"Pleiten sind Spitze des Eisbergs"

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Handel. In fünf Jahren haben wir 20 Prozent zu viel Verkaufsflächen, schätzt RegioPlan-Chef Richter.

Die Familie Essl kämpft um ihr Lebenswerk Baumax, die niederösterreichische Unternehmerfamilie Koch hat ihr Möbelimperium Kika/Leiner an einen südafrikanischen Konzern verkauft. Niedermeyer und Schlecker sind von der Bildfläche verschwunden, DiTech und mcshark pleite. Im Handel waren die Zeiten schon rosiger.

"Die Pleiten, die wir jetzt erleben, sind nur die Spitze des Eisbergs", meint Wolfgang Richter, Chef des Standortberaters RegioPlan. Das Internet macht stationären Händlern zu schaffen. Kommen Managementfehler dazu, gehen die Lichter in den Firmen schnell aus. Derzeit holen sich Internethändler rund zehn Prozent des Umsatzkuchens. 2020 werden es geschätzte 25 Prozent sein. Zunächst waren der Buch- und Elektrohandel von der Entwicklung betroffen, jetzt verkauft Amazon schon mehr Bohrmaschinen als die Baumarktketten, sagt Richter. Die Folge: "In fünf Jahren werden wir 20 Prozent zu viel Verkaufsflächen haben."

Ihm zufolge werden vor allem schlechte Lagen und Fachmarktzentren zusperren müssen. "Dort sind viele Geschäfte, die keiner mehr braucht, etwa Diskonter." Seiner Meinung nach hat das Alles-billig-Prinzip ausgedient, weil der Billigstbieter meist aus dem Internet kommt. Das Argument, dass viele aufs Geld schauen und beim Diskonter einkaufen müssen, lässt er nicht gelten. "Die Kaufkraft in Österreich steigt seit 20 Jahren. Die Leute geben ihr Geld nur mehr für Psychotherapien, Urlaube oder Selbsterfahrungsseminare aus und weniger fürs Einkaufen."

Nach den Insolvenzen im Elektronikhandel, sieht Richter den Pleitegeier bereits über stationäre Schuh- und Textilhändler kreisen. Nirgends sind die Online-Umsätze 2013 so stark gestiegen wie in diesen Branchen. Der Trend verschärft sich durch die "digital natives", also jene, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Web-Shops bringen ehemals stolze Handelshäuser ins Wanken. Ihr Motto: "Klotzen, nicht kleckern." Stationäre Händler erobern den Markt Region für Region, Online-Anbieter starten auf einen Schlag in zig Ländern. So verkauft Zalando 6 Jahre nach der Gründung in 15 Ländern Mode. "Mit Verlust", sagen Kritiker. Experten betonen, dass es sieben Jahre dauert, bis sich so eine Expansion rechnet und Zalando in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits profitabel arbeitet.

"Zirkusdirektoren"

Shoppingcenter-Betreiber brauchen neue Ideen. "Sie müssen von besseren Hausmeistern zu Zirkusdirektoren werden", meint Richter, dass mehr Entertainment gefragt ist. "Ware ausstellen und hoffen, dass sie niemand im Web gesehen und dort billiger gekauft hat, reicht nicht mehr."

Der Onlinehandel setzt in Österreich rund 5,5 Mrd. Euro im Jahr um, was zirka dem Umsatz der flächenmäßig größten 30 Shoppingcenter Österreichs entspricht. Im Bekleidungshandel, der 60 Prozent Marktanteil hält, sind die Quadratmeterumsätze in den vergangenen zwei Jahren gesunken. Je nach Definition gibt es in Österreich rund 155 Einkaufszentren ab einer vermietbaren Fläche von 5000 Quadratmetern.

Die Pleitewelle im Elektrohandel reißt nicht ab. Nach DiTech und Elektro-Köck musste nun auch der Apple-Händler mcworld/mcshark (18 Filialen, 148 Mitarbeiter) den Weg zum Konkursrichter antreten. Laut Creditreform wurde ein Sanierungsverfahren beantragt. Den Gläubigern wird 20 Prozent Quote geboten. Die um Pfandrechte bereinigten Schulden betragen rund 11,8 Millionen Euro, das freie Vermögen lediglich 726.000 Euro. Laut Insolvenzantrag sollen der Betrieb fortgeführt, aber mehrere Filialen geschlossen und 30 Jobs gestrichen werden. Die Pleite-Ursache dürfte hausgemacht sein. Mcworld hat sich bei der Übernahme des doppelt so großen Händlers mcshark (Ende 2012) überhoben. Zugleich verschlang die Renovierung der Geschäftslokale offenbar viel Geld. Nach wie vor werden Gespräche mit einem potenziellen Investor geführt. Der Ball liegt aber nun beim Insolvenzverwalter.

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