Oxford-Professor: "EU betreibt Realitätsverweigerung"

Clemens Fuest geht mit der europäischen Politik und der Europäischen Zentralbank hart ins Gericht. "Die
EU hat lange Zeit Realitätsverweigerung betrieben", sagte der Deutsche. Damit müsse nun Schluss sein. Der Oxford-Wirtschaftsprofessor war am Mittwoch zu Gast in Wien bei den wirtschaftspolitischen Gesprächen von IHS-Chef Bernhard Felderer. Die Krise sei in erster Linie durch Überschuldung ausgelöst, nicht durch Ratingagenturen. "Die Konstruktion eines Sündenbocks ist das typische Ablenken der Politik."
Auch die verschärften Sanktionen im Rahmen des Euro-Schutzschirmes seien unrealistisch. "Die vorgesehene Reduzierung der Schuldenquoten und die Defizitobergrenzen können vielleicht gerade noch von Deutschland eingehalten werden." Fuest schlägt vor, die Liquiditätshilfen für kleinere angeschlagene Euroländer auf je drei Jahre zu befristen und danach einen Schuldenschnitt zu machen. "Die Salamitaktik ist besser als ein großer Knall, das können wir nicht riskieren."
Für Italien käme ein Schuldenschnitt aufgrund des ökonomischen Gewichts nicht infrage. In diesem Fall müsste die EZB unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellen, was jedoch die Inflation anheizen würde.
Auch Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, hält eine Entschuldung über eine hohe Preissteigerungsrate für wahrscheinlich. Diese Phase könnte mindestens 25 Jahre dauern.
WIFO-Chef: "Schuldenschnitt ist die Lösung"

Mit einem Brand in einer Siedlung vergleicht WIFO-Chef Karl Aiginger die Schuldenkrise in Europa. "Kurzfristig müssen wir dafür sorgen, dass wir mit dem Löschen schneller sind als die Zündler. Langfristig muss man die Brandherde beseitigen."
Konkret empfiehlt der Wirtschaftsforscher, zunächst Spekulationsattacken einzudämmen: "Die erste Maßnahme muss sein, den Rettungsschirm beim nächsten Treffen der EU-Chefs zu verdoppeln." Damit zeige man, dass man zur Not auch ein großes Land unterstützen könne.
Als nächsten Schritt plädiert Aiginger für einen Schuldenschnitt und Garantien für griechische Staatsanleihen: "Der Brady-Plan ist die Lösung: Man reduziert den Schuldenstand und garantiert für den Rest." Er sehe nicht ein, warum Private immer nur die Gewinne mitnehmen, die Verluste aber die Steuerzahler tragen sollen. "Der Schuldenschnitt wird sicher kommen." Der Widerstand der Finanzminister und EZB-Banker werde von Tag zu Tag geringer.
Langfristig brauche man die Einrichtung eines Interventionsmechanismus, etwa in der
EZB, gegen Spekulationsattacken: "Wir brauchen jemanden, der dagegen wettet." Leerverkäufe müssten eingeschränkt, eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Zudem müsse die Politik Investitionen ankurbeln: "Die griechische Jugend muss Perspektiven erhalten."
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