiger sei es, gegen korrupte Staaten, in denen einige wenige große Vermögen anhäufen, vorzugehen und für einen "faireren Welthandel" zu sorgen. Auf nationaler Ebene reduziert Chancengleichheit und steuerliche Umverteilung durch den Staat die Ungleichheit. Hohe Umverteilung führe in Europa aber nicht automatisch zu einer größeren Vermögensgleichheit, gibt der liberale Thintank Agenda Austria zu Bedenken. So würden Länder mit hohen Steuern und Abgaben teilweise auch eine hohe Ungleichheit aufweisen. In Österreich leben vergleichsweise viele Menschen in Miete, was zu einer ungleichen Vermögensverteilung führe.

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