Ratingagenturen "führen Währungskrieg"

Ratingagenturen "führen Währungskrieg"
In der Euro-Schuldenkrise geben sie den Takt vor – die US-Ratingagenturen. Das ist Stoff für Verschwörungstheorien.

Eine schlechte Note von einer der großen Ratingagenturen – Moody’s, Standard & Poor’s oder Fitch: Nichts fürchten die schwer verschuldeten südeuropäischen Länder seit Ausbruch der Eurokrise mehr.

Denn eine Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit durch diese Bonitätswächter setzt einen Teufelskreis in Gang: Die Investoren verkaufen Staatsanleihen dieser Länder, die Anleihen verlieren also an Wert und damit sinkt deren Chance, wieder Geld von Anlegern zu bekommen. Die Finanznot erzwingt drastische Sparprogramme, diese würgen die Konjunktur ab, was die Ratingagenturen zu neuen Bonitätsverschlechterungen veranlasst und das Rad beginnt von Neuem zu laufen. So geschehen in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien.

Diese Abwärtsspirale ist kaum zu stoppen: Die weniger verschuldeten Euro-Länder wie etwa Österreich und Deutschland springen mit Milliardenhilfen für die Not leidenden Südländer ein und geraten nolens volens in den selben Sog: Erst Anfang der abgelaufenen Woche setzte Moody’s den Ausblick für Deutschland auf "negativ", weil es enorme Risiken in der Schuldenkrise übernommen hat, die Bestnote Triple-A blieb aber aufrecht.

Dass die Euro-Krise auf Zuruf der Ratingagenturen voranschreitet, verhilft anti-europäischen Verschwörungstheorien zur Blüte. Da muss doch mehr hinter den Bewertungen der Agenturen stecken als bloße ökonomische Analyse. Die USA wollen den Euro vernichten, weil Europa zu mächtig würde, lauten die Thesen, die via Internet Verbreitung finden. Dass nicht nur Wirtschaftsdaten, sondern auch Machtpolitik die Ratings bestimmen, halten aber auch renommierte Ökonomen für wahrscheinlich.

Machtkampf

"Wir befinden uns in einem Währungskrieg. Die Ratingagenturen stellen sich in diesem Machtpoker auf die Seite der US-Politik", sagt der deutsche Ökonom Karl-Heinz Brodbeck, der an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt lehrt. Die Weltwirtschaft befinde sich im Umbruch. Länder wie China und Brasilien seien im Vormarsch. Und da gehe es darum, wer sich als künftiger Machtblock durchsetze. Den Euro zu schwächen oder gar zu zerstören, könne durchaus im Interesse der US-Finanzwelt sein. Die Ratingagenturen ließen sich dabei politisch instrumentalisieren und vertreten die Interessen der Banker, vor allem jener in den USA, lautet die Überzeugung Brodbecks.

Sogar EU-Kommissarin Viviane Reding goss kürzlich Wasser auf die Mühlen der Verschwörungsanhänger: "Es ist doch interessant, dass immer dann, wenn sich die haushaltspolitische Lage in den USA verschlechtert, bestimmte Rating-Agenturen Europa ins Rampenlicht rücken", sagte sie.

Tatsache ist, dass die USA einen Schuldenberg angehäuft haben, der ihre gesamte Wirtschaftsleistung übersteigt: 106 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen die US-Schulden. Damit liegt das Land etwa gleichauf mit Portugal oder Irland. Den Ratingagenturen ist das derzeit aber keinen Blick wert. Im August 2011 hat Moody’s der USA zwar einen negativen Ausblick verpasst, seither aber herrscht Stille. Die Ratingagenturen sind auf Europa konzentriert.

Warren Buffett

Andere Experten weisen die "krausen Verschwörungstheorien" zurück. Die USA und auch die Ratingagenturen selbst würden sich mit einer Zerstörung des Euro doch nur selber schwächen, führen sie ins Treffen. US-Finanzguru Warren Buffet, der über sein Unternehmen Berkshire Hathaway Hauptaktionär von Moody’s ist, soll erst Ende 2011 fast eine Milliarde Euro in Anteile an europäischen Unternehmen gesteckt haben. Und ein am Boden liegendes Europa würde wohl die gesamte US-Wirtschaft erschüttern.

Kühle Köpfe finden im Rating-Reigen dagegen durchaus Positives: Die Agenturen legten ganz einfach den Finger auf die Schwachstellen der Euroländer. Gelinge es Europa, diese Schwächen abzulegen, stehe ihm eine neue Ära von Aufschwung und Wohlstand bevor.

Größte Volkswirtschaft als Schuldensünder

Die USA werfen Europa immer wieder vor, die Schuldenkrise nicht entschlossen genug zu bekämpfen. "Schneller und glaubwürdiger" müssten die Europäer handeln, drängte US-Finanzminister Timothy Geithner erst diese Woche wieder. Er mag recht haben, eigentlich sollte er sich allerdings auch um die "eigenen" Zahlenwerke kümmern. Per Ende Juni lagen die Gesamtschulden der USA bei mehr als 15,8 Billionen Dollar. Die größte Volkswirtschaft der Welt wird heuer ein Budgetdefizit von voraussichtlich acht Prozent und einen Schuldenstand von rund 106 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) haben. Auch die meisten Krisenländer der Eurozone liegen unter diesen Werten. Der Ratingagentur Moody’s ist die Bonität der USA trotzdem noch immer die Note AAA (Ausblick negativ) wert.

Rund um die Präsidentenwahl werden die USA jene Schuldenobergrenze von rund 16,4 Billionen Dollar erreichen, auf die sich Demokraten und Republikaner vergangenen Herbst nach heftigen Streitereien geeinigt hatten. Das Tauziehen um die neuerliche Erhöhung dieser Höchstgrenze ist programmiert – schließlich ist Wahlkampf.

Das Wirtschaftswachstum in den USA schwächt sich indes weiter ab. Im zweiten Quartal gab es nur ein Plus von 1,5 Prozent.

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