Psychologe: "Die meisten Teams enttäuschen"

Die großen Probleme sind meist näher, als man denkt.
Teamarbeit liegt im Trend. Psychologe Florian Becker weiß, was für den Erfolg nötig ist.

Willkommen in der schönen, neuen Arbeitswelt. Die Arbeit wird immer öfter in Teams organisiert, die je nach der Aufgabenstellung ständig wechseln. Es gibt für die Mitarbeiter oft auch keinen fixen Sitzplatz im Büro mehr.

Diplompsychologe Florian Becker hat in seinem kürzlich erschienen Buch "Teamarbeit, Teampsychologie, Teamentwicklung ", die wirtschaftspsychologischen Grundlagen für gute Teamführung zusammengefasst und erklärt, aus welchen Gründen Teams oft nicht funktionieren.

KURIER: Alle arbeiten erfolgreich im Team und sind glücklich. Das kann wohl so nicht stimmen.

Psychologe: "Die meisten Teams enttäuschen"
Florian Becker, honorarfrei
Florian Becker:Die wenigsten Teams funktionieren wirklich gut. Das liegt an falschen Vorstellungen wie etwa der Annahmen, dass der Einzelne im Team automatisch aufblüht. Wissenschaftliche Studien weisen in eine andere Richtung: Teambildung führt in der Regel zu negativer Synergie. In der Praxis enttäuschen die meisten Teams. Die Koordination ist oft mangelhaft und es kommt zu Motivationsverlusten, Mobbing und Trittbrettfahren. Bei inhomogenen, bunt gemischten Gruppen gibt es deutlich mehr Konflikte und Unzufriedenheit der Mitarbeiter. Teams müssen also gut geführt werden, um ihre Potenziale zu nutzen.

Warum setzen dann so viele Unternehmen auf Teamarbeit?

Man kommt gar nicht mehr an Teams vorbei. Die Projekte werden immer komplexer und der Zeitdruck immer größer. Ein Beispiel dafür ist der Automobilbau. Es gibt immer mehr Modelle, die in immer kürzeren Zeitintervallen entwickelt und produziert werden müssen. In vielen Kulturen wünschen sich die Mitarbeiter stärker im Team zu arbeiten.

Gibt es nicht auch finanzielle Motive?

Natürlich. Es gibt etwa die Hoffnung, dass das Team Aufgaben übernimmt, die sonst Führungskräfte erfüllen. Dazu gehört die klare Zuteilung der Rollen der Teammitglieder, sowie die Vereinbarung und Kontrolle der Ziele. Man baut Führungskräfte ab, entfernt Hierarchieebenen und setzt auf Teams. Das spart auf den ersten Blick Personalkosten und macht Unternehmen flexibler. Die Teams funktionieren aber nur in den seltensten Fällen wirklich gut.

Verbessert Teamarbeit automatisch die Entscheidungsfindung?

Das ist eine spannende Frage. Auf den ersten Blick sollen ja mehrere Köpfe klüger sein als wenige oder gar einer. Dennoch zeigen die Forschungsergebnisse, dass große Teams im Vergleich mit kleinen Teams oder mit Einzelpersonen in der Regel länger brauchen für eine Entscheidung. Das ist nicht nur teuer. Oftmals ist auch die Qualität schlechter.

Was sind die Ursachen?

Es gibt vielfältige Gründe dafür. Etwa, dass Mitarbeiter in Teams sich nicht mehr bei der Lösungsfindung anstrengen und sich auf andere verlassen, oder dass abweichende Meinungen nicht toleriert und daher gar nicht mitgeteilt werden.

Kann Teamarbeit die Kreativität steigern?

Ja, aber das hängt vom Kontext ab. Es gibt Unternehmen, die geben ihren Mitarbeitern den Freiraum, einen Teil ihrer Arbeitszeit selbst zu gestalten, solange die Tätigkeit im Interesse des Unternehmens ist. Dazu gibt es positive Berichte. Man kann aber nicht erwarten, dass die Mitarbeiter kreativ sind, wenn man ihnen nicht die Zeit dazu gibt. Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass Teams funktionieren können, wenn man gut führt.

Warum gibt es keine breite Diskussion über die Probleme?

Die Unternehmen berichten natürlich gerne Positives. Kaum einer geht in die Öffentlichkeit und sagt: wir haben mit unserer Team-Organisation leider sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Das lesen ja auch Investoren, potenzielle Mitarbeiter und Wettbewerber.

Worauf kommt es an, damit ein Team erfolgreich ist?

Teams brauchen einen Kontext, in dem sie arbeiten. Die Unternehmenskultur etwa betont und belohnt zu oft den Individualismus. Dann die Auswahl der Teammitglieder. Oft achtet man zu wenig auf die Persönlichkeitsmerkmale, etwa ob jemand emotional stabil ist oder gewissenhaft arbeitet. Man darf ein Team auch nicht sich selbst überlassen. Es braucht Pflege, damit es sich gut entwickelt.

Der Inhalt Das neue Buch „Teamarbeit, Teampsychologie, Teamentwicklung“ erläutert, wie man Teams erfolgreich zusammenstellt, einsetzt und führt (2016, Springer Verlag, 15,41 Euro).

Der Autor Diplom-Psychologe Prof. Florian Becker ist Spezialist für Wirtschaftspsychologie und auch Bereichsvorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft in München. Bekannt ist er als Experte für Wirtschaftspsychologie aus zahlreichen Vorträgen und Fernsehbeiträgen und Interviews. Becker erforscht mit seinem Team wirtschaftspsychologische Fragestellungen. An der Rosenheim University of Applied Sciences unterrichtet er als Professor Kommunikation sowie auch Organisations-Psychologie.

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