Risiko-Zone Küniglberg

Risiko-Zone Küniglberg
ORF-Chef Wrabetz bringt einen Neubau nicht durch. Die Sanierung am Standort Küniglberg kostet 300 Millionen €.

Bautechnisch wurde am ORF-Zentrum in idyllischer Villenlage nahe dem Schloss Schönbrunn schon zu Beginn gepfuscht. Als Anfang der 70er-Jahre die „Betonburg am Küniglberg“ – wie Architekt Roland Rainer das neue Fernsehzentrum nannte – hochgezogen wurde, stürzte ein Bauelement ein und begrub fünf Arbeiter. Zwei Männer starben.

Bei der Eröffnung 1974 überraschte Rainer die Festgäste damit, der Bau sei auf eine Lebensdauer von nur 30 Jahren ausgelegt. Gut geschätzt. 2005 konstatierte ein Gutachter wegen fortgeschrittener Betonkorrosion und Rissen „Gefahr im Verzug“, 2007 empfahl der nächste Gutachter, die Nutzbelastung zu reduzieren. Weil man befürchtete, den Mitarbeitern könnte die Decke auf den Kopf fallen, wurde 2012 das Hauptgebäude zur Sanierung geräumt, die Belegschaft zog in Container oder wurde in Büros über die Stadt verteilt.

Über die Entscheidung „Renovierung oder neu bauen“ wird seit Jahren gestritten, interveniert, taktiert und intrigiert. Mittendrin der nicht gerade entscheidungsstarke ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. „In jeder Sitzung die wiederkehrenden Diskussionen. Das ist schon lange keine wirtschaftliche Entscheidung mehr, da geht’s nur noch um politische Befindlichkeiten“, seufzt ein genervter Stiftungsrat.

Offiziell wurde immer noch nicht deklariert, ob die größte Medienorgel des Landes am Berg bleibt oder in den neuen Stadtentwicklungsteil St. Marx zieht. Selbst innerhalb des ORF sind die Meinungen immer noch gegensätzlich. Tatsächlich aber berichtete Wrabetz im September 2012 dem Stiftungsrat, es erfolge nun „eine größtmögliche Zusammenführung zentraler Unternehmensfunktionen am primären Standort Küniglberg“. Das Gremium möge Projektorganisation und Terminplan sowie die Ausarbeitung eines Raum- und Funktionsprogramms „auf Basis der größtmöglichen Zusammenführung der zentralen Unternehmensfunktionen am Standort Küniglberg“ genehmigen. Angenommen mit 30 von 35 Stimmen. Wrabetz hatte in seinen Antrag erst nach einer heftigeren Diskussion mit den Stiftungsräten den Küniglberg hineingeschrieben und die Option eines Neubaus gestrichen.

Mit der Entscheidung ist der ORF mehr als drei Jahre überfällig. Weil sich die Politik einmischte. Wiens Bürgermeister Michael Häupl, SP, hätte den ORF liebend gerne in St. Marx angesiedelt. Die WSE, eine Tochter der Wien-Holding, reservierte ein riesiges Grundstück. Die Option, für die der ORF 240.000 Euro zahlen muss, verfällt mit Jahresende. Das Areal liegt direkt neben dem Media Quarter Marx, für das sich die Stadt den umstrittenen kasachischen Botschafter Rakhat Aliyev als Partner holte.

War gar nicht geschickt, dass die Wiener SPÖ bei der Gemeinderatswahl 2010 mit dem Projekt warb. Die ÖVP war sofort gegen den Plan. Auch von der Bundes-SPÖ und Werner Faymann kam keine Unterstützung. Wrabetz brachte trotz roter Mehrheit kein Votum für St. Marx zustande. Stiftungsrat Werner Muhm, AK-Direktor und enger Vertrauter von Faymann, blockierte. Das Gerücht, der ORF-Chef habe Häupl die Übersiedlung an die Südost-Tangente vor seiner Wiederwahl als Generaldirektor versprochen, hält sich hartnäckig.

Dabei würde viel für einen neuen Standort sprechen. Mit dem nicht nur Wrabetz, sondern anfänglich auch der kaufmännische ORF-Chef Richard Grasl, VP, sympathisierte. Der Berater Accenture errechnete für die Sanierung Kosten von knapp 300 Millionen Euro. Inklusive einem neuen, multimedialen Newsroom und der Übersiedlung des Hörfunks von der Argentinierstraße auf den Berg, über die jedoch erst im März 2014 abgestimmt wird.

Kritiker befürchten, die Sanierung der Betonburg könnte sich finanziell zum Fass ohne Boden auswachsen. Mit Verweis auf das Finanzdesaster bei der Reparatur des ebenfalls von Rainer gebauten Stadthallen-Bades. So warnte ein begutachtender Experte, betreffend Sanierung Küniglberg „sollte die Frage in das Zentrum gestellt werden, ob eine derartig teure (und aus Sicht der Standsicherheit technisch notwendige) Sanierung auf Kosten der Steuerzahler vertretbar ist“.Bei einem Neubau könnte ein exakt auf die Anforderungen des ORF zugeschnittenes High-Tech-Zentrum hingestellt werden. Das obendrein wesentlich verkehrsgünstiger liegt.

Der Machbarkeitsstudie des Architekten Manfred Wehdorn werden Lücken unterstellt. Für die Altlasten-Sanierung, sprich Asbest-Beseitigung, sind 4,76 Millionen Euro kalkuliert. Das sei viel zu wenig, denn während der Bauarbeiten seien heuer neue Asbestnester gefunden worden, in manchen Bereichen sogar freiliegender Asbeststaub. Die von der Architektenkammer als zu eng kritisierte Ausschreibung eines Generalplaner-Auftrags über mehr als 20 Millionen Euro für die Sanierung verzögert sich jetzt auch noch. Die Bieter erfuhren am 3. Dezember, dass Termine für die Hearings und die Abgabe der „Last and Best Offer“ erst 2014 bekannt gegeben werden (siehe Faksimile).

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Weil ein Bieter die Ausschreibung beeinspruchte.Selbst ein attraktives Angebot von Morgan Stanley konnte die Küniglberg-Fans nicht überzeugen. Die US-Investmentbank hätte gemeinsam mit dem Projekt-Entwickler Bondi Consult das denkmalgeschützte ORF-Zentrum samt Argentinierstraße und Rosenhügel um 70 Millionen Euro übernommen. Und den auf rund 220 Millionen Euro geschätzten Neubau in St. Marx nach den Vorgaben des ORF durchgezogen und finanziert. Der ORF hätte sich für eine Kauf- oder eine Leasing-Variante entscheiden können.

„Keine fundierten Zahlen, ein Neubau wäre wesentlich teurer als eine Sanierung. Und wir sanieren ja nicht nur, sondern modernisieren grundlegend“, argumentieren die Befürworter des Standortes am Berg. In der Stellungnahme von Wrabetz-Sprecher Martin Biedermann ist freilich nicht von großen Preisunterschieden die Rede: „Die Investitions-Berechnungen, die der ORF mit Accenture durchgeführt hat, ergeben, dass alle Varianten auf 30 Jahre gerechnet kostenmäßig sehr nahe beisammen liegen“. Nachsatz: „Für eine Neubau-Variante gibt es derzeit nicht genügend Unterstützung von Seiten des Stiftungsrates und der Politik“.

Am Donnerstag werden im Stiftungsrat übrigens die Modelle für die Finanzierung der Sanierung diskutiert: Eine Leasing-Variante oder eine Anleihe als Option.

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