Prozess-Start nach zwölf Jahren Ermittlungen

Prozess-Start nach zwölf Jahren Ermittlungen
Y-Line-Gründer Werner Böhm drohen wegen Untreue, Betrugs und Bilanzfälschung bis zu zehn Jahre Haft.

Auf der Anklagebank im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts wird es in Kürze eng werden. Ab nächsten Mittwoch müssen sich Werner Böhm, Gründer und Chef der börsennotierten New Economy-Firma YLine AG, und zehn weitere Beschuldigte vor Gericht verantworten. Im Zusammenhang mit dem Bankrott der Internetfirma im Herbst 2001 wirft ihnen Staatsanwalt Alexander Marchart in der 113 Seiten starken Anklage Untreue, schweren Betrug, betrügerische Krida, grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, Bilanzfälschung und Insiderhandel vor. Die Vorwürfe werden bestritten. Vorerst sind bis Anfang August 24 Verhandlungstage anberaumt, in Verteidiger-Kreisen wird aber damit gerechnet, dass sich der Mammut-Prozess bis in den Oktober ziehen wird.

Negativer Rekord

Aber schon jetzt steht fest: Die Causa YLine wird – nach dem Libro-Verfahren – als weiteres "dunkles Kapitel" in die österreichischen Justizgeschichte eingehen. Rekordverdächtige zwölf Jahre dauerte das Ermittlungsverfahren, obwohl bereits seit dem Jahr 2005 das Gutachten des Sachverständigen Thomas Keppert vorliegt. Doch das Verfahren lag jahrelang "auf Eis", weil der Akt wie ein unerwünschter Wanderpokal von einem Staatsanwalt zum nächsten weitergereicht wurde. Marchart, der fünfte Staatsanwalt, nahm 2011 die Ermittlungen wieder auf.

Kern der Anklage

Neben mutmaßlichen Insider-Geschäften mit YLine-Aktien und angeblich überhöhten Beteiligungsbewertungen in den Bilanzen dreht sich der Hauptvorwurf der Anklage um einen 30 Millionen Euro schweren Computer-Deal mit IBM. Mithilfe einer aggressiven Marketing-Strategie des blauen Werbers Gernot Rumpold und einer Kooperation mit dem Wochenmagazin News waren 30.000 PC über ein Ratenzahlungsmodell an Internet-Kunden verkauft worden. Zugleich mussten die Kunden einen Vertrag mit dem Internet-Provider YLine unterzeichnen und jede Surf-Minute aus heutiger Sicht relativ teuer bezahlen. Doch das vermeintliche Bombengeschäft lief letztendlich schief – YLine konnte die Millionen-Forderungen von IBM nicht mehr bedienen und schlitterte in den Konkurs.

"Das von Böhm abgeschlossene PC-Geschäft mit IBM ist als außerordentlich gewagt im Sinne kridaträchtigen Handelns nach dem Strafgesetzbuch zu werten", heißt es in der Anklage. Das enorme wirtschaftliche Risiko des Deals soll Böhm "bekannt gewesen sein". Demnach soll er den Kaufvertrag mit IBM "im Alleingang" abgeschlossen und den YLine-Aufsichtsrat "vor vollendete Tatsachen" gestellt haben. Der Vertrag wurde erst nachträglich genehmigt.

Laut Anklage konnte Böhm bisher nicht nachweisen, "wie sich aus seiner Sicht das PC-Geschäft mit IBM für die YLine hätte rechnen können". Es soll "von vornherein mit enormen Verlusten verbunden" gewesen sein. Der heute 49-jährige YLine-Gründer Böhm bestreitet die Vorwürfe. In einer früheren Stellungnahme sagte er zum KURIER: "Es gab Manager-Fehler, die ich zu verantworten habe, aber wir haben strafrechtlich nichts falsch gemacht."

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