Posten-Besetzungen: Juristen werfen SPÖ und ÖVP Einflussnahme vor

Posten, aufgeteilt zwischen SPÖ und ÖVP.
Richter als Marionetten der Parteien? Empörte Juristen werfen SPÖ und ÖVP massive Einflussnahme bei den Posten-Besetzungen am Bundesverwaltungsgericht vor. Über sogenannte Kreuzreihungen wurde der Kreis der Kandidaten für 40 neue Jobs stark dezimiert und abgesichert.

Unabhängigkeit ist die Grundvoraussetzung für jedes Gericht. Soweit die reine Lehre. Viele Richter am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) glauben jedoch längst nicht mehr daran. "Wir haben hier ein ausgeklügeltes System, das Leute protegiert, die politisch gewünscht sind", macht eine Delegation von Richtern im Gespräch mit dem KURIER ihrem Unmut Luft.

Die Juristen glauben, jetzt den Beweis dafür zu haben, was in der Kollegenschaft bereits seit der Gründung des BVwG im Jahr 2013 kolportiert wird. Dass SPÖ und ÖVP ungeniert ihre Kandidaten auf Richterposten hieven. Das muss nicht unbedingt heißen, dass diese Bewerber schlecht qualifiziert sind. Aber gleich gut oder besser geeignete Kandidaten ohne Partei-Turbo hätten eben das Nachsehen.

Kreuzreihungen

Im September segnete der Ministerrat die Bestellung von 40 weiteren Verwaltungsrichtern ab. 350 Kandidaten hatten sich beworben. Blöd gelaufen, dass auf der im Internet veröffentlichten Liste nicht nur die 40 Bestgereihten aufgezählt waren. Sondern die jeweils ersten drei Platzierten für jeden Job. Wären in Summe 120 Kandidaten, würde man meinen. Irrtum. Auf der Liste stehen wesentlich weniger Namen. Kreuzreihungen nennt man dieses System im Fachjargon. Das funktioniert so:

Beispiel 1: Kandidat Stephan Wiener aus dem Kabinett von ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter ist für eine Position Erstgereihter. Als Nummer zwei scheint Hannes L. auf, ihm wird SPÖ-Nähe attestiert. Einige Positionen weiter ist Hannes L. plötzlich die Nummer eins, Wiener auf Rang zwei.

Beispiel 2: Karin Gastinger, ehemals FPÖ/BZÖ-Justizministerin, findet sich auf Platz eins. Sie gilt als Kandidatin von Michael Sachs. Der schwarze Vize-Präsident des Gerichts kommt ursprünglich aus dem Kabinett von Wolfgang Schüssel. Auf Platz zwei ist Tatjana Cardona gereiht, Mitarbeiterin von SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda. Für den nächsten Job ist Gastinger Zweitgereihte und Cardona auf Platz eins.

Dieses Schema zieht sich bei 37 der 40 Jobs durch. Aufgeteilt zwischen SPÖ und ÖVP, mit leichtem Überhang für Schwarz. Einige Kandidaten werden dem roten Gerichtspräsidenten Harald Perl direkt zugeordnet, ehemaliger Mitarbeiter der SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima. Die Drittgereihten bleiben immer auf Platz drei.

Warum aber kreuzweise Reihungen, man könnte die Wunschkandidaten doch ganz einfach der Reihe nach als Einser setzen?

"Der Vorteil ist, dass man die Bewerber zwei Mal hineinbringen kann und doppelt absichert. Das heißt, die Fixstarter bekommen den Job auf jeden Fall", erklären die Richter das System. Außerdem reduziert sich die Zahl der Kandidaten, die ins Finale kommen, beträchtlich. Was das Risiko durchzufallen minimiert.

Die Richter vermuten stark, dass die Listen jener Anwärter, welche die ersten Bewerbungshürden übersprungen haben, zuerst an die Parteizentralen geschickt werden: "Dort wird gestrichen, getauscht und platziert. Dann gehen die Listen zurück an den Personalsenat des Gerichtes, der entsprechend reiht."

Der Wahrheitsbeweis dafür wird wohl nicht anzutreten sein. Die Kreuzbestellungen sind aber tatsächlich schwer erklärbar. Denn für alle 40 Jobs sind genau die dieselben Qualifikationen erforderlich. Diese sind im Richter-und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz festgeschrieben. Die Gerichts-Chefs Perl und Sachs müssten sich in dieser Materie ganz besonders gut auskennen, verfassten die beiden doch im Manz-Verlag einen ausführlichen Kommentar dazu.

Der Personalsenat, der die Kandidatenlisten erstellt, besteht aus dem Präsidentenduo und fünf Richtern. "Die Unabhängigkeit der Richter ist der garantierte Schutz vor parteipolitischem Einfluss", dementiert Gerichts-Sprecherin Dagmar Strobel-Langpaul jegliche Intervention. "Die Richter entscheiden ausschließlich nach objektiven und unabhängigen Kriterien." Die Kreuzreihungen würden laut Strobel-Langpaul dann erfolgen, wenn zwei Bewerber gleichwertig und gleich gut qualifiziert wären. Schon ein seltsamer Zufall, dass der Großteil der Kandidaten exakt gleich gut qualifiziert sein soll.

"SPÖ und ÖVP sollen die Finger von den Richtern lassen", wettert der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Diese Vorgangsweise beschädige das Ansehen der Verwaltungsgerichtsbarkeit. "Richterbestellungen über Ministerkabinette und Partei-Interessen sind eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats und absolut inakzeptabel. Das werden wir auch im Parlament klarmachen", kündigt Steinhauser an.

Die aufgebrachten Richter wiederum stellen die Frage, ob dem Personalsenat Missbrauch der Amtsgewalt vorzuwerfen wäre.

Grünen-Anfrage an Minister

Die Grünen haben aufgrund eines KURIER-Berichtes vor einigen Wochen eine parlamentarische Anfrage an Drozda und Rupprechter eingebracht. Sie wollen von beiden Ministern unter anderem wissen, ob innerhalb der eigenen Partei oder mit dem Koalitionspartner Gespräche über die Einstellung von BVwG-Richtern geführt wurden. Während Rupprechter alle Fragen umgehend verneinte, ist Drozdas Antwort noch ausständig.

Die Grünen fragen auch nach, ob alle Mitglieder des Personalsenats, die über die Reihung entschieden haben, bei den Kandidaten-Hearings anwesend waren.

Waren sie nicht. Vor allem der Herr Präsident hat sich angeblich bei den Anhörungen öfter vertreten lassen. "Wie kann jemand beurteilen, der die Kandidaten gar nicht gesehen hat?", monieren die aufmüpfigen Richter.

Bei der Beurteilung eines Hearings entscheidet schließlich der persönliche Eindruck. Aber vermutlich ist das Hearing ohnehin egal. Vier bis fünf Kandidaten pro Stunde würden durchgeschleust, hört man aus dem Gericht. "Stimmt nicht, nur drei pro Stunde. Oft überzieht der Personalsenat zeitlich bis in den späten Abend", kontert die Gerichtssprecherin. "Sieht ganz so aus, als ob die Hearings nur eine Formübung wären", ätzt Steinhauser.

Die ersten Vorwürfe politischer Interventionen tauchten übrigens bereits in der Gründungsphase des Verwaltungsgerichtes auf, das nicht zum Justizministerium, sondern zum Bundeskanzleramt gehört und 36.000 Verfahren jährlich abarbeitet. Unter den ersten 80 Richtern waren auch schon Mitarbeiter aus Ministerkabinetten. Alle von ihnen wären heute Vorzeige-Richter, schwärmt Strobel-Langpaul. Na dann.

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