Pop-up-Stores: Marketing, das aus dem Alltag holt

Pop Up Stores öffnen am Donaukanal.
Um sich in die Köpfe der Konsumenten zu setzen, lassen Marketer ihre Fantasie spielen.

Berlin, Friedrichstraße 124: Seit Dienstag irritiert hier ein neues Lokal. Eine traditionelle französische Bäckerei, nüchtern eingerichtet, mit Grey Goose gebrandet. Erst hinter einer Geheimtür gibt es die Auflösung: Eine noble Bar mit Kronleuchter, Deckenmalerei, geschliffenen Kristallgläsern und exzellenten Drinks. François Thibault, CEO der Nobel-Wodka-Marke Grey Goose veranstaltet hier für nur vier Tage ein exzentrisches Bar-Spektakel, das den ausgewählten Gästen die Idee dieser Spirituose näherbringen soll (mehr siehe unten).

Pop-up-Stores: Marketing, das aus dem Alltag holt
Adidas
Was vor Jahren in Japan seinen Ausgang nahm, wird in Europa weiter gefeiert. Kaum eine Marke, die etwas auf sich hält, hat den Trend der Pop-up-Stores an sich vorbei ziehen lassen – von Louis Vuitton bis adidas, von McDonald’s bis illy. Ob bei Mode, Kosmetik oder Lebensmittel, Pop-up-Stores scheinen für alle Produkte zu passen. Friederike Müller-Wernhart, CEO von der Mindshare Mediaagentur sagt, dass Pop-up-Stores auch weiter im Trend liegen werden. Aus gutem Grund: "Sie sind ein Trend in einer sich ständig und schnell wechselnden Kultur, in der sich langfristige Business-Modelle nicht rechnen. Sie sind eine gute Ergänzung zur Online-Shopping-Welt. Große Marken oder spezielles Design finden ihre Marken-Inszenierungen in urbanen Bereichen, die auf längere Sicht nicht leistbar wären. Es ist auch ein Saisongeschäft mit vorübergehendem festen Wohnsitz." In erster Linie würden sie Umsatz bringen, jedoch könne man Marken mit dieser Inszenierung auch auf Zeitgeist-Niveau heben. Studien bestätigen, dass sich vor allem die junge Generation, die Millennials, von Pop-up-Stores anziehen lässt. Zudem würden Visionäre, laut Müller-Wernhart, bereits die Stores der Zukunft "als wandelbar nach Tageszeiten und Bedarf der Konsumentenströme" zeichnen.
Pop-up-Stores: Marketing, das aus dem Alltag holt
Grey Goose
Udo Wagner hat den Lehrstuhl für Marketing an der Universität Wien inne. Pop-up-Stores würden Produkte emotionalisieren und ihnen mit der besonderen Inszenierung eine exklusive Note geben. "Ob es das Produkt tatsächlich nur dort gibt, ist nebensächlich. Die Menschen wollen abgelenkt, ein wenig aus dem Alltag gerissen werden", sagt Wagner. Das haben die Marketing-Profis erkannt und locken die Kunden wie das Schuhlabel Toms etwa damit, dass Street Artists an zwei Nachmittagen Schuhe bemalen, Paul Frank lässt eine DJane Platten auflegen und Grey Goose serviert eben in einer Bäckerei versteckt Wodka. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Nicht zuletzt ist das alles mit einem vergleichsweise geringem Budget möglich. "Klassische Werbung ist in den meisten Fällen teurer", sagt Wagner.

Marketing Trends

Neben dem anhaltenden Pop-up-Store-Trend sieht Friederike Müller-Wernhart die weitere Digitalisierung der klassischen Medien. Insbesondere Technologien wie iBeacons – kleine Funksender, die auf Wunsch Nachrichten an das Smartphone senden – und TV-Sync – das Zusammenspiel von TV-Werbung mit dem Second Screen – würden auf dem Vormarsch sein. Dass die Zukunft ausschließlich in der digitalen Welt liegt, kann sich Udo Wagner aber nicht vorstellen: "Das Sensorische, das Fühlen, Schmecken, Riechen, ist nach wie vor wichtig." Eben das könne die digitale Welt nicht bieten.

Mitten in Berlin hat Grey Goose monatelang umgebaut, um aus einer alten Gaststätte eine französische Bäckerei zu machen. Blaues Portal, innen nüchtern, nicht viel Brot, aber mit einer Tür in eine andere Welt: Im Hinterzimmer offenbart sich dem Besucher eine Bar wie aus dem Bilderbuch. Opulent, teuer, mit internationalen Barkeepern, die mit Flaschen jonglieren. Die Nobelmarke Grey Goose – eine Literflasche kostet rund 40 Euro – will mit der Verbindung Bäckerei und Bar auf den Rohstoff verweisen: Der Wodka wird aus Weizen aus der Picardie gemacht, der Kornkammer Frankreichs. Es ist das Getreide, aus dem auch das baguetteartige, französische Brot in der Region seinen Geschmack erhält. Eine gute Geschichte also. Die braucht man, wenn man Wodka aus einer Cognac-Region verkaufen will.

Man darf am Kosten-Nutzen-Faktor der Aktion durchaus zweifeln: Zahlen werden zwar nicht genannt, aber die Kosten eines Komplettumbaus für nur vier Tage sind beträchtlich. Was mit der Location danach passiert, darüber will man noch nichts sagen. Viel Aufsehen gibt es in der Friedrichstraße aber schon. Die Aktion fand bereits in New York statt, jetzt wiederholt man sie in den großen Städten der Welt.

François Thibault, CEO des Konzerns und Kreateur des Wodkas, empfängt am Eröffnungsabend die großen Kunden, Bar- und Clubbetreiber aus Deutschland. Ihnen soll mit dieser Show die Marke und ihre Qualität näher gebracht werden. Und ein schönes Stück französischen Chics: Thibault hebt sein Glas "Le Fizz", spricht ausschließlich Französisch und verabschiedet sich nach kurzem Gastspiel mit Santé.

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